Unprätentiös wie auch intim zeigt „transfusija, transfusija“ in einer schlichten Videoprojektion und in einer einzigen, zwanzig Minuten dauernden fixen Einstellung Mutter und Tochter auf dem Sofa sitzend und folgt dem Verlauf ihrer Interaktion. Die Arbeit scheint schon durch den verdoppelnden Titel Wert darauf zu legen, dass ein Austausch gegenseitig stattfindet, also keine simple „Blutspende“, sondern eine Handlung, in der zwei Essenzen zu einer neuen Qualität verschmelzen. In dieser durchaus hehren Absicht, die in der Regel auch der Förderung des transkulturellen Dialogs zugrunde liegt, platziert die Künstlerin sich selbst (die kroatische Schweizerin) und ihre Mutter (die schweizerische Kroatin) während einer gemeinsamen Reise in die Heimat der Familie auf das Sofa eines Hotelzimmers, um gemeinsam zu singen, um im Volkslied den gemeinsamen Wurzeln nachzuspüren.
Marusic überrascht uns in „transfusija, transfusija“ mit einer Low-Key-Technik, die wesentlich zur berührenden Schlichtheit und Direktheit des Films beiträgt. Der Verzicht auf Kameraführung und Schnitte, nicht zu sprechen von einer technischen Manipulation des Videomaterials, rückt uns Betrachterinnen und Betrachter in eine Nähe zu den Protagonistinnen, die uns auch betreten macht. Zwar wissen wir, dass sie wissen, dass wir sie sehen – und trotzdem schleicht sich zwischendurch immer wieder ein voyeuristisches Gefühl ein. Dann aber, wie vor der Kamera die Mutter, vergessen wir dahinter deren Existenz. Es ist ein intimer Vorgang, der sich hier vor unseren Augen und mehr oder weniger unausgesprochen abspielt, und nicht wenige von uns fiebern mit, dass sich die Herzen und Seelen der beiden doch im Gesange fänden.
Diese Arbeit demonstriert eine wohltuende, distanzierte Eigenwahrnehmung der Künstlerin. Sie verleiht ihrem Werk Qualität, bewahrt es vor dem Kitsch einerseits, vor didaktischer Anmutung andererseits. Und es sind nicht zuletzt der offene Ausgang dieses unplanmässigen Vorhabens, die lockere Selbstverständlichkeit im gegenseitigen Umgang, der Witz und die unterschwellige Situationskomik, die, fast im Sinne einer ironischen Brechung, „transfusija, transfusija“ als abgeklärtes, reifes und zugleich genüssliches Werk ausweisen. Und wer ausharrt, wird mit „schnoogge, schnoogge“ (Schaffhauser Dialektbezeichnung für Stechmücke), einer mit der Handkamera eingefangenen, kurzen amüsanten Mückenjagd der Mutter, die der „transfusija, transfusija“-DVD als Bonus-Track beigegeben ist, ein zweites Mal von der Leichtigkeit der Künstlerin im Umgang mit existentiellen Themen überzeugt.
Peter Fischer