Die Arbeit „Exploseum“ des Schweizer Künstlers Rémy Markowitsch von 1996 eröffnet der Betrachterin, dem Betrachter einen Einblick ins Innere des 1933 von Armin Meili erbauten, früheren Gebäude des Kunstmuseums Luzern. Die stetig wechselnde, auf der formalen Ebene an eine Diavorführung erinnernde Bildfolge aus 100 Fotografien wird auf einem Fernsehmonitor abgespielt und gibt den Blick in die Ausstellungsräumlichkeiten wieder. Auf den chronologisch geordneten Bildern lassen sich Werke aus der Sammlung, wie Ben Vautiers mit weisser Schrift beschriebene Leinwand (vgl. KML 522x) oder Adrian Schiess’ Bodenarbeiten aus den frühen 1990er Jahren (vgl. beispielsweise KML D 93.36w) erkennen; zu sehen sind für die Geschichte des Museums bedeutende Gruppenausstellungen wie „Processi di pensiero visualizzati. Junge italienische Avantgarde“ von 1970 oder „Transformer. Aspekte der Travestie“ von 1974, ebenso monographische Ausstellungen wie diejenige von Maria Lassnig (1989) oder von Franz Erhard Walther aus dem Jahr 1992. Gezeigt anlässlich des Abschiedsfestes im alten Kunstmuseum am 22. Juni 1996 im Rahmen einer Serie von gleichnamigen Veranstaltungen erscheint Markowitschs „Exploseum“ als ein Rückblick in die Ausstellungstätigkeit, als ein visueller Streifzug durch die Geschichte des Kunstmuseums Luzern.
Markowitschs „Exploseum“ weckt sowohl auf der inhaltlichen wie auch auf der formalen Ebene die Assoziation mit einem Bildarchiv. Die Fotografien aus dem analogen Archiv des Kunstmuseums Luzern werden durch Markowitschs künstlerische Bearbeitung und der Fixierung auf einer von Kodak in den frühen 1990er Jahren eigens für die Speicherung von Fotografien gefertigten CD zum digitalen Bildspeicher. Zugleich verweist das „Exploseum“ auch auf die Funktion der Institution Museum, die letztlich ebenso einen Bildspeicher, einen Speicher von Blicken auf die Kunst darstellt.
Mit Blick auf den Entstehungskontext der Arbeit wird die Konnotation der visuellen Durchforschung der Vergangenheit – also gleichsam dieses Bildarchivs – betont. Ist doch 1996 just jenes Jahr, in dem das Kunstmuseum Luzern nach 63 Jahren Museumsbetrieb aus dem sogenannten 'Meili-Bau' auszog. Nachdem die 1995 von der Trägerstiftung des Kultur- und Kongresshauses beschlossene, beschleunigte Realisierung des Neubaus am Europaplatz den vorzeitigen Verlust des alten Museumsgebäudes nach sich zog, musste die vom damaligen Direktor Martin Schwander geplante Sommerausstellung abgesagt werden. Die für Rémy Markowitsch anlässlich der Vergabe des Manor-Kunstpreises der Zentralschweiz ausgerichtete Präsentation „Finger im Buch“ im Frühjahr 1996 war somit eine der letzten Ausstellungen im alten Gebäude. In diesem Sinne ist Markowitschs visueller Rückblick in die Vergangenheit mitunter auch der Versuch, in Zeiten der Brüche eine Kontinuität zu generieren. Ähnlich wie die vom Luzerner Künstler Christoph Rütimann 1994 und 2002 durchgeführte Performance „Hängen am Museum“ (vgl. KML L 2003.6:1-4v und L 2003.7:1-4v) – die notabene im „Exploseum“ visuell zitiert wird – zeugt auch Markowitschs Werk von einer subjektiven Zuneigung des Künstlers zur Institution Museum und kann als Versuch, die bedeutende Vergangenheit des Hauses auf eine Zukunft zu projizieren, gedeutet werden. Mit seiner – wörtlich im Werktitel angelegten – Durchforschung, seiner Sondierung der Vergangenheit des Ausstellungshauses leistet Rémy Markowitsch letztlich auch einen Beitrag zur damals überaus aktuellen Diskussion um die Tradition und die Bedeutung des 'Meili-Baus', um die Möglichkeiten des Neubaus und um die angestrebte Positionierung Luzerns als Kulturstadt.
Gioia Dal Molin