Gustave Castan, 1 Entrées
Im Pariser Salon, wo er fortan während dreier Dekaden alljährlich mit Gemälden vertreten ist, wird Castan 1855 als „Schüler von Calame“ präsentiert. Er freundet sich mit Camille Corot an. Eine Militärkarriere als Adjudant von General Dufour inspiriert ihn zu neuen Sujets: Er zeichnet Szenen der Mobilmachung, vom Gefecht von Neuchâtel und schafft Darstellungen von Eisenbahnen. Des dokumentarisch-journalistischen Stils wegen interessieren sich auch Zeitungsverleger für die Bilder. Castan wird von einem Freund Corots zu einer Reise in die Bretagne und die Normandie eingeladen, wo er zeichnet und malt.
Nach einer Begegnung mit George Sand, deren Werke er schon zuvor bewundert hat, porträtiert er die Schriftstellerin in „Sous-bois à Gargilesse, avec George Sand, assise au pied d’un arbre“. Das Gemälde, das sich heute im Château de Nohan – dem Wohnsitz Sands – befindet, vereinigt Wesentliches von Castans Kunst: Die präzis strukturierte Zeichnung des Unterholzes kontrastiert hier mit einer stimmungsvollen, beinahe transparent wirkenden Malweise.
Neben Darstellungen von Auenlandschaften gehören aber weiterhin Hochgebirgsmotive zu Castans bisweilen etwas stereotypem Bildrepertoire. Die Auseinandersetzung mit der Barbizon-Schule und das Faible für Blicke in weite Landschaften lassen sich auch bei diesen späteren, oft relativ kleinformatigen Darstellungen der alpinen Bergwelt erkennen, wo die hohen Gipfel in die Ferne gerückt und so die Monumentalität, Erhabenheit und Bedrohlichkeit des Alpenmassivs im Bild zugunsten einer atmosphärisch-lichten, weniger dramatischen Wirkung zurückgenommen werden.
Castan nimmt 1873 an der Weltausstellung in Wien und 1888 an der internationalen „Jubiläums-Kunstausstellung“ in München teil. Er ist Gründungsmitglied der Gesellschaft schweizerischer Maler und Bildhauer, kämpft als deren Präsident im Jahre 1887 für die Einführung eines jährlichen Kunstkredits und steht auch sonst immer wieder dezidiert für politische Anliegen der bildenden Künstler ein. Gustave Castan stirbt am 29. Juli 1892 in Crozant (Frankreich).
Lange Zeit lediglich als Epigone Calames wahrgenommen, wurde Castan in den letzten Jahren als eigenwilliger Weiterentwickler der Landschaftsmalerei posthum vermehrt Anerkennung zuteil.
Isabel Fluri
Sion, Musée cantonal des beaux arts (Ausst.-Kat.), Montagne, je te hais - Montagne, je t'adore. Voyage au coeur des Alpes, du XVIe siècle à nos jours, Sion: Musée cantonaux du Valais, 2005
Chur, Bündner Kunstmuseum Chur (Ausst.-Kat.), Der romantische Blick. Das Bild der Alpen im 18. und 19. Jahrhundert, hrsg. von Beat Stutzer, Chur: Bündner Kunstmuseum, 2001
Zürich, Kunsthaus Zürich (Ausst.-Kat.), Von Anker bis Zünd: Die Kunst im jungen Bundesstaat 1848-1900, Zürich: Scheidegger & Spiess, 1998
Genf, Musée d'art et d'histoire (Ausst.-Kat.), La peinture suisse entre réalisme et idéal, 1848–1906, hrsg. von Christian Klemm, Genf: Musée d'art et d'histoire, 1998
Bellinzona, Civica Galleria d'Arte (Ausst.-Kat.), Viaggio verso le Alpi, Bellinzona: Villa dei Cedri, 1997
Anker, Valentina, "Castan, Gustave (Elysée-Jules Gustave)", in: Saur allgemeines Künstlerlexikon, München und Leipzig, Bd. 17, 1997, S. 155-156
"Castan, Gustave (Eugène)", in: The Dictionary of Art, hrsg. von Jane Turner, Band 6, London: Macmillan und New York: Growe, 1996, S. 15
Chêne-Bougeries (Ausst.-Kat.), Gustave Castan 1823-1892, Hrsg. von Association des Editions Chênoises, mit einem Text von Valentina Anker, Chêne-Bougeries: Edition Chênoises, 1995
Solothurn, Kunstmuseum Solothurn (Ausst.-Kat.), Otto Frölicher (1840–1890) und Landschaftsmaler seiner Zeit, mit einem Text von Roswitha Hohl-Schild, Solothurn: Kunstmuseum Solothurn, 1990
Schreiber-Favre, Alfred, Gustave Castan, peintre paysagiste, Lausanne, 1955