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Description
Ursprünglich ist «Der Holzfäller» für das Portmonnaie von Herrn und Frau Schweizer gedacht. Die eben erst gegründete Schweizer Nationalbank fragt Ferdinand Hodler 1908 an, ein geeignetes Motiv für die neue Banknotenserie zu entwerfen. Das ehrgeizige Ziel ist eine Serie, die hohe Qualität mit nationalem Charakter und künstlerischem Wert vereint. Hodler reicht einen Entwurf des «Mähers» für die 100-Franken-Banknote ein. Ein Jahr darauf folgen Skizzen des «Holzfällers» für die 50-Franken-Banknote, die im Dezember 1911 in Umlauf kommt. Hodler ist zwar mit der Umsetzung des Motivs unzufrieden, der Auftrag zahlt sich für ihn letztlich aber aus, denn «Der Holzfäller» ist bei Sammlerinnen und Sammlern so beliebt, dass ihn Hodler gleich mehrfach verkaufen kann. Schon 1909 bittet ein Mitglied der Banknotenkommission Hodler um eine Version des «Holzfällers» in Öl. Damit beginnt eine ganze Serie des Sujets – insgesamt 18 Versionen – in verschiedenen Grössen. Bei den unterschiedlichen Ausführungen variieren die Jahreszeiten, der Hintergrund, der abstrakt, mit einer Hügellandschaft oder parallel verlaufenden Wolken gestaltet ist. Auch der Gesichtsausdruck der kräftigen Männerfigur variiert mal grimmig, mal freundlicher.
Die Luzerner Fassung zeichnet sich durch einen sich dramatisch aufbauenden Wolkenhimmel im Hintergrund aus, den es in den anderen Versionen so nicht gibt. Carl Albert Loosli bezeichnete im dritten Band seiner Hodler-Biografie die «Flersheimsche Fassung», der «Luzerner Holzfäller», als eine der ausdrucksvollsten und fügt hinzu, dass erst eine direkte Gegenüberstellung der einzelnen Fassungen die Unterschiede deutlich macht: «Bewegung und Stellung bleiben sich bei allen zwar immer gleich; immer ist es der gleiche Holzhauer mit der hocherhobenen, zum wuchtigen Streiche ausholenden Axt, aber sieht man genauer hin, so wird man ohne grosse Mühe erkennen, dass die Ausdrucksformen verschieden, dem Grade der Erregung des Fällers durchaus angepasst sind.» Loosli reagiert damit auf die bereits kurze Zeit nach der ersten Präsentation des Bildes an der 20. Ausstellung der Berliner Seccession geäusserte Kritik, Hodler produziere nur für den Markt. Sein Malerkollege Cunot Amiet schreibt gar: «Er fängt an, sich affenmässig zu kopieren.» Die vielen Versionen machen es Fälschern leicht, die Serie eigenmächtig zu erweitern. Bereits 1912 tauchen erste Fälschungen auf.
Martin und Florence Flersheim, ein jüdisches Ehepaar aus Frankfurt am Main, sind die ersten dokumentierten Besitzer des «Luzerner Holzfällers». 1940 wird das Gemälde durch Vermittlung des Galeristen Siegfried Rosengart von der Bernhard Eglin-Stiftung, heute BEST Art Collection Luzern, gekauft und befindet sich seither in der Sammlung des Kunstmuseum Luzern. Mehr dazu unter Provenienz.
Beni Muhl
Provenance
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung, ex Galerie Rosengart, 10.1.1940
Eingangsjahr: 1940
Provenienz Stand 2018 und Update 2021:
Martin und Florence Flersheim, Frankfurt am Main
Galerie Rosengart, Luzern, 1940 (Verkauf)
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Bernhard Eglin-Stiftung, 1940
Wie bei Menschen, wollen wir auch bei Kunstwerken wissen, woher sie stammen. Die Provenienzforschung geht dem Stammbaum, den Besitzverhältnissen eines Werkes nach, wobei die vielen Varianten des ‹Holzfällers› oft zu Verwirrung führen. Das Kunstmuseum Luzern hat die Herkunft seines ‹Holzfällers› im Rahmen eines vom Bundesamt für Kultur mitfinanzierten Projekts erforscht und die Resultate veröffentlicht.
Am 27.09.2016 wird auf der Plattform Lost Art – eine Meldestelle für während des 2. Weltkriegs und der Naziherrschaft verlorene und enteignete Kulturgüter – ein Eintrag zum «Holzhacker» von Ferdinand Hodler aufgeschaltet. Bedeutet das, dass der Luzerner «Holzfäller», ein Höhepunkt der Sammlung des Kunstmuseums Luzern und Eigentum der BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung, Raubkunst ist, also ein unrechtmässig konfisziertes Kunstwerk? Muss das Gemälde an die Erben der Familie Flersheim zurückgegeben werden? Aus der im Stadtarchiv Luzern und im Archiv der Galerie Rosengart aufbewahrten Korrespondenz zwischen der Bernhard Eglin-Stiftung und Siegfried Rosengart – der beim Kauf als Vermittler involviert ist – geht hervor, dass das Gemälde 1940 aus dem Besitz der Familie Flersheim erworben wird. Rosengart handelt den angestrebten Verkaufspreis von CHF 12000 herunter. Die Bernhard Eglin-Stiftung kauft den «Holzfäller» schliesslich für CHF 8250, einschliesslich des Vermittlerhonorars von Siegfried Rosengart von CHF 250. Zum Vergleich: Hodler selbst verkauft 1911 einen «Holzfäller» für CHF 15000.
Die ursprüngliche Besitzerfamilie, das jüdische Unternehmerpaar Martin und Florence Flersheim aus Frankfurt am Main, besitzen eine umfangreiche Kunstsammlung. Martin Flersheim verstirbt im Jahr 1935, noch vor der geplanten Flucht vor den Nationalsozialisten. Zwei Jahre später gelingt seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn Fritz die Flucht nach Amsterdam, später nach New York. Florence Flersheim kann nicht alle Gegenstände aus ihrer Sammlung mitnehmen und lagert Teile davon in einem Zollfreilager in den Niederlanden ein. Einige Bilder und Objekte verkauft Florence Flersheim. Fritz Flersheim führt als Erbe nach Ende des Krieges ein Rückerstattungsverfahren für diese Objekte, wobei Ferdinand Hodlers «Holzfäller» nicht auf der Liste der fehlenden Gemälde aufgeführt ist. Obwohl hinlänglich bekannt ist, dass der als verloren gemeldete Holzfäller im Besitz des Kunstmuseums Luzern ist, hat der Erbe keinen Kontakt mit der Institution aufgenommen. Mehr Licht ins Dunkel könnte die Einsicht in die Korrespondenz aus dem Archiv der Galerie Rosengart oder der Galerie Nathan bringen, die beide an den Verkaufsverhandlungen massgeblich beteiligt waren. Aktuell werden weitere Quellen untersucht.
Der Luzerner Forschungsbericht kam 2018 zum Schluss, dass es sich beim Holzfäller nicht um Raubkunst handelt, denn die Verkaufsverhandlungen zum «Holzfäller» werden vor dem Einmarsch der Nationalsozialisten in den Niederlanden im Jahr 1940 abgeschlossen und die Familie Flersheim ist in der Korrespondenz als Besitzerin und Verkäuferin genannt (cf. Richtlinien der Washingtoner Konferenz von 1998).
Das Werk wird aktuell weiteren Untersuchungen unterzogen.
Quellen
1) Ergebnisse des Forschungsprojekts ‹Provenienzforschung›, Kunstmuseum Luzern: https://www.kunstmuseumluzern.ch/sammlung/projekte/ (10.08.2021).
2) Eintrag «Holzhacker», in: Lost Art, 27.09.2016: https://www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/EinzelobjektVerlust.html?cms_param=EOBJ_ID%3D533689 (19.07.2021).
3) Brief von Siegfried Rosengart mit dem «Angebot von Gemälden von Ferdinand Hodler» an das Kunstmuseum Luzern, 18.11.1939, Stadtarchiv Luzern, D18: KGL Bernhard Eglin-Stiftung 1936–1941.
4) Brief von Hans Meyer-Rahn, damaliger Präsident der Bernhard Eglin-Stiftung, an Siegfried Rosengart, 12.12.1939, Stadtarchiv Luzern, D18: KGL Bernhard Eglin-Stiftung 1936–1941.
5) Fritz Flersheim, Korrespondenz zu den Rückerstattungsansprüchen, 1946–1950, Ardelia Hall Collection: Offenbach Administrative Records, National Archives and Records Administration, Washington, DC.
6) Oskar Bätschmann und Paul Müller (Hrsg.), Ferdinand Hodler. Catalogue raisonné der Gemälde, Bd. 3: Die Figurenbilder, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich: Scheidegger & Spiess, 2017, Nr. 1431, S. 400f.
6) Die «Richtlinien der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nazis konfisziert wurden, 1998» können auf der Website des Bundesamtes für Kultur heruntergeladen werden: https://www.bak.admin.ch/bak/de/home/kulturerbe/raubkunst.html (10.08.2021).
7) Esther Tisa Francini, Anja Heuss, Georg Kreis, Fluchtgut – Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Bd. 1, Zürich: Chronos, 2001, S. 25.
Exhibition History
Von Matisse bis Picasso. Hommage an Siegfried Rosengart, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 19.06.1988 - 11.09.1988
2. Gemäldeausstellung Trubschachen. Die Welt des Bauern in 180 Bildern aus Museen und Privatbesitz, Trubschachen, Kulturverein Trubschachen, 18.06.1966 - 10.07.1966
Hodler-Ausstellung. Ein Überblick über das gesamte bisherige Schaffen Ferdinand Hodler's in ausgewählten Werken seiner Hand, Frankfurt am Main, Frankfurter Kunstverein, 16.07.1911 - 01.10.1911
Waldspaziergang. Der Wald in der europäischen Malerei, Pfäffikon, Seedamm-Kulturzentrum, 16.04.1989 - 04.06.1989
Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.03.1940 - 31.12.1940
Hodler. Amiet. Giacometti. Werke aus Innerschweizer Sammlungen, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 10.07.2010 - 10.10.2010
Ergriffenheit – Werke aus der Sammlung von Hodler bis Henning, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 11.06.2005 - 13.11.2005
Der Lesesaal. Werke aus der Sammlung von Hodler, Augusto und Giovanni Giacometti, Amiet, Vallotton, Markowitsch, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 06.05.2006 - 27.08.2006
August Babberger. Zum 100. Geburtsjahr und 50. Todesjahr. Ein Zwiegespräch mit Hodler, Kirchner, Amiet, Augusto Giacometti und Danioth, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 22.06.1986 - 10.10.1986
D'Edmond Bille à Kirchner. Ruralité et modernité en Suisse, Sion, Kantonales Kunstmuseum Sion, 18.10.2003 - 04.01.2004
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
La Suisse présente la Suisse, Dakar, Senegal, Stiftung Pro Helvetia
Der Blick ins Unendliche – Hodler Munch Kirchner, München, Neue Pinakothek, 24.01.2008 - 28.04.2008
Swiss Made. Präzision und Wahnsinn. Von Hodler bis Hirschhorn, Wolfsburg, Kunstmuseum Wolfsburg, 02.03.2007 - 21.10.2007
Schweizer Meister. Sammlungsausstellung zum 75–Jahr–Jubiläum der Bernhard Eglin–Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 31.05.2008 - 20.10.2008
Figuren und Porträts von Hans Holbein bis Ugo Rondinone aus der Sammlung, Kunstmuseum Luzern
Bilder von Künstlern und Künstlerinnen, Luzern, 28.02.2015 - 22.11.2015
Bibliography
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Vogel, Maria, "Schweizer Meister seit 1772", in: Willisauer Bote, 6.6.2008, S. 5
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Oberholzer, Niklaus, "Das Herz der Sammlung", in: Aargauer Zeitung, 13.6.2008, S. 39
Fischer, Matthias, "Ferdinand Hodler (engl.)", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 106-111
Spinelli, Claudia, "Holzfällen", in: Die Weltwoche, Nr. 38, 20.9.2007, S. 74
Martigny, Fondation Pierre Gianadda (Ausst.-Kat.), Hodler, Katalog Jura Brüschweiler, Martigny: Fondation Pierre Gianadda, 1991
Pfäffikon, Seedamm-Kulturzentrum (Ausst. Kat.), Waldspaziergang. Walddarstellungen in der europäischen Malerei, hrsg. von Willy Rotzler und Martin Küper, 1989
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Von Matisse bis Picasso - Hommage an Siegfried Rosengart, mit Texten von Pierre Daix, David Douglas Duncan, Klaus Gallwitz, Ellen B. Hirschland, Martin Kunz, Angela Rosengart (et al.), Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1988
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Marfurt-Elmiger, Lisbeth, Die Luzerner Kunstgesellschaft 1819-1933, hrsg. von der Stadt Luzern, Luzern: Kommissionsverlag Keller & Co, 1978
Trubschachen, Kulturverein Trubschachen (Ausst.-Kat.), 2. Ausstellung Schweizer Maler Trubschachen. Die Welt des Bauern in 180 Bildern aus Museen und Privatbesitz, Trubschachen: Kulturverein Trubschachen, 1966
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Meyer-Rahn, Hans, Gesamtbericht über die Gründung und Tätigkeit der Bernhard Eglin-Stiftung von 1933-1946, Luzern: Bernhard Eglin-Stiftung, 1946
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1940
Loosli, Carl Albert, "Generalkatalog", in: Carl Albert Loosli, Ferdinand Hodler. Leben, Werk und Nachlass, Band 4, Bern: Suter, 1921-1924, S. 52-161
Loosli, Carl Albert, Ferdinand Hodler. Leben, Werk und Nachlass, 4 Bde., Bern: Suter, 1921-1924
Benkard, Ernst A., "Ferdinand Hodler. Zur Hodlerausstellung im Frankfurter Kunstverein", in: Zeitschrift für bildende Kunst, N.F. 23, 1911/1912, S. 7-12