Félix Vallotton wird am 28. Dezember 1865 als Sohn eines Drogisten in Lausanne geboren. 1882 übersiedelt er nach Paris, wo er an der Académie Julian mit Charles Maurin, einem Vertreter des Symbolismus, sowie mit Pierre Bonnard, Édouard Vuillard und Maurice Denis in Kontakt kommt, die sich später zur Künstlergruppe Nabis zusammenschliessen. Dieser Gruppe gehört auch Vallotton von 1892 bis 1903 an.
1885 beteiligt sich Vallotton erstmals am Pariser Salon. Nach 1891 entstehen erste Holzschnitte. Die bissigen Illustrationen und kühn verknappten Holzschnitte erregen in der Pariser Szene große Aufmerksamkeit und machen ihn schnell in ganz Europa berühmt. Mit seinen Blättern läutet er eine Renaissance des Holzschnitts ein und prägt die Flächenkunst des Jugendstils entscheidend mit. Vallotton illustriert nun nicht nur französische Publikationen und Zeitschriften, sondern ist zugleich etwa für Blätter wie das Chicagoer „Chap Book“, das Londoner „Studio“ und die programmatische Münchner „Jugend“ tätig. Einen Fürsprecher findet Vallotton zudem im einflussreichen Kunstschriftsteller Julius Meier-Graefe, der einen Holzschnitt in der ersten Ausgabe seiner Zeitschrift Pan platziert und 1898 die erste Monographie des Künstlers verfasst. Neben seiner Malerei ist Vallotton als Kunstkritiker und Schriftsteller und später als Lehrer an der Pariser Académie Ranson tätig. Darüber hinaus macht er sich als Werbegraphiker und Kunsthandwerker einen Namen.
1897 avanciert Vallotton zum ständigen Mitarbeiter der Zeitschrift „Cris de Paris“. Die Heirat mit Gabrielle Rodrigues-Henriques 1899, einer reichen Witwe aus der Kunsthändlerfamilie Bernheim, bringt finanzielle Sicherheit. Im Grossbürgertum, in welchem er sich nun bewegt, fühlt er sich allerdings höchst unwohl. 1900 wird der Künstler französischer Staatsbürger. Im selben Jahr malt er zahlreiche abstrahiert-flächige Landschaftsbilder am Genfer See und zeigt Gemälde in der Berliner Secession. 1903 folgt eine von Ferdinand Hodler und Gustav Klimt ausserordentlich gelobte Ausstellung mehrerer Bilder in der Wiener Secession. 1909 ehrt ihn das Kunsthaus Zürich mit einer ersten großen Einzelausstellung.
In dem 1908 abgeschlossenen Roman „La vie meurtrière“ (erscheint posthum 1946) nimmt er nicht zuletzt auf dunkle Erlebnisse in seiner Kindheit Bezug. Der ironisch-sarkastische Roman schildert in der Ich-Form das Leben Jacques Verdiers, der, zum Selbstmord entschlossen, verzweifelt von seinem Fluch berichtet, jeden seiner Bekannten ins Verderben gestürzt zu haben. Mit seinem 1920 geschriebenen Roman „Corbehaut“ (posthum 1970), der ähnlich dem malerischen Werk die bürgerliche Fassade einer Kleinstadtidylle brüchig werden und das Grauen durchscheinen lässt, schafft Vallotton einen bedeutenden Beitrag zur phantastischen Literatur.
1917 besucht er die Front bei Verdun – dieses Erlebnis findet in bissigen, gegen Deutschland gerichteten Holzschnitten ihren Niederschlag. Die letzten Lebensjahre sind geprägt von familiären Sorgen. Nach einem Kuraufenthalt an der Côte d’Azur stirbt Vallotton am 29. Dezember 1925 in einem Pariser Krankenhaus.
Obwohl Vallotton auch einige Kleinplastiken schafft, liegt der Schwerpunkt seiner Kunst zweifellos auf dem Holzschnitt und der Malerei. Dabei ist eine enge Wechselwirkung zwischen den beiden Gattungen festzustellen. Es finden sich die gleichen Themen und Kompositionsmuster; Vallotton verwendet in seiner Malerei häufig die gleichen verknappten, hart aneinander stoßenden, flächigen, gewissermaßen grafischen Formen, die für den Holzschnitt typisch sind, und strebt eine Farbigkeit ohne Zwischentöne an. Die starke Kontrastivität des Holzschnitts setzt er in nahezu gänzlich schwarzen Grafiken für die bisweilen stark humoristische Darstellung der Doppelmoral des Bürgertums ein. Ebenso verwendet er in beiden Medien die ornamentale Zeichensprache des Jugendstils. Auf diese Weise findet er zu einem verfremdend-dekorativen Stil, der Personen und Landschaften bisweilen ins Unheimlich-Unwirkliche überträgt. So spielen sich etwa in eleganten Interieurs sarkastisch geschilderte Ehedramen ab. In zahlreichen Bildern des Spätwerks nach 1905 gelingt Vallotton eine kühle Plastizität ohne Stilisierung.
1895 beginnt Vallotton sein Livre de raison, ein handschriftliches Verzeichnis, in welchem er fortlaufend alle seine Gemälde erfasst. Mit einem speziellen Zahlen- und Buchstabencode am Ende der Bildbeschreibung, vermerkt er Detailangaben zu Format und Bildgattung.
Christoph Lichtin
Martigny, Fondation Gianadda (Ausst.-Kat.), Félix Vallotton. Les couchers de soleil. Die Sonnenuntergänge, hrsg. von Rudolf Koella, Matthias Frehner und Samuel Vitali, Martigny: Fondation Gianadda, 2005
Ducrey, Marina, Félix Vallotton. L'oeuvre peint. Catalogue raisonné, Lausanne: Fondation Félix Vallotton; Mailand: 5 continents Editions srl; Zürich: SIK, 2005 (Catalogues raisonnés d'artistes suisses 22)
Essen, Folkwang Museum Essen (Ausst.-Kat.), Félix Vallotton, bearbeitet von Rudolf Koella, München: Hirmer, 1995
Guisan, Gilbert/Jakubec, Doris, Félix Vallotton. Documents pour une biographie et pour l'histoire d'une oeuvre, Vol. I - III, Lausanne, Paris: La Bibliothèque des Arts, 1974
Koella, Rudolf, Das Bild der Landschaft im Schaffen von Félix Vallotton, unveröffentlichte Dissertation Universität Zürich, 1969