Wie sehen Künstler:innen aus? Albrecht Dürer inszeniert sich, angelehnt an Christusdarstellungen, ganz unbescheiden mit einem grandios gemalten Pelz. Vincent Van Gogh wiederum malt sich verwundet, nachdem er sich im Wahn das Ohr abgetrennt hat. Frieda Kahlo projiziert den inneren Schmerz auf ihren Körper, um ihr Schicksal zu verarbeiten. In den 1970er-Jahren, als Urs Lüthi seine ersten Selbstporträts fotografisch inszeniert, rücken Themen wie Travestie, Verwandlung und Identität generell in den Fokus der Kunst. Seine Bronzeskulptur «Selfportrait as an Artist» aus der Serie «Art is the Better Life» kam 2015 als Ankauf mit Mitteln des ArtClub Luzern in die Sammlung des Kunstmuseums Luzern. Das Kunstmuseum Luzern besitzt zahlreiche Arbeiten von Urs Lüthi, der zu den wichtigsten zeitgenössischen Künstler:innen der Zentralschweiz zählt. In «Selfportrait as an Artist» stellt sich der Zentralschweizer Künstler als gemächlichen Durchschnittsbürger dar, der in T-Shirt, kurzen Hosen und Turnschuhen gekleidet den Boden mit einem Besen wischt. Lüthis Skulptur zeigt keinen muskelbepackten Adonis wie in der Kunst der Renaissance oder des Klassizismus’. Lange waren Selbstporträts von Künstler:innen mit Repräsentation, Status und Macht verbunden. Der banale und alltägliche Akt des Bodenwischens unterläuft hingegen den Anspruch eines repräsentativen Porträts. Gleichzeitig wohnt dieser alltäglichen Handlung etwas Meditatives inne. Ein Verweis auf das Gefühlsleben des Künstlers? Urs Lüthi hat sich in seiner Karriere als Künstler immer wieder selbst porträtiert: als androgyne Figur, als lebensechter Urs Lüthi mit Vorschlaghammer auf einem Trümmerhaufen, auf einem «fliegenden Teppich» oder in spielerischen Posen zusammen mit dem Künstlerfreund David Weiss. Angesichts all dieser Versionen wird unsere Vorstellung einer konsistenten Identität brüchig und zweifelhaft. Auch der Titel «Selbstporträt als Künstler» legt nahe, dass Urs Lüthi sich ebenso gut als Putzkraft oder Hobbywischer versteht. Denn das Wort als impliziert ein fluides Selbstverständnis, in dem Künstler:in-Sein nur eine von vielen möglichen Wesensformen ist. Allzu ernst nimmt sich Urs Lüthi dabei nicht. Denn in der Inszenierung als Putzhilfe, eine Tätigkeit mit niedrigem gesellschaftlichem Status, ist – anders als in der Kunst – kein Prestige zu gewinnen.