Adolf Stäbli, 2 Entrées
Seinen künstlerischen Durchbruch und kommerziellen Erfolg schafft Stäbli 1873. Bei den Arbeiten aus dieser Periode überwiegen pathetisch wirkende Regen- und Gewitterlandschaften. Das Harzgebiet wird sodann zu seinem bevorzugten Aufenthaltsort und dient ihm vielfach als Bildmotiv. Zwischen Mai und Juni 1882 unternimmt Stäbli eine Reise nach Italien, wo er erneut auf Arnold Böcklin trifft, dem er schon 1871 in München begegnet ist. Mit ihm verbinden ihn die tiefen Farbakkorde seiner Arbeiten und die daran gekoppelte geheimnisvolle Wirkung vieler Gemälde. Während Böcklin aber in der italienischen Landschaft ein wahrhaftiges Arkadien sieht, sehnt sich Stäbli nach den Natureindrücken und Lichtverhältnissen seiner Wahlheimat nördlich der Alpen.
In den nachfolgenden Jahren profiliert sich Stäbli als Maler grossformatiger Stimmungslandschaften. Mit Vorliebe malt er Naturschauspiele, welche die zerstörerische Kraft der Natur in Gewittern, Stürmen und Überschwemmungen zeigen. Immer wieder nimmt er an Gruppenausstellungen teil, so etwa 1883 an der Internationalen Kunstausstellung in München, an der Ausstellung Schweizerischer Künstler in der Kunsthalle Basel sowie an der Schweizerischen Landesausstellung. Nebst Lob händigt er sich zu dieser Zeit jedoch vermehrt auch Kritik ein: Bemängelt wird etwa die dunkle Tonigkeit und die allzu zeichnerische Malweise, die neben dem aufstrebenden Impressionismus etwas veraltet wirkt.
Als 1886 die Isar über die Ufer tritt, findet Stäbli darin ein neues Bildmotiv, nachdem er in den Jahren zuvor ob der künstlerischen Stagnation gelitten hat. Mit „plein air“-Skizzen erarbeitet er sich Studienmaterial, das er darauf im Atelier zu grösser dimensionierten Kompositionen weiterentwickelt. Mit diesen Überschwemmungsbildern kehrt auch die künstlerische Anerkennung zurück.
1890 verstirbt der langjährige künstlerische Weggefährte und Freund Otto Frölicher. Der sich oft einsam fühlende Stäbli, der als ledig Gebliebener in seiner Schwester Adèle zeitlebens die wichtigste weibliche Bezugsperson findet, intensiviert darauf den Kontakt zum Schriftsteller Walther Siegfried, für den sich in den Landschaftsdarstellungen des Kollegen menschliches Schicksal und existenzielle Erfahrungen spiegeln. Von der Spaltung der Münchner Künstlerschaft 1893, die in der Gründung der Sezession gipfelt, bleibt Stäbli relativ unberührt. Zwar mag er sich als Vertreter der „alten Schule“ nicht den Dissidenten anschliessen, aber er bleibt mit einigen der abtrünnigen Künstler weiter befreundet. 1894 kostet ihm ein „Unfall“ – er verwechselt Kirschwasser mit Chloroform – beinahe das Leben. Hoher Alkoholkonsum lösen bei Stäbli in den folgenden Jahren immer wieder gesundheitliche Probleme und grosse Stimmungsschwankungen aus.
Das Gemälde „Überschwemmung bei Abenddämmerung“ wird nach der Internationalen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast für die Neue Pinakothek angekauft; Stäbli erhält auch neben Ferdinand Hodler eine „Kleine goldene Medaille“ für eine „Abendlandschaft“. 1898 wird ihm vom Prinzregenten Luitpold der Professorentitel verliehen, und Arnold Böcklin zollt ihm wiederholt Respekt für sein Schaffen. Im folgenden Jahr verschlimmert sich Stäblis gesundheitlicher Zustand rapide, überdies leidet der Künstler an Geldnot. Die wenigen Arbeiten, die er in Angriff nimmt und in expressivem Stil ausführt, bleiben allesamt unfertig. Anfang 1901 sterben etliche Künstlerfreunde, so auch der wichtige „Fürsprecher“ Arnold Böcklin. Adolf Stäbli selber verstirbt 59 jährig am 21. September 1901 im Münchner städtischen Krankenhaus.
Isabel Fluri
Zürich, Kunsthaus Zürich (Ausst.-Kat.), Von Anker bis Zünd: Die Kunst im jungen Bundesstaat 1848-1900, Zürich: Scheidegger & Spiess, 1998
Genf, Musée d'art et d'histoire (Ausst.-Kat.), La peinture suisse entre réalisme et idéal, 1848–1906, hrsg. von Christian Klemm, Genf: Musée d'art et d'histoire, 1998
Solothurn, Kunstmuseum Solothurn (Ausst.-Kat.), Otto Frölicher (1840–1890) und Landschaftsmaler seiner Zeit, mit einem Text von Roswitha Hohl-Schild, Solothurn: Kunstmuseum Solothurn, 1990
Brugg, Zimmermannshaus (Ausst.-Kat.), Adolf Stäbli 1842-1901. Ein Schweizer Landschaftsmaler in München, hrsg. von Marc-Joachim Wasmer und Barbara Müller, Aarau, Stuttgart: AT-Verlag, 1984
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Werke schweizerischer Maler des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Dr. Oskar Reinhart in Winterthur, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1935