James Coleman
Charon (MIT Project)
James Coleman wurde 1941 geboren und lebt in Dublin. Seit den achtziger Jahren zeigt er seine Arbeiten in bedeutenden Institutionen der Kunstwelt. Er ist bekannt und hoch geachtet für die ausserordentliche bildliche und literarische Präzision seiner audiovisuellen Werke. Mit Charon (MIT Project) von 1989 wird ein Hauptwerk aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern ausgestellt – zum ersten Mal wieder seit der Ausstellung von James Coleman im Jahre 1995, aus der diese Arbeit gekauft worden war.
Charon (MIT Project) besteht aus einer mehrfachen Diaprojektion und synchronisierter Tonspur. In dieser Arbeit verbindet James Coleman sein Interesse an Fragen der Wahrnehmung mit einer psychologischen, sozialen, kulturellen und geschichtlichen Dimension. Auf der Suche nach dem Selbst setzt er theatralische und dramaturgische Elemente ein, um schliesslich doch die Unmöglichkeit einer fraglosen Identität zu vertreten.
Zu Charon (MIT Project) schreibt Frank Lubbers: „Diese Projektion mit Dias und Tonspur besteht aus mehreren Kapiteln oder Episoden. Jede Episode beginnt mit der Beschreibung eines Bildes und der Beschreibung der Umstände seiner Herstellung. In gewisser Weise sind die Photos Porträts, die davon erzählen, wie das Bild ins Licht tritt. Diese Vorgehensweise verwickelt den Photographen und den Betrachter oder die Betrachterin in einen Interpretationsprozess. In einer Episode mit einem «Frankenstein» -Bild wird Franz Kafka zitiert: «…we photograph things to drive them out of our minds». Das Porträt erhält die Bedeutung eines Exorzismus.
In einer anderen Episode könnte das Porträt als Mittel betrachtet werden, die Wirklichkeit durch eine persönliche und durchdachte Interpretation zu manipulieren. Im Mittelpunkt steht das projizierte Bild eines leeren Krankenhausbettes mit einen Fernseher daneben. Eine unsichtbare Person beschäftigt sich mit der Möglichkeit, durch die Aneignung eines Photos und eines Paradoxes dem Tod zu entgehen. Wenn es stimmt, dass dem Sterbenden sein ganzes Leben in einem Moment vor Augen steht, gibt es vielleicht für diesen letzten Moment erinnerter Bilder wieder ein Erinnerungsbild und so weiter ad infinitum. So würde der Tod ewig aufgeschoben, und als Mittel, den Tod zu vertreiben, wäre die Kamera Teil einer gelebten Wirklichkeit, die Photographie wäre ein Lebenselixir.
(aus: Katalog James Coleman, Stedelijk van Abbemuseum, Eindhoven, 1989)