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Wilhelm Gimmi, 7 Entrées

Wilhelm Gimmi wird am 7. August 1886 in Zürich geboren. Nach der Ausbildung am Lehrerseminar Küsnacht und kurzer Tätigkeit als Primarlehrer beginnt er ein Studium als Zeichenlehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich. Ein Stipendium ermöglicht ihm von 1908 bis 1911 eine Zweitausbildung an der renommierten Académie Julian in Paris, die in jenen Jahren von verschiedenen angehenden Schweizer Künstlern besucht wird. In der Kunstmetropole setzt er sich intensiv mit der zeitgenössischen Kunst auseinander und unternimmt ausgedehnte Museumsbesuche, etwa in den Louvre oder das Musée Guimet, wo er die alten Meister kopiert und verschiedene Sammlungen fernöstlicher Kunst studiert.

Trotz dem Gimmi seinen Wohnsitz nach Paris verlegt, pflegt er rege Kontakte zur Schweiz und hält sich immer wieder längere Zeit dort auf. Erstmals präsentiert er eine Auswahl seiner Werke wohl im Dezember 1910 an der Weihnachtsausstellung der Zürcher Künstler der Öffentlichkeit. Von diesem Zeitpunkt an beteiligt er sich regelmässig an Gruppenausstellungen im Kunsthaus Zürich – der damals prominentesten Adresse für Kunst in der Schweiz – und stellt in den Galerien Neupert und Tanner aus. 1911 bereist er über mehrere Monate hinweg Belgien, Holland und Italien und ist gleichzeitig mit einem Werk in der Turnusausstellung des Schweizer Kunstvereins vertreten. Im selben Jahr tritt er dem Modernen Bund bei und nimmt im Dezember an der ersten Ausstellung desselben in Luzern teil, in der auch Bilder von Hodler, Amiet und Giacometti sowie Werke der französischen Künstler Picasso, Matisse, Gauguin und anderen präsentiert werden. Damit sieht sich die Öffentlichkeit erstmals mit dem Kubismus konfrontiert, worauf ein heftiger Disput über die moderne Kunst in Gang kommt.

In den folgenden Jahren knüpft der Moderne Bund auch Kontakte zur Künstlergruppe Blauer Reiter und organisiert nach einer Ausstellung in der Kunsthalle Zürich 1912 verschiedene Ausstellungen in Deutschland. Vorerst nimmt der Münchner Kunsthändler Hans Goltz, zu Beginn der Moderne einer der wichtigsten und risikofreudigsten Galeristen, Gimmi zusammen mit einigen anderen Mitgliedern 1912 in seine „Erste Gesamt-Ausstellung Neue Kunst“ auf. 1913 präsentiert er die dritte Ausstellung des Modernen Bundes und beschickt die New Yorker Armory Show u.a. mit einem Gemälde von Gimmi („Musikanten“, 1912). Bis zur Auflösung der Künstlervereinigung 1914 ist Gimmi in allen Ausstellungen des Modernen Bundes (u.a. Berlin, Hamburg, Frankfurt, Bern) prominent vertreten und bringt es in diesen Jahren als „Schweizer Kubist“ zu Ansehen und Bekanntheit.

In Paris arbeitet Gimmi eher zurückgezogen und stellt sich erst 1919 der Öffentlichkeit, indem er im Salon d’Automne eine Bildgruppe eingibt. Dies ist der Startschuss für seine Karriere in der Kunstmetropole: Seine Bilder werden von Salon und Kritik lobend aufgenommen und erhalten im Hauptsaal neben Matisse und anderen Grössen einen Ehrenplatz. In der Folge wird er in bekannten Galerien wie der Galerie Druet aufgenommen, erhält bei Berthe Weill die erste grosse Einzelausstellung in Paris und ist ab 1920 regelmässig im Salon des Indépendants und dem Salon d’Automne vertreten. In den Sommermonaten lebt und malt er auf der Ile-de-France, in der Bretagne, Normandie oder Provence.

In seinem Heimatland bleiben Gimmis Erfolge in Paris währenddessen wenig beachtet. 1940 sieht er sich durch den Krieg gezwungen, Paris mit seiner jüdischen Frau Cécile Abramsky zu verlassen und zieht nach Chexbres im Kanton Waadt. Nach und nach findet sein Werk auch in der Schweiz Beachtung und Zustimmung, Gimmi erhält zahlreiche private und öffentliche Aufträge für Porträts und Buchillustrationen. 1942 gewinnt er für die künstlerische Ausschmückung von Gottfried Kellers Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ in Genf den Preis für Buchillustration des Verlegers Albert Skira. Gimmi nimmt an Ausstellungen in Galerien und dem Kunsthaus Zürich teil, die erste grosse Einzelausstellung folgt aber erst 1956 im Kunsthaus Zürich. 1962 gewinnt der sechsundsiebzigjährige Künstler schliesslich den Kunstpreis seiner Heimatstadt Zürich. Er stirbt 1965 in Chexbres. Auf seinen Wunsch gründet seine Witwe Suzanne Gimmi nach seinem Tod die Fondation Wilhelm Gimmi, die dazu dienen soll, seine Werke zu erhalten und durch Ausstellungen und Publikationen zur Geltung zu bringen. Darüber hinaus ermöglicht die Stiftung Stipendien für talentierte Künstler, deren Arbeit nicht ausreichend anerkannt ist. Das Musée Jenisch in Vevey, heute Sitz der Fondation, veranstaltet 1968 eine Retrospektive.

Wilhelm Gimmis Werk umfasst eine enorm produktive Schaffenszeit von mehr als fünfundfünfzig Jahren und lässt sich in drei Schaffensphasen gliedern. Der Beginn der künstlerischen Karriere Gimmis wird gemeinhin in das Jahr seiner Ankunft in Paris datiert. Die erste Periode seines Aufenthaltes (1908-1921) steht ganz im Zeichen der künstlerischen Bildung, der Auseinandersetzung mit den in der Kunstmetropole vorgefundenen Strömungen und der Suche nach einem persönlichen Ausdruck. Die Werke aus dieser Zeit reflektieren insbesondere Gimmis Beschäftigung mit dem Fauvismus, dem Kubismus und der Kunst Cézannes. Auch die behandelten Themen lassen auf Gimmis Experimentierphase schliessen: Stillleben, Akte, Landschaften, Figurenbilder, Stadtansichten und Interieurszenen aus dem Pariser Leben wechseln einander ab. Gemeinsam ist ihnen Gimmis Interesse für Sujets und Gesten aus dem alltäglichen Leben.

Um 1921 tritt Gimmis Oeuvre in eine reife Phase, die sich zunächst in einer Fülle von weiblichen Aktbildern manifestiert. Stilistisch entwickelt sich der Künstler weg von der Aufsplitterung der Bildfläche und kubistischen Geometrisierung hin zu einer rundgewölbten und weichkonturierten Plastizität und glatten Homogenität. Während seiner Sommeraufenthalte entstehen Landschaftsbilder, in der Stadt befasst er sich mit Interieurs wie Atelier- und Zirkusszenen; der thematische Schwerpunkt liegt auf den Akten und Figurenbildern.

Der Umzug nach Chexbres leitet schliesslich die dritte Phase von Gimmis Schaffen ein. Die neue Umgebung im Weinbaugebiet von Lavaux schlägt sich unter anderem in neuen Landschaften und Sujets nieder: Herbe, ländliche Typen wie der Winzer, Bauer oder „Wegknecht“ (1940, KML 323x) tauchen auf, die Pariser Bistros werden durch einfache Schankräume ersetzt.

Anne-Christine Strobel
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