Hommage an Viktor Lüthy (1924–1998)
Ausgewählte Neuerwerbungen der Bernhard Eglin-Stiftung der Jahre 1983–1998

25.08.26.09.2004
25.08.
26.09.2004

Das Kunstmuseum Luzern ehrt mit dieser Ausstellung den Kunstfreund und Kunstförderer Viktor Lüthy, der am 29. Juni 2004 seinen 80. Geburtstag hätte begehen können. Von 1983 bis zu seinem unerwarteten Tod 1998 wirkte er in der Bernhard Eglin-Stiftung, zuerst als Vizepräsident, dann als Präsident.

Die Bernhard Eglin-Stiftung ist 1933 von der Kunstgesellschaft Luzern mit Mitteln aus einem Legat von Bernhard Eglin begründet worden. Ihr Zweck besteht darin, den Ausbau der Kunstsammlung des Kunstmuseums Luzern durch den Erwerb von Kunstwerken, die Beschaffung von Geldmitteln und die Vermittlung von Kunstschenkungen zu fördern. Die Stiftung war in den ersten zwölf Jahren ihres Bestehens recht aktiv. Über hundert Werke wurden erworben, die heute zu den Glanzpunkten der Sammlung zählen: Gemälde von Albert Anker, Alexandre Calame, Johann Melchior Wyrsch, Felix Maria Diogg und Arnold Böcklin, Ferdinand Hodlers Breithorn und Der Tag (und später die Genferseelandschaft) oder Robert Zünds Buchenwald, zu dem sich später der Eichenwald und das Haus unter Bäumen gesellten. 1946 war das Stiftungskapital nahezu aufgebraucht.

Anschliessend beschränkte sich die Stiftung auf die Pflege und Erhaltung ihres Kunstgutes. Diese stille Existenz dauerte bis Anfang der Achtzigerjahre. 1983 beging man das 50-Jahr-Jubiläum des Bestehens des Kunstmuseums im Kunst- und Kongresshaus von Armin Meili und zugleich der Bernhard Eglin-Stiftung. Der kurz zuvor sich neu konstituierende Stiftungsrat setzte sich zum Ziel, die Stiftung wieder zu beleben. So waren dann bereits an der Ausstellung zum 50-Jahr-Jubiläum verschiedene Neuerwerbungen und Schenkungen zu bewundern, darunter das für die Epoche der Klassischen Moderne in der Schweizer Kunst wichtige Gemälde Barmherziger Samariter von Johannes Itten.

Spiritius rector der Programmgestaltung, der inhaltlichen Ausrichtung und der dazu notwendigen Mittelbeschaffung war Viktor Lüthy. Sein Vorhaben hiess «Schliessung der Sammlungs-Lücke für die Zeit zwischen 1910 und 1960». Das Kapitel der abstrakt-modernen Schweizer Kunst, die bisher in Luzern eher schwach vertreten war, galt es exemplarisch aufzubauen, ausgehend von den Pionieren der Moderne bis zu den Künstlern abstrakt-konkreter und konstruktivistischer Richtung wie auch denen , die dem Surrealismus verpflichtet waren.

Dank seiner angenehmen Überzeugungskraft und seines grossen Beziehungsnetzes konnten mit Unterstützung von privaten Personen, Firmen und Institutionen auch später und regelmässig markante Erwerbungen getätigt werden. Arbeiten der Avantgarde, aus dem Kreis der Gruppierung Allianz um Walter Bodmer, Leo Leuppi, Meret Oppenheim, eine bedeutende Werkgruppe der Zürcher Konkreten und Konstruktivisten wie Max Bill, Fritz Glarner, Richard Paul Lohse, Camille Graeser, Verena Loewensberg, später auch Sophie Taeuber-Arp, Gottfried Honegger, Hans Hinterreiter, Jenny Losinger-Ferri, noch später von der nächsten Generation wie Jakob Bill, Willi Müller-Brittnau, Nelly Rudin, Shizuko Yoshikawa, Hans-Jörg Glattfelder. Aber auch Arbeiten von bedeutenden Exponenten der Innerschweizer Kunst, wie Heinrich Danioth und dessen Lehrer August Babberger, Charles Wyrsch, Paul Stöckli und Franz Fedier fanden Eingang in die Sammlung.

In den Neunzigerjahren stiessen Werke der jüngeren Generation dazu, von John Michael Armleder, Helmut Federle, Lenz Klotz, Olivier Mosset u.a.m. Zwischen 1983 bis 1997 umfasst die Liste der Neu-Erwerbungen 114 Nummern. Die abstrakte, konkret-konstruktivistische Kunst war ein Schwerpunkt in Viktor Lüthys Sammeltätigkeit. Er hat die Luzerner Sammlung um diese Komponente bereichert und damit – in einer Gegend barocker Denkart und eher surrealistisch-fantastischer Kunstwelt – einen Kontrapunkt gesetzt, der nicht immer gleich verstanden wurde.

Diese im quantitativen Sinne kleine Ausstellung macht deutlich, dass es verfehlt wäre, Viktor Lüthys Engagement auf die abstrakte Kunst des exakten methodischen Aufbaus und geometrischen Regelwerks zu reduzieren. Auch der malerische Ausdruck einer Kunst, die auf Formen verzichtet und nicht mehr abbildend ist, hat ihn interessiert, die Kunst des Informel, des Tachismus. Viktor Lüthy pflegte und betreute diese Balance zwischen dem Gemälde, das auf Konstruktion beruht und demjenigen, das gestische Emotionalität in sich trägt.

In einer Übersichtsausstellung zu einem klar definierten Sammlungsbestand ist es einfach, Kunstwerke miteinander zu kombinieren, deren einziger gemeinsamer Nenner grundsätzlich darin besteht, zu eben diesem Sammlungsbestand zu gehören. Man hätte also, wie bereits aus dem Gesagten ableitbar, lustvoll und frei drauflos hängen können, Itten neben Danioth, Oppenheim neben Dahm, Bill neben Federle, eine Abfolge von Highlights der Kunstgeschichte der Schweiz des letzten Jahrhunderts. Das wäre eine dokumentarische Präsentation der beachtlichen Ankaufsleistung geworden, die Viktor Lüthy in seiner Ära mit der Hilfe Privater und der Unterstützung der jeweiligen Stiftungs- und Museumsverantwortlichen vollbracht hat.

Wir haben uns für eine Selektion entschieden, die die wichtigsten Schwerpunkte der Sammlungspolitik Lüthys und der Bernhard Eglin-Stiftung vorstellt: Werke der Konkreten Kunst, der unter dem Stichwort Tachismus zusammengefassten Abstrakten Kunst der 1950er und 1960er Jahre und Werke der Klassischen Moderne der Schweiz am Beispiel von Félix Vallotton.

Félix Vallotton, von dem wir hier den ganzen Bestand des Hauses zeigen, also auch das bereits 1934 von der Stiftung gekaufte Bild und die beiden Leihgaben an die Sammlung des Kunstmuseums aus Privatbesitz, hat in dieser kleinen Ausstellung die Schlüsselposition inne. Er belegt sozusagen die Scharnierstelle zwischen zwei wichtigen Bewegungen der Abstrakten Kunst. Seine Werke bilden in beiden Räumen kleine Zentren, um die herum sich eine eigenartige Erfahrung einstellt: Zuerst ist da die Verblüffung über die ungewohnte Kombination. Natürlich gibt es diese Parallele der Farben, etwa bei Graesers „Kühle Relation-Konversion“ und Vallottons „La Seine à Tournedos“, doch die Nachbarschaft wird vielmehr zum Kommentar. Durch die Brille der Konkreten erkennen wir in Vallottons Gemälden ein ähnliches Konzept des strengen Bildaufbaus. Und so wie Vallotton, trotz Sonnenuntergang und Sturm, in seiner Malerei jegliches Pathos zurückhält, so sehen wir wie die Konkreten mit der Befreiung des Bildes von der gegenständlichen Welt eine ebensolche Versachlichung erreichen.

Im zweiten Raum ist eine ganz andere Stimmung. Vallottons Gemälde geben einen melancholischen Ton vor. Reduktion und Kontrolle sind auch hier seine bestimmenden Einsatzmittel. Er ist ein Meister der Andeutung, kein Strich wird dem Zufall überlassen. Es sind wirkliche Interieurs, trotz der Figuren, alles bleibt gegen Innen an ein Zentrum gebunden, alles bleibt unter Kontrolle. Diese bringt eine malerische Haltung in den Saal, von der auch die übrigen Werke bestimmt sind. Ob in der Wahl der Farbe oder des Auftrags, sogar in den als wilde, gestische Malerei daherkommenden abstrakten Bildern ist diese Kontrolle.

Eine Kombination von Gemälden, die eigentlich nicht zusammengehören, kann Fragen zu Bildaspekten aufwerfen, die man bisher nicht erkannt oder so nicht gewichtet hat. Das ist ein Mehrwert, der über den vielleicht primären Anlass hinaus den Museumsbesuch mit dem Erlebnis eines Erkenntnisgewinns schmückt. Dass dies mit drei so unterschiedlichen Schwerpunkten in unserer Sammlung möglich ist, hat in erster Linie mit der hervorragenden Qualität der Bestände der Bernhard Eglin-Stiftung zu tun. Eine Qualität, die sich in den einzelnen Bildern dadurch auszeichnet, dass sie eben jederzeit mit neuen Überraschungen aufwarten können.

kuratiert von Christoph Lichtin

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