Die Arbeit „Fremde Bilder“ des Schweizer Künstlers Rémy Markowitsch besteht aus bis anhin vier Installationen und ist als 'work in progress', also als zu erweiternder Werkkomplex gedacht. Die einzelnen installativen Arbeiten setzten sich jeweils aus einem grossformatigen Fotodruck und einem kleineren Monitor zusammen. Die vergrösserten Fotografien zeigen mal scheinbar beliebige Landschaftsansichten, mal eine offensichtlich misslungene Aufnahme, die – vielleicht aufgrund der nur halbgeöffneten Kamerablende – primär schwarz ist und einmal ein häusliches Interieur mit der abfotografierten und dadurch weiss erscheinenden Leinwand einer Diaprojektion. Auf dem dazugehörigen Fernsehmonitor präsentiert sich dem Betrachter eine scheinbar endlose Serie von jeweils 100 ähnlich beliebigen Fotografien; auch die grossformatigen Bilder wiederholen sich hier. Landschaftsaufnahmen, architektonische Sehenswürdigkeiten, badende Kinder, feiernde Familien oder ägyptische Pyramiden suggerieren den Einblick in ein privates Fotoalbum und werden von Markowitsch in einer bewusst gewählten, narrativen Abfolge präsentiert. Die stetig wechselnde, fortlaufende Bildfolge erinnert auf der formalen Ebene an eine Diavorführung. Durch die Übertragung der ursprünglichen Diabilder auf eine von der Firma Kodak eigens für die digitale Fixierung solcher Bildern gefertigte Foto-CD unterzieht Markowitsch das Bildmaterial einer Transformierung und spielt mit der Vermischung von Zeiten und Medien.
Die installativen Arbeiten aus der Serie „Fremde Bilder“ zeugen von Markowitschs Interesse an gefundenen, eben fremden Bildern mit unbekannter Provenienz, die er sich in einem künstlerischen Prozess aneignet und in einen anderen Wahrnehmungskontext stellt. Die als Titel gewählten Strassennamen verweisen auf den Fundort, auf die in den jeweiligen Strassen ansässigen Flohmärkte oder Trödlerläden, in denen Markowitsch auf die Bilder gestossen ist. Durch die Reihung der Fotografien erhält der Betrachter Einblick in ein gänzlich unbekanntes, fremdes Familienleben. Zugleich wird die bereits im Werktitel festgehaltene Fremdheit der Fotografien aufgebrochen. Die Motive der Familienfotos scheinen zugleich seltsam vertraut: Die gefeierten Feste, die unternommenen Ausflüge erinnern an die eigenen Familienfotos, an die eigene Familienbiografie. So sehr die Fotografien unseren eigenen Erinnerungen gleichen, so ähnlich sind sie sich auch untereinander. Auch wenn die Serie „Kastanienallee 1994“ unverkennbar den Blick auf ein Familienleben in der ehemaligen DDR – Trabbi und allsommerliche Ausflüge ins Erzgebirge inklusive – freigibt und zu den Urlaubsfotos mit ägyptischen Pyramiden oder Mittelmeeridyllen von „Kastanienallee 1995“ oder „Oranienburgerstrasse 1995“ eine gesellschaftliche Differenz bildet, die visuelle Inszenierung der Bilder, die posierenden Menschen, die auszupustenden Geburtstagskuchen und die lachenden Kinder gleichen sich. Fast scheint die künstlerische Arbeit „Fremde Bilder“ die These des Soziologen Pierre Bourdieu zu bestätigen, wonach gerade die Amateurfotografie den stärksten Reglementierungen und visuellen Konventionen zu gehorchen scheine. So verweisen Rémy Markowitschs „Fremde Bilder“ auch auf die Bedingungen und Normen der Repräsentationsformen einer Gesellschaft, die letztlich die Erinnerung ganzer Generationen bestimmen.
Gioia Dal Molin