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Werkbeschrieb
Auf dem Mittelbild des vorliegenden Triptychons ist die Darstellung einer Geburt und Anbetung Christi zu sehen. Die dargestellten Figuren sind in lockerer Anordnung über die ganze Bildfläche verteilt, eine übergreifende Bildordnung ist nicht auszumachen. Vor einer baufälligen Architektur gruppieren sich Maria und Joseph, fünf Engel – davon zwei unvollendet oder übermalt – sowie Ochs und Esel um die Krippe, in der das Christuskind liegt. Darüber jubilieren drei Engel, während im Hintergrund die Hirten zur Anbetung eintreffen. Wie bei vielen andern Geburts- und Anbetungsdarstellungen gleicht die Krippe hier einem Sarkophag und weist damit auf den bevorstehenden Kreuzigungstod Christi hin, während die Nacktheit des Kindes seine Menschwerdung akzentuiert. Maria hat keinen Körperkontakt zu ihrem Sohn, mit ihrem Anbetungsgestus wird sie vielmehr in eine distanzierte Relation verwiesen. Das Sitzen auf dem Boden ist ein Zeichen der Demut und betont gleichzeitig die Geburt Christi in ärmlichen Verhältnissen. Die einfachen Hirten, deren Dreizahl wahrscheinlich in Analogie zu den heiligen drei Königen zu verstehen ist, sind gemäss Lukas-Evangelium die ersten, die den Sohn Gottes sehen, ein Zeichen, dass der Erlöser für alle Menschen auf die Welt gekommen ist.
Die Figuren auf den Aussenflügeln wenden sich huldigend der Mitte zu. Abgebildet sind wahrscheinlich der Heilige Antonius und eine Äbtissin auf der linken und die bekrönte Heilige Margaretha (möglicherweise auch die Heilige Helena) sowie die Stifter auf der rechten Seite. Neben der Äbtissin ist ein Hund dargestellt. Seit jeher ein ambivalentes Symbol, ist der Hund im biblischen Text überwiegend negativ konnotiert; in der Offenbarung wird ihm gar zusammen mit den Unzüchtigen, Mördern und Götzendienern der Eintritt ins Paradies verwehrt. In Anbetungs-Darstellungen hingegen ist er eine geschätzte Figur, die Bereitwilligkeit, Treue und Wachsamkeit gegenüber dem neugeborenen König versinnbildlicht. Sittsam neben der Äbtissin liegend, blickt er aus dem Bild und fordert die Betrachtenden zu eben diesen Tugenden auf.
Der Künstler war weniger bestrebt, dem Weihnachts-Thema mit einer ikonographischen Dichte zu begegnen, vielmehr bewirken sein einfacher Pinselduktus, die warme Farbgebung und das kleine Werk-Format eine besinnlich-ernste und vertrauliche Ausstrahlung. Die gewollte Einfachheit manifestiert sich auch auf einer programmatischen Ebene in der gekrönten Figur, die in ihrem Glanz an den äussersten Bildrand gedrängt ist, wo das Betrachterauge zuletzt verweilt. Das Triptychon dürfte ursprünglich in privater Umgebung als Altar gedient haben und gewährleistete als ein Ort der Gegenwart Christi eine unablässige Heilsversprechung. Mit dieser Hinwendung zu einer gefühlsbetonten Darstellung wurde ein Andachtsbild geschaffen, das von einem didaktischen Bildcharakter absieht. Dabei soll das Anbetungsmotiv, das sich in jeder dargestellten Figur erkennen lässt, den Gläubigen zur Andacht bewegen.
Das Werk kam 1955 als Legat von Ida Flersheim (1869-1955) mit weiteren Kunstwerken ins Kunstmuseum Luzern. Die ursprüngliche Herkunft des Werkes lässt viele Fragen offen. Als Künstler wurde bisher der niederländische Maler Cornelis Engelbrechtsen angenommen. Diese Zuschreibung ist allerdings kaum haltbar, ist doch der vorliegende Kastenaltar um einiges naiver gemalt als die virtuos angefertigten Werke Engelbrechtsens. Allerdings erschweren diverse dilettantisch ausgeführte Übermalungen – wie sie am maskenhaft wirkenden Gesicht der Marienfigur oder an der unförmigen Ausgestaltung von Ochse und Esel zu erkennen sind – eine klare Beurteilung. Die geographische Verortung scheint jedoch zu stimmen: Sechs verschiedene Wappen, die sich auf der Aussenseite und teilweise auch auf der Innenseite der Flügel befinden sowie eine teilweise zerstörte Inschrift am unteren Bildrand hinterlassen einige Anhaltspunkte. Während die Inschrift bis anhin nicht entziffert werden konnte, erwiesen sich vier Wappen als Ortswappen aus den niederländischen Provinzen Südholland (Alkemade, Voorschoten und Brielle) und Utrecht (IJsselstein) und lassen demnach auf einen niederländischen Ursprung schliessen.
Denise Frey
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stadt Luzern, 1956 von Ida Flersheim-Schlesinger, Luzern, zuhanden des Kunstmuseums
Eingangsjahr:1956
Provenienz/ Provenance
Collection Pelletier, Paris
Sammlung Baron Korf, 11.1927
Ida Flersheim-Schlesinger, Luzern
Bibliografische Referenz/ Bibliographical References
Max J. Friedländer: Die Altniederländische Malerei,Bd. 10, S. 129. 1932.
Unmittelbare Quellen (Dokumente mit unmittelbarem Bezug zum Objekt)/ Primary Sources
Verzeichnis der Legate von Frau Ida Flersheim an die Einwohnergemeinde Luzern zuhanden des Kunstmuseums, 28. November 1956.
Zum Gemälde von /nach Cornelis Engelbrechtz:
https://rkd.nl/explore/images/19630
Zum Gemälde nach Jan Mostaert auf RKD.nl: https://rkd.nl/explore/images/20248
Korrespondenz Suzanne Laemerz, RKD
Korrespondenz Sarah Cartwright, John and Marble Ringling Museum
Weitere konsultierte Quellen/ Further sources
• Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, Berlin
• Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume
• Database “Central Collecting Point München” Database “Kunstsammlung Hermann Göring”
• Getty Provenance Index, German Sales Catalogs
• Lootedart.com Lost Art
• Répertoire des Biens Spoliés
• Verzeichnis national wertvoller Kunstwerke (“Reichsliste von 1938”)
Zusammenfassung/ Conclusion
Das Gemälde wurde der Stadt 1956 geschenkt als Teil des Legats der Ida Flersheim-Schlesinger aus Luzern. Im Verzeichnis der Legate ist laut Expertise von Wilhelm von Bode (30.11.1927) Cornelis Engelbrechtzen als Urheber dieses Triptychon-Mittelstücks ausgewiesen. Das Triptychon wird zudem 1932 bei Max Friedländer genannt, der die Collection Pelletier als ehemalige Besitzerin aufführt. Zur dieser Zeit scheint er jedoch keine Kenntnis über den Verbleib des Werks zu haben. («Wo jetzt?», Friedländer, S. 124.) Die weitere Recherche nach dem Werk mit Cornelis Engelbrechtz als Urheber blieb erfolglos. Jedoch half uns nun die Provenienzangabe zur Collection Pelletier weiter. Auf der Onlinedatenbank des Niderländischen Instituts für Kunstwissenschaft – RKD.nl – fanden wir unser Triptychon bei der Suche nach der Collection Pelletier. Das RKD verfügt über das Fotoarchiv von Max Friedländer, worin sich auch eine Abbildung unseres Triptychons befand. Die von Friedländer archivierten Abbildung unseres Triptychons wies einige markante Unterschiede auf. Das RKD führte jedoch aufgrund der Abbildung des Werks aus unserer Sammlung einen Vergleich durch, wodurch sie dieselbe Identität bestätigt sahen . Jedoch wird die Zuschreibung zu Cornelis Engelbrechtz wieder angezweifelt. Auf der Rückseite von Max Friedländers Fotografischer Aufnahme des Werks befindet sich in dessen Handschrift weitere Angaben zur Provenienz: Seit Novemer 1927 war das Gemälde im Besitz eines Baron Korf.
In der Datenbank des RKD ist noch ein weiteres Gemälde mit derselben Provenienz aufgeführt. Hier wird ausserdem angegeben, dass sich die Sammlung des Baron Korf in Sarasota befand. Dieses Gemälde nach Jan Mostaert befindet sich heute im John and Mable Ringling Museum of Art in Sarasota.
Nach Anfrage im Ringling Museum wurde uns mitgeteilt, dass sie ebenfalls keine weiteren Informationen zu besagtem Baron Korf haben, dass das Gemälde jedoch wischen 1927 und 1936 von diesem angekauft worden sein muss.
Die Herkunftslücke von 1927 bis 1936 erstreckt sich also über die Grenzen der prekären Jahre hinaus. Räumlich ist die Herkunft ebenfalls nicht besser einzugrenzen und reicht von Paris über Sarasota bis Luzern. Einen Hinweis auf Raubkunst gibt es jedoch nicht. Der Fall bleibt unabgeschlossen.
Kategorie B
Ausstellungsgeschichte
Stille Nacht: Weihnachtsbilder aus fünf Jahrhunderten, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 06.12.2003 - 18.01.2004
Musikfestwochen Luzern. Sammlung Legat Frau J. Flersheim, Luzern, Wandelhalle des Kunsthauses
Passagen und Relikte. Vom Holbein–Wandbild bis zu Meglingers Brückenbildern. Werke des 16. und 17. Jahrhunderts aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 06.03.2009 - 28.06.2009
Die Evangelien in der künstlerischen Darstellung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 24.02.2011 - 26.05.2011
Kunstnachlass Ida Flersheim, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 02.12.1956 - 06.01.1957
ABC der Bilder. Die Sammlung lesen, Luzern, 25.02.2023 - 19.11.2023
Literatur
Luzern, Stadt Luzern/Luzern, Kanton Luzern (Slg.-Kat.), Durchsicht. Aus dem Kunstbesitz von Kanton und Stadt Luzern, Luzern: Stadt Luzern, Kanton Luzern, 1983
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Reinle, Adolf, "Schöne Zeugen spätmittelalterlicher Frömmigkeit", in: Weihnachtspost der Luzerner Neueste Nachrichten, Nr. 297, 22.12.1956, S. 1-2