Body as Byte

23.03.03.06.2001
23.03.
03.06.2001

Mit Basicray, Ursula Biemann, Shu Lea Cheang, Vuc Ćosić, Ricardo Dominguez, Fennesz/Zeitblom/Rantasa, Kathy High, Margarete Jahrmann/Max Moswitzer, Darji Kreuh, Tina LaPorta, Lee Bul, Kristin Lucas, Diane Ludin/Francesca da Rimini/Agnese Trocchi, Björn Melhus, Diane Nerwen, Yves Netzhammer, Panoptic, Patricia Piccinini, Keith Piper, Jane Prohet, Melinda Rackham, Jennifer Reeder, Eric Schumacher, Lloyd Sharp, Stelarc, Eva Wohlgemuth

Die Ausstellung ist auf vier Ebenen angesiedelt: Einerseits werden Projekte gezeigt, die mit hybriden Technologien operieren, Besucherinnen und Besucher involvieren und spezifische Erfahrungsmöglichkeiten bereitstellen. Andererseits sind Arbeiten zu sehen, die den Einfluss neuer Technologien auf den Körper ästhetisch thematisieren und untersuchen. Eine Medialounge mit Internetzugang, CD-ROM- und Videoarchiv bietet einen erweiterten Informationshintergrund. Vorträge, Performances und spezielle Screenings während der Ausstellung vervollständigen die Show zu einer multiplen, breitgefächerten Auseinandersetzung mit dem Körper im Zeitalter seiner Cyborgisierung.

Der Körper als Informationssystem
Was heute wirklich zählt, ist Information. Pausenlos sammeln Kredit- und Cumuluskarten, Cookies, Videokameras und Genpassports Daten über Menschen. Es gibt kein Entrinnen aus der permanenten Aufzeichnung und deren (kapitalträchtiger) Bewertung. Daten bestimmen, ob jemand ein Mensch werden darf oder nicht, einreisen darf oder ausgeschlossen bleibt…

Die postmoderne Annahme, dass Körper, Geschlecht und Identität nicht natürlich gegeben, sondern technologisch (oder diskursiv) konstruiert sind, ist in den letzten Jahren zu einem Gemeinplatz geworden. Schönheitschirurgie, Biotechnologie, Xenotransplantation, Designerdrogen, Lifestyle und Computerisierung des Alltags bewirken, dass die Menschen sich nicht mehr als Ich-bin-halt-so-wie-ich-bin empfinden, sondern dass sie intensiv an der Mach- und Veränderbarkeit ihres Körpers und an der Vielfalt möglicher Ichs arbeiten.
Paradoxerweise sehen wir uns in dieser scheinbar postbiologischen Ära auf der anderen Seite mit einer Tendenz zur Re-Biologisierung konfrontiert, die alles, was sozial, psychisch und genderspezifisch konditioniert ist – wie etwa Anorexie, Bulimie oder Vergewaltigung – zu einem Problem der Gene erklärt, gegen das es im besten Fall ein Arzneimittel gibt. Während uns Erfolgsberichte über Bodystyle-Medikamente wie Viagra oder Xenical sowie über die Fortschritte von Reproduktionstechnologien überschwemmen, ist die Medizin gegenüber vielen Krankheiten immer noch ratlos. Und obwohl die moderne Kriegsführung auf simulationistische Spektakel setzt, hinterlässt sie in erster Linie tote, defekte und verseuchte Körper und Ökosysteme.

Neue Technologien ersetzen den Körper nicht und machen ihn nicht zur obsoleten wetware, wie das von Technodeterministen euphorisch vertreten wird. Aber sie beeinflussen unseren Körper und dessen Wahrnehmung massiv: Neue Visualisierungstechnologien (be)schreiben den Körper neu, neue Apparaturen wecken nie dagewesene Krankheiten und Lüste. Angst lösen nicht mehr Riesenmaschinen aus, sondern unsichtbare Technopartikel und Computerviren, die alles zu invadieren und umzucodieren drohen. Kam das, was als authentisch und real zu gelten hatte, bereits durch Radio- und Fernsehen auf den Prüfstand, so bringen Simulationstechniken der Computer- und Internetgeneration das Verhältnis von Realität und Fiktion vollends durcheinander.

Der Körper scheint unendlich verschaltbar zu sein. Die Vorstellung, dass er ein harmonisch funktionierender, natürlicher bio-logischer Organismus ist, der ab und an von Krankheiten attakkiert und aus der Fassung gebracht wird, hat sich zur Annahme gewandelt, er sei ein komplexes Set interagierender Codes, die in ein labiles Gleichgewicht eintreten. Der Körper ist ein System biotischer Entitäten und kommunizierender Informationsströme, der Mensch ein Cyborg, ein kybernetischer Organismus, bei dem sich die Grenzen zwischem dem, was natürlich und was künstlich ist, verwischen. In ihrem Cyborg-Manifesto von 1985 schrieb die US-Biologiehistorikerin Donna Haraway: «Die Maschine ist kein Es, das belebt, beseelt oder beherrscht werden müsste. Die Maschine sind wir, unsere Prozesse, ein Aspekt unserer Verkörperung. Wir können für diese Maschinen verantwortlich sein; sie beherrschen oder bedrohen uns nicht.» Haraway plädiert dafür, die Grenzverschiebungen, die dieses Cyborgsein bewirkt, zu geniessen und nicht zu fürchten. Sie ist nicht im Dualismus von Technologie-Dämonisierung und Fortschrittsoptimismus befangen, sondern pflegt einen offenen und kritischen Umgang mit Technologien. Diese sind kein notwendiges Übel, mit dem man sich irgendwie arrangieren muss, sondern sie sind ein integraler Bestandteil des Menschseins und der menschlichen Kultur, an der alle partizipieren und auf die alle Einfluss nehmen können.

Den in Body as Byte versammelten Projekten liegt ein solch avancierter Technokörperbegriff zugrunde. Sie sind einerseits getragen von der Faszination an neuen Technologien und deren Einfluss sowohl auf den Körper als insbesondere auch auf die dominanten Bilder vom Körper. Andererseits reflektieren sie die Problematik, die der Reduktion des Körpers auf pure Information eingeschrieben ist. Deshalb plädieren sie für die Notwendigkeit einer konstruktiven Kritik an und Neuerfindung von eindimen-sionalen (ökonomistischen und deterministischen) Vorstellungen und beharren auf der Bedeutung der menschlicher Verkörperung im Real Life. Spielerisch, spekulativ und provokativ nehmen sie den posthumanen Cyborgkörper von morgen bereits im Heute vorweg, um ihn anders zu denken. Body as Byte widersetzt sich jedoch explizit der kursierenden Annahme und Erwartung, dass neue Medien und Technologien zwangsläufig neue Ästhetiken hervorbringen. Denn wie der Neue Medientheoretiker Lev Manovich sagt, «wie soll sich die Kultur ändern, wenn sich die Ökonomie nicht ändert? Net.Kapitalimus ist immer noch Kapitalismus».

Die übergreifenden Fragestellungen lauten folgendermassen: Welchen Einfluss haben neue Technologien (digitale, Virtual-Reality, Internet, Biotec etc.) auf den Körper und dessen Wahrnehmung? Was für Körperbilder und Fantasien existieren heute? Was für Identitätsvorstellungen, Subjektivitätsentwürfe und Handlungsmöglichkeiten lösen sie aus? Welche Rolle spielen ideologische Konzepte wie Geschlecht, Rasse, Klasse, Alter? Wie kann man die posthumanen Körperkonzepte über ökonomische, medizinische, biologische Interessen hinaus für einen ästhetisch-künstlerischen Ansatz nutzen und weiterentwickeln, der sich als Teil der gegenwärtigen Technokultur versteht und aus dieser Verwickelung heraus ein kritisch-lustvolles Bewusstsein fördern will? Was für Optionen gibt es, wenn der Körper nur noch Informationsstrom ist? Body as Byte versucht, den Begriff der Information auf den Bereich des Körperwissens auszudehnen, mithin Information auch als körperliche zu denken und damit den Entkörperungsfantasien der Cyberwelt progressiv zu begegnen.

kuratiert von Yvonne Volkart

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