Gustave Castans breitformatiges Ölgemälde vereinigt in sich zwei verschiedene Landschaftsansichten. Links im Bild findet sich ein „intimes“ Herbstwaldstück, rechts die Darstellung des bäuerlichen Lebens in einer offenen Landschaft – ein Bildmotiv, mit dem sich der Künstler insbesondere um das Jahr 1860 herum auseinandersetzt.
Getrennt sind die beiden Bildhälften durch den direkt aus dem Bild zum Betrachter hin verlaufenden Feldweg. Linkerhand sind einzig die fast blattlosen Bäume im Vordergrund deutlich zu sehen; die Waldlandschaft dahinter dagegen ist nur wie durch einen grauen Nebelschleier hindurch sichtbar. In den Wald hinein öffnet sich eine Schneise, die jedoch durch einen Holzzaun und die Böschung versperrt wird. Rechts im Bild ist silhouettenartig ein Ensemble von kleinen Figuren auf dem Acker zu sehen – ein Bauer mit einem Pflug oder einer Egge, vor die ein Pferd und zwei Ochsen gespannt sind. Vor dem Gespann steht eine weitere Person. Eine dritte menschliche Figur, eine Bauernfrau mit Korb auf dem Kopf, geht auf dem breiten Feldweg dem Betrachter entgegen. Die Grössenverhältnisse der Figuren entsprechen nicht der starken Perspektive der Landschaft, wie sie durch den Weg und den winzig wiedergegebenen Hintergrund angelegt ist: Die Frau, dem Betrachter viel näher als die Figurengruppe auf dem Acker, ist unverhältnismässig klein dargestellt.
Die Komposition wird zusammengehalten durch den hellblauen, fast gänzlich mit grauen Wolken bedeckten Himmel, und das Rotbraun der Böschung und des Ackers. Das Gemälde vereinigt in für Castan typischer Weise einerseits genau strukturierte Bildmotive wie den Waldrand und andererseits eine atmosphärische weiche Stimmung, erzeugt durch den in Sfumatomanier gemalten Hintergrund.
Nicht bloss motivisch scheinen die beiden Bildhälften unterschiedliche „Geschichten“ zu erzählen, auch liegen ihnen womöglich zwei verschiedene Konzeptionen von Landschaftsmalerei zugrunde. Die atmosphärische Darstellung des Waldrandes erinnert an Ansichten, wie sie die Vertreter der „Schule von Barbizon“ als „paysage intime“ mit Vorliebe darstellen. Mit den eher im Mittel- denn im Vordergrund stehenden Bäumen, beziehungsweise Bildfiguren, und der weiten Perspektive, die über die rechte Bildhälfte sich öffnet, gleicht die Ansicht hingegen eher den klassizistisch-idealistischen Kompositionen früherer Landschaftsmaler. Das unprätentiöse Motiv, der relativ schmucklose Waldrand und die Bauernszene, vereinigt sich mit der dumpfen Farbigkeit zu einer insgesamt stimmigen Darstellung, ohne freilich allzu idyllisch oder melancholisch zu wirken.
Isabel Fluri