Ana Mendieta, 12 Entrées
Mit ihren fotografisch dokumentierten körperbezogenen Performances gilt Ana Mendieta als pionierhafte Künstlerin der 1970er und 1980er Jahre und als exemplarisch hinsichtlich der damals sich entwickelnden kritischen Strategien. Mendietas Kunst ist aufs Engste mit ihrer Herkunft und ihrem Lebensweg verknüpft.
1948 in Kuba als Tochter gesellschaftlich privilegierter und politisch engagierter Eltern geboren, wächst sie alternierend in Havanna und im Strandhaus der Familie bei Varadero auf, letzteres ein Ort ursprünglicher Natur aus Sand, Wasser und Vegetation, alles Inspirationsquellen für Mendietas spätere Kunst. Während die Familie Mendieta streng römisch-katholisch ist, praktizieren ihre Angestellten Santería. Diese Religion verbindet Elemente der westafrikanischen Yoruba-Tradition mit solchen des Katholizismus. Von den Bediensteten erfährt Mendieta vom Mysterium und der Macht, die diesen Ritualen innewohnen.
1961 ruft Fidel Castro eine sozialistische Regierung aus. Mendietas Vater, zuvor ein treuer Gefolgsmann Castros, weigert sich, der kommunistischen Partei beizutreten und fällt in Ungnade. Aus Angst vor Repressionen wird Ana zusammen mit ihrer Schwester Raquelín einer Gruppe von 14'000 kubanischen Kindern mitgegeben, die im Rahmen eines amerikanischen Hilfsprogramms in die USA flüchten. Dort geraten sie von einem Heim zum andern, bis sie schliesslich, was für sie einem Schock gleichkommt, in Iowa stecken bleiben. Erst 1966, nach fünf langen Jahren der Trennung, können auch ihre Mutter und der kleine Bruder nachreisen.
Dass Mendieta in diesem „kulturarmen“ Mittleren Westen für sich die Kunst entdeckt und fruchtbar weiter entwickeln kann, hat nicht zuletzt mit der Förderung durch den deutschen Künstler und Professor Hans Breder zu tun. Mendietas Hang zum experimentellen Schaffen findet das Interesse Breders, der an der Universität von Iowa einen interdisziplinären Zugang zur Kunst propagiert. Seine „intermedia“-Kurse kombinieren Tanz, Theater, Schreiben und Musik. Gastkünstler wie Hans Haacke, Allan Kaprow oder Vito Acconci zeigen ihre neusten Performancearbeiten. In diesem Umfeld entwickelt Mendieta ihre ersten Performances, die sie zumeist im privaten Rahmen oder ganz ohne Publikum aufführt, dafür aber ausführlich fotografisch dokumentiert. Fragen der Identität und, damit verbunden, nach der Differenz, sei es der Geschlechter, der kulturellen Herkunft oder des gesellschaftlichen Rangs, werden in fortschrittlichen Kreisen erstmals diskutiert. Für die in den USA eigentlich heimatlose Exilkubanerin Mendieta handelt es sich dabei um existenzielle Fragen. So erstaunt es nicht, dass ihr künstlerisches Werkzeug der eigene nackte Körper wird. In die Inszenierungen integriert sie nicht selten rituelle Praktiken mit Blut oder Tieropfern, die ihr von den Santeríaritualen her als probate Medien vertraut sind. Kein Wunder, schockiert sie damit ihre Mitstudenten. In der Gegend von Iowa schweift sie 1972 auch erstmals in die Umgebung aus, um sich in der Landschaft mit der Natur zu verbinden. Diese Aktionen münden in verschiedene Werkgruppen mit dem Titel „Silueta“ (Silhouetten). Stets hinterlässt die Künstlerin mit ihrem Körper in der Natur ein flüchtiges Zeichen. Auch diese Performances dokumentiert sie fotografisch oder filmisch, nicht selten mit Hans Breder hinter der Kamera. Ab 1971 reist sie regelmässig nach Mexiko, wo sie hofft, zu ihren Ursprüngen zu finden im Sinne einer Rückkehr zu einer spanisch sprechenden Kultur und einer natürlichen Welt.
Schon in der ersten Hälfte der 1970er Jahren beginnt Mendieta professionell auch in New York zu arbeiten, wohin sie 1977 definitiv zieht und wo sie Bekanntschaft mit prominenten feministischen Künstlerinnen wie Nancy Spero, Mary Beth Edelson oder Carolee Schneeman schliesst. Zugleich fühlt sie sich auch zur Latino-Gemeinschaft und zu Gruppierungen radikaler Exilkubaner hingezogen. Diese bewusst gepflegten Beziehungen tragen dazu bei, dass Mendietas Kunst eine gelebte afrokubanische Kultur und ein ausgereiftes Verständnis der amerikanischen und europäischen Avantgarden in sich zu vereinen vermag und deshalb von den Mitgliedern beider Kulturkreise verstanden und geschätzt wird.
Erst 1983, anlässlich eines Stipendienaufenthalts in Rom, beginnt Mendieta objekthafte Kunstwerke zu schaffen, denn erstmals verfügt sie nun über ein grösseres Atelier. Sie beabsichtigt, zusammen mit dem Künstler Carl Andre, den sie 1985 heiratet, in Rom einen permanenten zweiten Wohnsitz zu etablieren. Kurz darauf, im Alter von 36 Jahren, stürzt sie in Greenwich Village von ihrer Wohnung im 34. Stock aus nicht restlos geklärten Gründen zu Tode.
Mendietas künstlerisches Werk ist untrennbar mit der Person Ana Mendieta verbunden. Es hat vor allem in Form fotografischer und filmischer Zeugnisse ihres performativen Wirkens überlebt. Ihre kompromisslose Haltung setzte ein zutiefst persönliches, auch schonungsloses körperliches Engagement voraus und hat eine Ästhetik hervorgebracht, die zwischen Härte und Poesie pendelt. Mendieta hat Generationen von nachfolgenden Künstlerinnen und Künstlern inspiriert oder gar geprägt. Aus heutiger Sicht erweist sich ihr schlussendlich von der Sehnsucht nach Ganzheit geprägtes Werk nicht nur von ungebrochener Aktualität, sondern geradezu als zeitlos.
Peter Fischer
1948 in Kuba als Tochter gesellschaftlich privilegierter und politisch engagierter Eltern geboren, wächst sie alternierend in Havanna und im Strandhaus der Familie bei Varadero auf, letzteres ein Ort ursprünglicher Natur aus Sand, Wasser und Vegetation, alles Inspirationsquellen für Mendietas spätere Kunst. Während die Familie Mendieta streng römisch-katholisch ist, praktizieren ihre Angestellten Santería. Diese Religion verbindet Elemente der westafrikanischen Yoruba-Tradition mit solchen des Katholizismus. Von den Bediensteten erfährt Mendieta vom Mysterium und der Macht, die diesen Ritualen innewohnen.
1961 ruft Fidel Castro eine sozialistische Regierung aus. Mendietas Vater, zuvor ein treuer Gefolgsmann Castros, weigert sich, der kommunistischen Partei beizutreten und fällt in Ungnade. Aus Angst vor Repressionen wird Ana zusammen mit ihrer Schwester Raquelín einer Gruppe von 14'000 kubanischen Kindern mitgegeben, die im Rahmen eines amerikanischen Hilfsprogramms in die USA flüchten. Dort geraten sie von einem Heim zum andern, bis sie schliesslich, was für sie einem Schock gleichkommt, in Iowa stecken bleiben. Erst 1966, nach fünf langen Jahren der Trennung, können auch ihre Mutter und der kleine Bruder nachreisen.
Dass Mendieta in diesem „kulturarmen“ Mittleren Westen für sich die Kunst entdeckt und fruchtbar weiter entwickeln kann, hat nicht zuletzt mit der Förderung durch den deutschen Künstler und Professor Hans Breder zu tun. Mendietas Hang zum experimentellen Schaffen findet das Interesse Breders, der an der Universität von Iowa einen interdisziplinären Zugang zur Kunst propagiert. Seine „intermedia“-Kurse kombinieren Tanz, Theater, Schreiben und Musik. Gastkünstler wie Hans Haacke, Allan Kaprow oder Vito Acconci zeigen ihre neusten Performancearbeiten. In diesem Umfeld entwickelt Mendieta ihre ersten Performances, die sie zumeist im privaten Rahmen oder ganz ohne Publikum aufführt, dafür aber ausführlich fotografisch dokumentiert. Fragen der Identität und, damit verbunden, nach der Differenz, sei es der Geschlechter, der kulturellen Herkunft oder des gesellschaftlichen Rangs, werden in fortschrittlichen Kreisen erstmals diskutiert. Für die in den USA eigentlich heimatlose Exilkubanerin Mendieta handelt es sich dabei um existenzielle Fragen. So erstaunt es nicht, dass ihr künstlerisches Werkzeug der eigene nackte Körper wird. In die Inszenierungen integriert sie nicht selten rituelle Praktiken mit Blut oder Tieropfern, die ihr von den Santeríaritualen her als probate Medien vertraut sind. Kein Wunder, schockiert sie damit ihre Mitstudenten. In der Gegend von Iowa schweift sie 1972 auch erstmals in die Umgebung aus, um sich in der Landschaft mit der Natur zu verbinden. Diese Aktionen münden in verschiedene Werkgruppen mit dem Titel „Silueta“ (Silhouetten). Stets hinterlässt die Künstlerin mit ihrem Körper in der Natur ein flüchtiges Zeichen. Auch diese Performances dokumentiert sie fotografisch oder filmisch, nicht selten mit Hans Breder hinter der Kamera. Ab 1971 reist sie regelmässig nach Mexiko, wo sie hofft, zu ihren Ursprüngen zu finden im Sinne einer Rückkehr zu einer spanisch sprechenden Kultur und einer natürlichen Welt.
Schon in der ersten Hälfte der 1970er Jahren beginnt Mendieta professionell auch in New York zu arbeiten, wohin sie 1977 definitiv zieht und wo sie Bekanntschaft mit prominenten feministischen Künstlerinnen wie Nancy Spero, Mary Beth Edelson oder Carolee Schneeman schliesst. Zugleich fühlt sie sich auch zur Latino-Gemeinschaft und zu Gruppierungen radikaler Exilkubaner hingezogen. Diese bewusst gepflegten Beziehungen tragen dazu bei, dass Mendietas Kunst eine gelebte afrokubanische Kultur und ein ausgereiftes Verständnis der amerikanischen und europäischen Avantgarden in sich zu vereinen vermag und deshalb von den Mitgliedern beider Kulturkreise verstanden und geschätzt wird.
Erst 1983, anlässlich eines Stipendienaufenthalts in Rom, beginnt Mendieta objekthafte Kunstwerke zu schaffen, denn erstmals verfügt sie nun über ein grösseres Atelier. Sie beabsichtigt, zusammen mit dem Künstler Carl Andre, den sie 1985 heiratet, in Rom einen permanenten zweiten Wohnsitz zu etablieren. Kurz darauf, im Alter von 36 Jahren, stürzt sie in Greenwich Village von ihrer Wohnung im 34. Stock aus nicht restlos geklärten Gründen zu Tode.
Mendietas künstlerisches Werk ist untrennbar mit der Person Ana Mendieta verbunden. Es hat vor allem in Form fotografischer und filmischer Zeugnisse ihres performativen Wirkens überlebt. Ihre kompromisslose Haltung setzte ein zutiefst persönliches, auch schonungsloses körperliches Engagement voraus und hat eine Ästhetik hervorgebracht, die zwischen Härte und Poesie pendelt. Mendieta hat Generationen von nachfolgenden Künstlerinnen und Künstlern inspiriert oder gar geprägt. Aus heutiger Sicht erweist sich ihr schlussendlich von der Sehnsucht nach Ganzheit geprägtes Werk nicht nur von ungebrochener Aktualität, sondern geradezu als zeitlos.
Peter Fischer