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Clara Reinhard, 54 Entrées

Anna Maria Clara Aloysia Reinhard wird am 1. Januar 1777 als Tochter von Anna Maria (geb. Schriber) und Josef Reinhard in Luzern geboren. Als Tochter des bekannten Porträtisten und Trachtenmalers kommt sie früh mit der Kunst in Berührung. Ihr Vater ist nicht nur ihr erster Lehrer, sondern auch ihr direktes künstlerisches Vorbild. Als Künstlerin wird sie ein erstes Mal 1810 in Johann Rudolf Füsslis „Allgemeinem Künstlerlexikon“ erwähnt. Dort erscheint sie am Schluss des Eintrags zu Josef Reinhard und wird als seine Tochter angegeben, die „meisterhafte Zeichnungen nach eigener Erfindung hinwarf“. Am 18. März 1805 ehelicht sie den Chirurgen Heinrich Buholzer. 1806 wird die Tochter Maria Josepha Verena, genannt Josephine, und ein Jahr später der Sohn Bernard Joseph geboren. Aus einer Biografie des späteren Schwiegersohnes Johann Kaspar Schlossmann geht hervor, dass die ganze Familie unter dem trunksüchtigen Gatten und Vater zu leiden hatte. Dieser stirbt im Jahre 1834. Clara stirbt im 72. Lebensjahr am 28. Juni 1848.

Im Besitz der Kunstgesellschaft Luzern befinden sich seit spätestens 1851 rund 350 Federzeichnungen von Clara Reinhard. Sie ähneln sich nicht nur in ihrem Format sondern vor allem im Motivrepertoire. Es sind Darstellungen ländlich gekleideter Frauen und Männer an der Arbeit, an Tischen sitzend beim Essen, Trinken oder ins Gespräch vertieft. Neben ihnen stehen diverse Gerätschaften der ländlichen Arbeit. Eine architektonische oder landschaftliche Umgebung ist nicht immer vorhanden, häufig sitzen und stehen die Menschen vor einem leeren oder nur fragmentarisch, mit schnellen Strichen angedeuteten Hintergrund. Auch wenn ein Interieur oder aber die Aussenseite eines Bauernhauses dargestellt wird, sind es doch die Personen, die betont werden. Ferner sind einige Zeichnungen mit Mönchen und Nonnen sowie Soldaten vorhanden. Eine eigene Gruppe bilden die Skizzen mit religiösen und mythologischen Darstellungen, die nach bestehenden Stichwerken entstanden sein dürften.

Die Alltagsszenen aus dem ländlichen Leben erinnern an die Darstellungen der Berner Kleinmeister, etwa Sigmund Freudenbergers sowie an die Trachtendarstellungen von Claras Vater. Obwohl sich beide mit der Darstellung des ländlichen Lebens auseinander setzen, bestehen sehr grosse Unterschiede zwischen der Haltung dieser Künstler gegenüber ihrem Sujet. Orientieren sich die Berner an den sentimentalen Genredarstellungen französischer Künstler, sind die Darstellungen Josef Reinhards nicht beschönigend, sondern eher realistisch. Auch in Clara Reinhards Zeichnungen des ländlichen Lebens ist die sentimentale oder idealisierende Note nicht vorhanden. Bei ihr zeigt sich der Hang zur direkten Darstellung in ihrer ungeschönten Präsentation des ländlichen Lebens und seiner Tätigkeiten. Sie zeigt prosaische Dinge wie die Land-, Stall- und Gartenarbeit, den Hausbau, Menschen auf dem Markt, bei ihrer Arbeit in Küche und Waschstube. Es wird genäht, gewoben, gesponnen, Flachs gedroschen, Messer geschliffen, Fässer gezimmert, gebadet und gespielt. Auch die Kinder- und Krankenpflege kommen nicht zu kurz.

Die mehrfigurige Komposition ist dabei ein auffälliges Charakteristikum. Innerhalb des ganzen Oeuvres sind die Blätter, die weniger als vier Personen aufweisen in der Minderzahl. Üblicherweise zeichnet Clara Reinhard ganze Anhäufungen von Figuren, in denen nicht selten bis zu zehn oder mehr Personen zu einer Szene vereint werden. Die Künstlerin bevorzugt dafür das Längsformat, um den Figuren, die sie meist friesartig über das Blatt gruppiert, genügend Raum geben zu können. Dieses Vorgehen erinnert stark an eine bühnenartige Aufstellung. Es fehlt ihnen jedoch die Erzählung, die sich auf dieser Bühne abspielen könnte. Clara Reinhards Zeichnungen können aus zwei oder drei Figuren bestehende Gruppen aufweisen, die miteinander kommunizieren, ein verbindendes Element unter den einzelnen Figurengruppen kann jedoch kaum festgestellt werden. Meist ist auch der Gesichtsausdruck der Personen eher stereotyp festgehalten. Dennoch sind die Darstellungen von Aspekten der weiblichen Lebensrealität – seien es die Szenen mit Frauen im Wochenbett, bei der Körperpflege oder stillende Mütter in ihrem bürgerlichen Heim – von grosser Unmittelbarkeit und zeugen von einer feinen Beobachtungsgabe.

Christoph Lichtin
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