Berlinde de Bruyckere, Jenny Saville, Dan Flavin
Die Kombination von Werken der belgischen Bildhauerin Berlinde De Bruyckere und der britischen Malerin Jenny Saville ist aufgrund des gemeinsamen Interesses an existenziellen Themen wie Schmerz, Leid, Versehrtheit, Schuld und Sühne – zumeist unmittelbar abgehandelt in der Beschäftigung mit dem Körper – nicht nur nachvollziehbar, sondern liegt geradezu auf der Hand. So unterschiedlich ihre künstlerischen Materialien und Techniken mit der Skulptur und der Malerei zu sein scheinen, so sehr berühren sie sich in der jeweils individuellen Ausgestaltung derselben. Jenny Savilles collagierter Malgrund verdeutlicht nicht nur die Objekthaftigkeit ihrer Malerei, sondern rückt sie in die Nähe der Technik der Fragmentierung und des Wiederzusammensetzens von Berlinde De Bruyckere, wie wir sie von den Pferdetorsi kennen, ihr aber auch in den zwitterhaften Wachsfiguren begegnen. Umgekehrt ist das Moment der Malerei zur Erzielung der delikaten Oberflächenstruktur von De Bruyckeres Wachsskulpturen ein aber absolut zentraler Faktor.
Berlinde de Bruyckere (*1964, lebt und arbeitet in Gent) wird im grossen Ausstellungssaal neuere Arbeiten installieren. Die in monumentalen Vitrinen bewahrten Wachsskulpturen von Baumstämmen schliessen den Kreis durch die unterschiedlichen Formen des Kreatürlichen – Tier, Mensch und jetzt die pflanzliche Welt –, der sich durch De Bruyckeres Werk zieht.
Jenny Saville (*1970, lebt und arbeitet in London und Palermo) wird v.a. mit dem grossformatigen Triptychon Atonement Studies von 2005–06 aus der Sammlung des kürzlich verstorbenen Carlo Bilotti vertreten sein, welches über die Darstellung körperlicher Versehrtheit Fragen der menschlichen Integrität aufwirft.
Ein Schlüsselwerk von Dan Flavin (1933–1996), des amerikanischen Pioniers der Minimal Art, The Nominal Three (to William of Ockham) aus dem Jahr 1963 komplettiert – wenn auch auf weniger offensichtlichen Ebenen – die Trias und dient der Ausstellung als unverzichtbares Scharnier. Die im mittleren Raum eingerichtete, auf einem mathematischen Prinzip beruhende, meditativ anmutende Lichtinstallation balanciert die beiden heftigen und ästhetisch sich reibenden Positionen von de Bruyckere und Saville aus. Zugleich verdeutlicht sie den sakralen Charakter aller drei Räume. Die Form des Triptychons spielt dabei eine wichtige Rolle.
Auf einer übergeordneten Ebene thematisiert die Kombination von Skulptur, Malerei und einer eigentlich immateriellen Installation das so unterschiedliche Vermögen der verschiedenen Kunstgattungen, Bedeutung zu generieren, eröffnet also auch eine medien- und abbildungstheoretische Diskussion.
Die Ausstellung Berlinde De Bruyckere, Jenny Saville, Dan Flavin korrespondiert schliesslich aufs Schönste mit der parallel im Kunstmuseum Luzern stattfindenden Sommerausstellung Vis-à-vis. Bacon & Picasso, verfolgen doch De Bruyckere und Saville in ihrer Arbeit Anliegen, denen sich bereits Picasso und vor allem Bacon zugewendet haben, und führen diese in einer zeitgenössischen künstlerischen Sprache weiter. Gemeint sind insbesondere das Thema der Fragmentierung des Körpers und das Moment von dessen Zurschaustellung, bisweilen an der Grenze zur Erbarmungslosigkeit, sodass sie unweigerlich an Darstellungen aus der christlichen Ikonografie gemahnen.
kuratiert von Peter Fischer