Chaïm Soutine, 3 Entries
Dank Krémègne bekommen sie in "La Ruche", in jener berühmten Rotunde, die zur Weltausstellung in Paris errichtet und später in Künstlerateliers umgebaut wird, ein Atelier, wo bereits andere emigrierte Künstler wie Archipenko, Chagall, Zadkine und Laurens leben und arbeiten. Soutine besucht häufig den Louvre. Er wird 1914 Schüler von Fernand Cormon an der Ecole des Beaux-Arts. Durch den litauischen Bildhauer Jacques Lipchitz lernt Soutine Amadeo Modigliani kennen, der sein bester Freund wird. 1916 zieht er zu den beiden in die Cité Falguière, in eines der zahlreichen Ateliers, wo andere mittellose Maler leben. In dieser Zeit entstehen die ersten Werke: Darstellungen aus der Cité und Stillleben. Trotz diverser Gelegenheitsarbeiten lebt Soutine weiterhin in äusserst ärmlichen Verhältnissen bis Modigliani ihn mit Léopold Zborowski, einem Galeristen und Kunstsammler bekannt macht.
Im März 1918 wird Paris von den Deutschen bombardiert. Soutine reist mit Modigliani nach Südfrankreich. Finanziell von Zborowski unterstützt, lebt er von 1919 bis 1922 in den französischen Pyrenäen in Céret, wo zahlreiche Landschaften, Stillleben und Porträts mit Frauen und Kindern von Céret entstehen. Von Céret aus besucht er häufig Paris und Cagnes. Als er 1920 in Cagnes weilt, erfährt er vom Tod Modiglianis. Zurück in Paris zerstört Soutine den Grossteil der in Céret entstandenen Werke. 1922/1923 lernt er den amerikanischen Sammler Albert C. Barnes kennen, der einen grossen Teil seines Werkes aufkauft. Von da an setzt sich sein Name durch und Soutine geniesst finanzielle Sicherheit. Neben den Landschaften und der wichtigen Werkgruppe der Porträts und Figurenbilder gilt fortan sein Interesse, inspiriert durch Rembrandts Ochsenkadaver, den Schlachtbildern.
1927 werden erstmals in einer Einzelausstellung in Paris Soutines Werke gezeigt. Gleichzeitig beginnt die Freundschaft mit Marcellin und Madeleine Castaing, die 1932 nach Zborowskis Tod Soutines Mäzene und Sammler werden. Von 1930 bis 1935 wohnt und arbeitet Soutine während der Sommermonate oft auf ihrem Landsitz in der Nähe von Chartres. In dieser Zeit malt er Porträts von Hausangestellten. 1935 findet in Chicago eine Einzelausstellung statt. Ab 1937 verschlimmert sich Soutines Gesundheitszustand.
Obwohl es für Soutine als Jude während der Kriegsjahre in Paris immer schwieriger wird, schlägt er, aus unerklärlichen Gründen, die Möglichkeit einer Auswanderung nach den USA aus. Aus Furcht vor den Nationalsozialisten versteckt er sich 1941 mit Marie-Berthe Aurenche, der ehemaligen Frau von Max Ernst, die er 1940 kennen gelernt hat, auf dem Land. Doch die Unruhe, das ungewisse Dasein, die Nervosität und Angst verschlimmern seine Magengeschwüre so stark, dass ihn Marie-Berthe 1943 auf vielen Umwegen nach Paris zurückschleppt, wo er zwar sofort operiert wird, aber an den Folgen der zu späten Operation kurze Zeit später stirbt.
Dank der Schenkung Walter und Alice Minnich gelangen drei wichtige Bilder von Soutine in den Besitz des Kunstmuseums Luzern. Wie aus Briefwechseln hervorgeht, kennt der Kunstsammler die von ihm unterstützten Maler persönlich. Es ist anzunehmen, dass Minnich, der oft in Paris weilte, neben Dufy, Pechstein, Khmeluk, Vlaminck und anderen auch mit Soutine bekannt gewesen ist.
Cornelia Ackermann
Lugano, Museo d' Arte Moderna della città di Lugano (Ausst.-Kat.), Chaim Soutine, hrsg. von Rudy Chiappini, mit Texten von Rudy Chiappini (et al.), Mailand: Electa, 1995
Dunow, Esti/Perls, Klaus/Tuchman, Maurice, Chaim Soutine (1893-1943). Werkverzeichnis, hrsg. von Esti Dunow, Guy Loudmer, Klaus Perls, Maurice Tuchman, Köln: Taschen, 1993
Lepik, Andres, "Entdeckt, verschätzt, missdeutet. Der Maler Chaim Soutine (1893-1943)", in: Neue Zürcher Zeitung, 11./12. Dezember 1993, Nr. 289, S. 62
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Chaim Soutine, mit Texten von Ernst-Gerhard Güse und Martin Kunz, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1982
Münster, Westfälisches Landesmuseum/Tübingen, Kunsthalle Tübingen/London, Hayward Gallery/Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Chaim Soutine, 1893-1943, hrsg. von Ernst-Gerhard Güse, Münster: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte; Stuttgart: Hatje Verlag, 1981
Kneubühler, Theo, "Aus dem Kunstmuseum Luzern. Chaim Soutine: Lina", in: Vaterland Luzern, Nr. 36, 13.02.1976, S. 11
Courthier, Pierre, Soutine. Peintre du déchirant, hrsg. von Pierre Courthier, Lausanne: Edita; Paris: Denoël, 1972
Paris, Galerie Charpentier (Ausst.-Kat), Cent Tableaux de Soutine, mit Texten von Marcellin Castaing, Waldemar George und Raymond Nacenta, Paris: Galerie Charpentier, 1959
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Max von Moos. Radierungen von Fritz Pauli. Leihgaben neuer Französischer Malerei, mit einem Text von Emil Lerch, 1937