informationen
Werkbeschrieb
Laut Arnold Böcklin, der 1848 für wenige Monate Calames Schüler gewesen ist, lassen sich die Bilder seines Lehrers auf zwei Kompositionsprinzipien zurückführen: Auf diejenigen der Lichtverteilung und der Farbe. "[…] oben ein Licht in der Luft, das über die fernen Bergspitzen herabgeführt ist. Dagegen eine dunkle Masse, etwa ein Wald. Vorn dagegen eine Wiederholung des Lichtes […] Eine blaue duftige Felswand, darüber der blaue Himmel mit einzelnen weissen Wolken und Dunststreifen. Vorn und etwas nach hinten jedoch malt er warm beschienen (orangenfarben-warm) Kiefern, Pinien oder Fichten", wird Böcklin in den Tagebuchaufzeichnungen von R. Schick zitiert.
Das vorliegende Gemälde ist in mancherlei Hinsicht als typischer Calame aufzufassen. Der Vordergrund ist detailliert durchgestaltet und wird durch eine mächtige Baumgruppe auf der rechten Bildseite dominiert. Die "dunkle Masse" dieser mächtigen Laubbäume hebt sich – ganz dem von Böcklin genannten Kompositionsprinzip folgend – eindrucksvoll von dem hell beschienenen Hintergrund ab. Eine Art Trampelpfad führt den Blick des Betrachters auf das Zentrum des Gemäldes hin. Der Aussichtspunkt gewährt freie Sicht auf die weiter unten ruhig dahinfliessende Aare und auf den "lichterfüllten Gipfelpathos" (P. Wegmann) im Hintergrund. Die kleinen Figuren, eine junge Frau mit zwei Ziegen, befriedigen das Verlangen des Kunstpublikums des 19. Jahrhunderts nach Belebung der Landschaft. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit wird das Licht der bereits ziemlich tief liegenden Nachmittagssonne sichtbar gemacht und die Landschaft erstrahlt in warmen Braun- und Orangetönen. Als Komplementärfarbe zu den Ockertönen im mittleren Vorder- und linken Hintergrund wirkt das kräftige Himmelsblau in der rechten oberen Ecke. Es verleiht dem Gemälde einen Hauch von Frische, was massgeblich zur harmonischen Gesamtwirkung beiträgt.
Das Gemälde, das Calame rückseitig selbst mit "Souvenir de l'Oberland Bernois, Effet de l'aprés-midi" beschreibt, weckt Erinnerungen an Claude Lorrain und dessen arkadische Landschaften im Abend- oder Morgenlicht. Nachdem Calame auf seiner Italienreise 1845 das Werk des französischen Klassizisten kennen gelernt hat, nimmt das Kolorit und das Licht in seinen Gemälden eine merklich wärmere Qualität an, was auch auf diesem für den Grossfürsten Michael von Russland gemalten Landschaftsbild deutlich wird.
Regine Fluor-Bürgi
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, 1951 / 1986
Eingangsjahr:1986
Provenienz/ Provenance
Russie, grand-duc Michel de Russie
Auktion Hugo Helbing 10.03.1932
München Galerie Heinemann
Bei Galerie Hansen AG, Luzern in Komission gegeben 3.5.1933
Galerie Dobiaschofsky, Bern 1971
Bibliografische Referenz/ Bibliographical References Valentina Anker (Hrsg.): Alexandre Calame. Vie et oeuvre. Cataloge raisonné de l’oeuvre peint, Fribourg 1987, S. 434
Brigit Jooss: Galerie Heinemann. Die wechselvolle Geschichte einer jüdischen Kunsthandlung zwischen 1872 und 1938, in: Anzeiger des Germansichen Nationalmuseums. Nürnberg 2012, S. 69-84.
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/2754/1/Jooss_Galerie_Heinemann_2012.pdf
Andrea Bambi, Axel Drecoll (Hrsg): Alfred Flechtheim. Raubkunst und Restitution, 2015, S.
Zeitschrift für bildende Kunst, Bd.61, 1928, S. 141.
Unmittelbare Quellen (Dokumente mit unmittelbarem Bezug zum Objekt)/ Primary Sources
Katalog Auktionshaus Hugo Helbing, München 10.03.1932 (http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/helbing1932_03_10/0001?sid=db75c00e01d9cef01102176603a66957)
Kartei der Galerie Heinemann (http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-1825.htm)
Auktionskatalog Galerie Dobiaschofsky, 7./8. Mai 1971
Korrespondenz mit Thomas Jarek vom Auktionshaus Dobiaschofsky vom 3.07.-11.09.2017
Weitere konsultierte Quellen/ Further sources
• Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, Berlin
• Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume
• Database “Central Collecting Point München” Database “Kunstsammlung Hermann Göring”
• Getty Provenance Index, German Sales Catalogs
• Lootedart.com Lost Art
• Répertoire des Biens Spoliés
• Verzeichnis national wertvoller Kunstwerke (“Reichsliste von 1938”)
Zusammenfassung/ Conclusion
Das Werk erscheint im Werkkatalog von Valentina Anker unter dem Titel «Environ de Brienz». In der Provenienz ist der grand-duc Michel de Russie aus Russland und die Münchner Galerie Heinemann angegeben, jedoch ohne Jahresangaben. Über die Onlinedatenbank Galerie Heinemann ist die Recherche in den Dokumenten der ehemaligen Galerie (1872-1938) möglich. Unter den uns bekannten Titeln «Landschaft im Haslital» und «Environ de Brienz» lässt sich das Gemälde in der Datenbank nicht finden. Unter Berücksichtigung alternativer Titel, die auf der Rückseite des Gemäldes stehen, konnte das Gemälde unter dem Titel «Partie aus dem Berner Oberland» gefunden werden.
Der Beweis, dass es sich dabei um dasselbe Gemälde handelt liefert der Auktionskatalog von Hugo Helbing vom 10.03.1932, auf den in der Bemerkung der Kartei als Vorbesitzer verwiesen wird. Darin erscheint das Gemälde mit genauem Bildbeschrieb und Abbildung. (In der Kartei der Galerie Heinemann findet sich zudem der frühe Besitzer grand-duc de Russie bestätigt.)
Das Gemälde ist demnach am 10.03.1932 In die Galerie eingegangen und am 03.05.1933 an die Galerie Hansen A.G., Luzern (für 2700 SFR.) verkauft worden.
Der Zusammenhang dieser beiden Galerien liegt zudem in der Beteiligung der Münchner Galerie Heinemann an der Galerie Hansen AG in Luzern seit etwa 1919. Theobald Heinemann (Sohn des Gründers der Galerie Heinemann, David Heinemann) und seine Frau Franziska Heinemann leiteten die Galerie bis diese 1930 von ihrem Sohn Fritz Heinemann übernommen wurde, bis sie 1946 den Konkur eröffneten. Von 1933 gibt eine Lücke in der Provenienz des Gemäldes, das erst 1971 wieder an der Auktion der Galerie Dobiaschofsky auftaucht, wo es laut aktuellen Angaben des Auktionshauses für 16000 verkauft wurde. Nach Angaben eines Mitarbeiters befinden sich im Archiv des Auktionshauses keine Informationen zum Verkäufer oder Käufer des Gemäldes. So wissen wir auch nicht wo sich das Gemälde bis ins Jahr 1986 befand, als das Kunstmuseum das Gemälde erworben hat. Die erste Lücke zwischen 1933 und 1971 stellt zeitlich zwar ein Problem dar. Die Tatsache dass sich das Gemälde damals aber bereits in der Schweiz befand, verweist nicht auf problematische Handwechsel in der ungeklärten Zeitspanne. Die zweite Lücke befindet sich nach 1971 und ist dadurch für unsere Forschung unproblematisch.
Kategorie B
Ausstellungsgeschichte
Voglio vedere le mie montagne - Die Schwerkraft der Berge 1774-1997, Aarau, Aargauer Kunsthaus Aarau, 16.06.1997 - 24.08.1997
Malerfest im Rosenlaui, Meiringen, Einwohnergemeinde Meiringen
Landschaft. Werke aus der Sammlung, Aarau, Aargauer Kunsthaus Aarau
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Modell für ein Museum. Werke aus der Sammlung, mit der integralen Schenkung Minnich, dazu ein "Bilderzimmer" von Anton Henning und Allan Porters "I Am a Museum", Luzern, Kunstmuseum Luzern, 21.10.2006 - 11.02.2007
Schweizer Meister. Sammlungsausstellung zum 75–Jahr–Jubiläum der Bernhard Eglin–Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 31.05.2008 - 20.10.2008
La collection retrouvée. Von Füssli bis Hodler: Meisterwerke aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 25.07.1993 - 26.09.1993
Terrain. Von Robert Zünd bis Tony Cragg – Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts und zeitgenössische Skulptur aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 02.03.2007 - 05.08.2007
Ins Offene! Landschaftsdarstellungen von Ferdinand Hodler und Robert Zünd bis Max von Moos, Luzern, 08.03.2014 - 16.11.2014
Literatur
Fluor-Bürgi, Regine, "Alexandre Calame", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 51-55
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Fluor-Bürgi, Regine, "Alexandre Calame", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 51-55
Bianchi, Paolo, "Das 'Medium Ausstellung' als experimentelle Probebühne", in: Kunstforum International, Bd. 186, Juni/Juli 2007, S. 44-55
Dario Gamboni, Kunstgeographie, Disentis: Pro Helvetia/Desertina Verlag, 1987 (Ars Helvetica. Die visuelle Kunltur der Schweiz, Band I)
Anker, Valentina, Alexandre Calame. Vie et oeuvre. Catalogue raisonné de l'oeuvre peint, Fribourg: Office du Livre, 1987
Neuchâtel, Musée des Beaux-Arts (Ausst.-Kat.), Maximilien de Meuron et les peintres de la Suisse romantique, mit einem Text von Pierre von Allmen, Neuchâtel: Éditions Musée des Beaux-Arts, 1984
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Schreiber-Favre, Alfred, Alexandre Calame. Peintre paysagiste, graveur et lithographe, Genève: Roto-Sadag, 1934
Rambert, E., Alexandre Calame. Sa vie et son oeuvre d'après les sources originales, Paris: Librairie Fischbacher, 1884