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Werkbeschrieb
Albert Anker sucht in der ländlichen Umgebung das Gute und Hoffnungsvolle im Menschen, um es dem Betrachter – nicht ohne didaktische Absichten – in seinen zahlreichen Einzelfigurenbildnissen vorzuführen. Seine Modelle strahlen in ihrer Haltung und Tätigkeit eine innere Ruhe aus, die durch nichts zu erschüttern ist. Unannehmlichkeiten des dörflichen Lebens umgeht der Künstler, streift aber dennoch soziale Problematiken der Zeit, zum Beispiel in "Die Armensuppe in Ins" (1893), "Der Geltstag" (1891) oder in "Der Trinker/Le Pauvre Homme" (1869). Aber auch hier handelt es sich nicht um eigentliche Anklagen, denn die Armen sind keine Ausgestossenen der dörflichen Gesellschaft, sondern demütige Empfänger ihrer sozialen Leistungen. Das Schwierige solcher Situationen ist ins Positive gewendet und spiegelt Ankers unerschütterlichen Optimismus gegenüber einem als intakt empfundenen dörflichen System wider.
Mit "Le Bonvivant" ist für Anker die Grenze dessen erreicht, was für ihn noch darstellbar ist, handelt es sich doch bei dem Abgebildeten um einen eher wenig erfreulichen Charaktertypen. Das querrechteckige Gemälde zeigt einen korpulenten, bärtigen Mann, der sich geniesserisch zurücklehnt. Mit erhobenem Kinn und aus halb geschlossenen Augen mustert er den Betrachter spöttisch. Aus seiner Körperhaltung spricht zudem eine gewisse Gerissenheit und arrogante Aufgeblasenheit, was ihm einen unsympathischen Zug verleiht. Die Physiognomie, wenn auch nicht wirklich hässlich, ist wenig ansprechend. Über der fülligen Körpermitte thront ein fleischiges, massiges Gesicht. Umrahmt wird es von einem lockigen, braunen Bart, der die breite Unterkieferpartie zusätzlich betont. Unter den anzüglich blitzenden Augen mit den wulstigen Augenliedern befinden sich eine kurze Nase und ein schmaler, vom Schnauzer halb verdeckter Mund. Angegraute Schläfen lassen auf ein mittleres Alter schliessen.
Ein warmer, stellenweise ins Rötliche gehender, kräftiger Braunton dominiert das Bild. Die breit angelegten Farbflächen sind mit lebhaftem Pinselstrich gestaltet. Der Hintergrund ist monochrom gehalten, weist aber durch ein aus dem Dunkeln hervorleuchtendes Goldgelb eine gewisse Tiefe auf. Ansonsten gibt nur eine in Grau angedeutete Sessellehne einen Hinweis auf den Bildraum. Alles Anekdotische verschwindet, ist gewissermassen auf Körperhaltung und Gesichtsausdruck des Bonvivant reduziert.
Bei dem Modell handelt es sich um einen Schiffskapitän namens Willenegger. Wie die anderen, uns mit Namen bekannten Modelle Ankers ist auch sein Bildnis über das eigentlich Individuelle hinausgewachsen. Mit der Wahl des verallgemeinernden Titels "Le Bonvivant" weist Anker sachte auf das Thema der Völlerei hin. Vollends zum allgemein gültigen Typus wird der Dargestellte auf einer Fayence, die den shakespearschen Bruder Liederlich „Falstaff“ zeigt, und für die sich Anker des Gemäldes "Le Bonvivant" als Vorlage bedient. Aus finanziellen Gründen wird der Maler nach der Familiengründung künstlerischer Mitarbeiter von Théodore Deck’s Fayencefabrik in Paris, wo er viele historische und literarische Porträts geschaffen hat. Es ist nicht selten, dass Anker Motive in verschiedenen Techniken wiederholt und abwandelt. Neben der Falstaff-Fayence gibt es den "Bonvivant" auch als lavierte Zeichnung des Kunstmuseums Solothurn und als eine sich im Privatbesitz befindende Aquarellkopie.
Regine Fluor-Bürgi
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung, Ankauf aus Berner Privatbesitz
Eingangsjahr:1933
Ausstellungsgeschichte
Albert Anker, Bellinzona, Civica Galleria d'Arte, Villa dei Cedri, 21.04.1989 - 11.06.1989
Ausstellung Albert Anker, Gemeinde Konolfingen, Emmental, 02.05.1954 - 23.05.1954
Albert Anker. Der Maler und seine Welt, Ins, Sporthalle Ins, 19.09.1981 - 18.10.1981
Eröffnungsausstellung, Luzern, Kunsthaus Luzern, 10.12.1933 - 01.03.1934
Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.03.1940 - 31.12.1940
Dr. Albert Anker Ausstellung, Bern, Kunstmuseum Bern, 15.01.1911 - 12.02.1911
Münchener Kunstausstellung 1928 im Glaspalast (Sonderausstellung Schweizer Kunst), München, Glaspalast, 01.06.1928 - 30.09.1928
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Schnee, Land und Leute: Gemälde von Anker bis Emmenegger aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 07.02.2004 - 18.04.2004
Albert Anker, Basel, Kunsthalle Basel, 03.04.1937 - 07.05.1937
Die Hauptmeister der Berner Malerei 1500–1900. Jubiläumsausstellung. Bern: 600 Jahre im Ewigen Bund der Eidgenossen 1353–1953, Bern, Kunstmuseum Bern, 29.05.1953 - 20.09.1953
Die Erwerbungen der Bernhard-Eglin-Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 15.12.1935 - 08.01.1936
Albert Anker (1831-1910). Jahrhundertausstellung, Bern, Kunstmuseum Bern, 20.06.1931 - 23.08.1931
L'art Suisse des origines à nos jours, Genf, Musée d'art et d'histoire
Schweizer Meister. Sammlungsausstellung zum 75–Jahr–Jubiläum der Bernhard Eglin–Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 31.05.2008 - 20.10.2008
Figuren und Porträts von Hans Holbein bis Ugo Rondinone aus der Sammlung, Kunstmuseum Luzern
Literatur
Lichtin, Christoph, "Bernhard Eglin and the first years of the Bernhard Eglin Foundation", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 20-27
Lichtin, Christoph, "Bernhard Eglin und die ersten Jahre der Bernhard Eglin-Siftung", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 11-19
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Kuthy, Sandor/Bhattacharya-Stettler, Therese, Albert Anker 1831-1910. Werkkatalog der Gemälde und Ölstudien, Basel: Wiese Verlag; Bern: Kunstmuseum Bern, 1995
Lüthy, Hans Armin, Albert Anker. Aquarelle und Zeichnungen, mit Texten von Paul E. Müller, Zürich: Neue Zürcher Zeitung, 1989
Bellinzona, Civica Galleria d'Arte (Ausst.-Kat.), Albert Anker, 1831-1910, hrsg. von Matteo Bianchi und Maria Will, mit einer Einführung von Rossana Bossaglia, Bellinzona: Civica Galleria d'Arte, 1989
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Ins, Sporthalle Ins (Ausst.-Kat.), Albert Anker. Der Maler und seine Welt, mit Texten von Rolf Witschi und Hans Christoph von Tavel, Ins: Sporthalle Ins, 1981
Huggler, Max, Albert Anker, 1831-1910. Der Maler und sein Dorf, Bern: Wyss, 1977
Bern, Kunstmuseum Bern, Albert Anker. Katalog der Gemälde und Ölstudien, mit einer Einleitung von Max Huggler, Bern: Kunstmuseum Bern, 1962
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Konolfingen (Ausst.-Kat.), Ausstellung Albert Anker, mit einem Text von Heinz Balmer, Konolfingen, 1954
Bern, Kunstmuseum Bern (Ausst.-Kat.), Die Hauptmeister der Berner Malerei 1500-1900. Jubiläumsausstellung. 600 Jahre im Ewigen Bund der Eidgenossenschaft 1353-1953, mit einem Vorwort von Max Huggler, Bern: Kunstmuseum Bern, 1953
Zbinden, Hans, Albert Anker. Leben, Persönlichkeit, Werk, Bern: Paul Haupt, 1952 (Berner Heimatbücher, Nr. 10/11)
Meyer-Rahn, Hans, Gesamtbericht über die Gründung und Tätigkeit der Bernhard Eglin-Stiftung von 1933-1946, Luzern: Bernhard Eglin-Stiftung, 1946
Mandach, Conrad von, 136 Gemälde und Zeichnungen von Albert Anker, Zürich: Fretz und Wasmuth, 1941
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1940
Basel, Kunsthalle Basel (Ausst.-Kat.), Albert Anker, Basel: Kunsthalle Basel, 1937