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Maria Lassnig, 2 Einträge

Maria Lassnig wird am 8. September 1919 in Kappel am Krappfeld im österreichischen Kärnten geboren. Ab 1925 lebt sie mit ihrer Mutter in Klagenfurt, wo sie das Realgymnasium der Klosterschule der Ursulinerinnen besucht. Bereits während ihrer Schulzeit erhält sie Zeichenunterricht, ihrer Mutter wird geraten, das talentierte Mädchen künstlerisch ausbilden zu lassen. Lassnig jedoch absolviert 1939 die einjährige Ausbildung zur Volksschullehrerin und unterrichtet das folgende Jahr an einer abgelegenen Bergschule, bevor sie sich 22-jährig mit einer Mappe realistischer Zeichnungen an der Wiener Akademie der bildenden Künste bewirbt. Lassnig wird in die Meisterklasse von Wilhelm Dachauer aufgenommen, die Eingliederung in die vorgegebenen visuellen Ausdrucksformen der Kunsthochschule fällt ihr jedoch nicht leicht. Drei Jahre nach dem Einmarsch von Hitlers Truppen und der faktischen Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 werden Lassnigs Ansichten über Malerei von ihrem Lehrer als 'entartete Kunst' bezeichnet. Lassnig harrt aus und wechselt die Klasse. Später sollte sie vermerken: „Die akademische Ausbildung in der Nazi-Zeit hat den Schülern nur alte Meister geboten. (…) Ich habe mir mein Farbsehen selbst erarbeiten müssen.“

Mit 25 Jahren beendet Lassnig 1944 ihre Ausbildung an der Wiener Akademie und mietet in Klagenfurt ein Atelier. Nach Jahren der kriegsbedingten künstlerischen Isolation sieht sich die junge Künstlerin erstmals mit Tendenzen der aktuellen Kunst konfrontiert. Sie liest André Breton, gelangt über die Beschäftigung mit der Literatur zum Surrealismus und experimentiert in den späten 1940er Jahren mit der für die Surrealisten zentralen Methode der 'écriture automatique', die das menschliche Unbewusstsein gleichsam automatisch visualisieren sollte. Lassnig verwirft jedoch diese Art der Bildfindung wieder, nicht das menschliche Unbewusstsein will sie auf Papier bannen, sondern subjektive Körperempfindungen und Körpergefühle. Bereits 1948 notiert sie in ihrem Tagebuch: „Bei entschiedener Konzentration kann jeder nachempfinden, dass Druckstellen am Körper im Kopf Bilder entstehen lassen, die ja nicht gleich aus dem Unbewussten kommen mögen.“ Im selben Jahr entstehen die ersten sogenannten 'Körperbewusstsein-Zeichnungen', bei denen sie stets sowohl als Malerin als auch als Modell agiert. Ohne die realistische Bildsprache gänzlich zu verlassen, nähert sie sich der Abstraktion, malt manchmal mit geschlossenen Augen und vermag ihre Weiblichkeit, ihre Sexualität, ihr Körpergefühl zu visualisieren, ohne sich jedoch als primär weibliche oder als explizit dem Feminismus verpflichtete Malerin wahrzunehmen.

Zu Beginn der 1950er Jahre zieht sie wieder nach Wien, 1951 erhält sie durch ein Stipendium die Möglichkeit nach Paris zu fahren. Paul Celan vermittelt ein Treffen mit Breton, das Lassnig jedoch als unbefriedigend empfindet. Ihr Interesse für den Surrealismus hat nachgelassen, es sind nun die amerikanischen und französischen Kunstschaffenden der Art Informel und des abstrakten Expressionismus, die sie faszinieren. Zurück in Österreich verarbeitet sie die Eindrücke in verschiedenen Gemälden und Zeichnungen, die wohl den Begriff 'informel' im Titel tragen, letztlich aber mehr von konzentrierter Selbstbesinnung denn von ungezügelten Ausbrüchen zeugen. Mit der Serie der sogenannten 'statischen Meditationen', die Lassnig in den frühen 1950er Jahren schafft, verlässt sie die Vehemenz der Art Informel und vermag ihr Kunstschaffen nun praktisch vollumfänglich aus den eigenen kontemplativen Körperempfindungen zu generieren.

1961 verlässt Lassnig – inzwischen zur österreichischen Avantgarde gehörend – Wien und richtet sich in Paris ein Atelier ein. Sie hofft in der damaligen Kunstmetropole auf mehr Verständnis für ihr Schaffen zu stossen, als es ihr bis anhin in ihrem Heimatland entgegengebracht wurde. Die Künstlerin kehrt nun zu den grossen Formen der Strich- und Linienbilder zurück, entwickelt jedoch mit roten und grünen Linien eine neue Farbigkeit. In den grossformatigen Ölgemälden sind die Körperempfindungen auf Dehnungen, Druckpunkte und Spannungen konzentriert. Die Linien werden zu Körperumrissen, zu reduzierten Händen oder Beinen, ohne jedoch einen geschlossenen, visuell fassbaren Körper zu suggerieren. Ihre Selbstdarstellungen hat Lassnig gleichsam verinnerlicht, sie entstehen zumeist ohne die Hilfe eines Spiegels, noch resultieren sie aus vorbereitenden Zeichnungen oder Ölskizzen.

In den späten 1960er Jahren verlässt Lassnig Paris und zieht 1968 nach New York, ihre introspektiven Arbeiten werden von der amerikanischen Kunstwelt jedoch nicht mit der erhofften Aufmerksamkeit bedacht. Die Künstlerin reagiert auf diese Ablehnung indem sie sich – auch um ihr Können unter Beweis zu stellen – in den 1970er Jahren wieder einer realistischeren Bildsprache zuwendet. Sie versucht in ihrem Atelier in Manhattan realistische Elemente in ihre Bilder einzuweben, in der Folge entstehen surreal anmutende Zeichnungen und Ölbilder die deutlich erkennbare Hände, Füsse oder Beine abbilden, die aus introspektiven, gefühlten Bildelementen herauszuwachsen scheinen und letztlich auch Lassnigs doppelte Perspektive auf eine Innen- und eine Aussenwelt visualisieren. Ebenfalls in dieser Zeit beschäftigt sich die Künstlerin mit dem formalen Ausdrucksmittel des Zeichentrickfilms.

Zu Beginn der 1980er Jahre wird sie als Professorin für Malerei an die Wiener Hochschule für angewandte Kunst berufen, ebenfalls 1981 darf sie zusammen mit Valie Export den österreichischen Pavillon an der Biennale in Venedig gestalten. Lassnig kehrt nun definitiv nach Wien zurück. 1982 wird sie nach Kassel an die documenta eingeladen, drei Jahre später widmet ihr das Museum Moderner Kunst in Wien eine erste grosse Retrospektive, endlich ist eine gewisse internationale Aufmerksamkeit erreicht. Konkrete formale Anknüpfungen an früheres Schaffen verdeutlichen in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre Lassnigs Rückbesinnung auf das eigene künstlerische Schaffen. Mit Werken wie dem Ölgemälde „Breitseite“ von 1987 (KLM G 90.17x) knüpft sie an die Strich- und Linienbilder der frühen 1950er und 1960er Jahren an. Die verschiedenfarbigen Linien umreissen eine grosse, bis an den Bildrand ausgedehnte Form, durchschneiden die weissen Flächen der Leinwand, gestalten ein Innen und ein Aussen. 1994 hält sie 75-jährig fest: „Es hat sich seit nunmehr 45 Jahren nicht geändert, dass ich beim malen und zeichnen von derselben Realität ausgehe: vom physischen Ereignis der Körperempfindung.“ Das Körpergefühl, das eigene Selbst ist nach wie vor Inspirationsquelle für jeglichen künstlerischen Ausdruck von Maria Lassnig und zugleich bis in die Gegenwart das wesentliche kontinuitätsstiftende Element in ihrem Werk.

Maria Lassnig verstirbt am 6. Mai 2014 in Wien.

Gioia Dal Molin
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