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Description
Neben zahlreichen Skizzen und Studien von Einzelfiguren, Figurengruppen und Teilszenen, die sich vor horizontlosem Schnee präsentieren, sind ein paar weitwinklige Entwürfe erhalten, in welchen grössere Teile der Gesamtkomposition angelegt sind. Nicht alle haben die gleiche Funktion innerhalb der Vorbereitungsarbeiten für das Rundbild. Es gibt rein kompositorische Aufzeichnungen, wie das grossartige Beispiel aus dem Musée d’Art et d’Histoire in Genf mit der Entwaffnungsszene und dem Zug der Verwundeten. In dieser panoramatischen Skizze ist fast ein Fünftel des ganzen Rundbildes angelegt. Die Darstellung gilt allerdings einzig der Anordnung der Szene in der Landschaft. Einzelfiguren, Pferde, Wagen sind in schnellen Pinselstrichen hingeworfen und nur als Teile der dunklen Masse von Bedeutung, welche der weissen Landschaft die Waage hält.
Das Luzerner Bild mit dem Zug der Verwundeten unterscheidet sich entscheidend von solchen reinen Kompositionsstudien. Auf dem 165 cm langen und 55 cm hohen Bild ist die Szene detailliert ausgeführt. Es gibt eine weitere vergleichbar ausgeführte Gesamtstudie im Musée Militaire in Colombier. Sie zeigt die biwakierenden Soldaten, welchen von der Bevölkerung geholfen wird. Diesen beiden Szenen scheint sich Castres mit besonderer Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Es sind jene, die uns im Bourbaki-Panorama heute noch am meisten in Bann ziehen. Sie prägen die Stimmung und die Bildaussage entscheidend und bringen die geistige Grundhaltung des Künstlers zum Ausdruck, welcher der dokumentarischen Wiedergabe des militärischen Ereignisses Tiefe gibt, indem er einen mitfühlenden Blick auf das menschliche Schicksal richtet und damit seine Reportage so auch zu einem Mahnmal werden lässt.
Im Luzerner Szenenentwurf konzentriert sich die Tragik des ganzen Geschehens. Hinter dem Bahndamm strömen nicht enden wollende Scharen von Soldaten in die Schweiz. Sie sind gezeichnet von körperlichen Strapazen und der militärischen Niederlage. Die wenigen Fahrzeuge, hier ein Leiterwagen, dort ein Schlitten, ein Planwagen sind überfüllt mit erschöpften und verwundeten Männern; die Kutsche ist mit Offizieren besetzt. Wer sich auf den Füssen halten kann, kämpft sich durch den stiebenden Schnee, stützt sich vielleicht auf einen Stock oder findet Halt bei einem Kameraden. Viele sind verwundet: einer wird auf einer Bahre getragen, ein anderer ist zu Boden gesunken und versucht vergebens, die Vorbeiziehenden auf sich aufmerksam zu machen. Ein Sterbender empfängt von einem Priester die letzten Sakramente. Am Wegrand liegt ein verendendes Pferd. Der Eindruck von individuellem Leid wird durch die Masse vervielfacht und konfrontiert uns mit einem überwältigenden Schicksal.
Etwas weiter hinten ziehen die Trainsoldaten mit ihren ausgemergelten Pferden, angeführt von jener Gruppe, welche Castres in der Ölskizze (KML E 93.176x) vorbereitet hat. Kühle Blautönen und die neblige Winterluft rücken sie atmosphärisch ab von der drastischen, detailliert ausgeführten Szene im Vordergrund, wo viel leuchtendes Rot von verschiednen Uniformteilen mit den kalten Tönen der Umgebung kontrastiert. Im Rundbild erhält das Rot gegenüber der Studie eine zusätzliche Steigerung durch die zugefügte Figur des Kürassiers im roten Mantel (vgl. Studie KML E 4x). Wie geschickt Castres mit suggestiver Farbgebung die Dramaturgie der verschiedenen Szenen differenziert, kann im Panoramabild nachvollzogen werden, etwa bei einem vergleichenden Blick auf die Szene der biwakierenden Franzosen diesseits der Grenze, wo freundliche Farbtöne mithelfen, einen versöhnlichen Ausgleich zu schaffen.
Unter den erhaltenen Studien dokumentiert der Luzerner Entwurf Castres’ letzten Schritt in den malerischen Vorbereitungen für das Panoramabild.
Brigit Kämpfen-Klapproth
Provenance
Kunstmuseum Luzern, Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Gottfried Keller-Stiftung, Bern, 1902 GKSInvNr: 287
Eingangsjahr: 1902
Exhibition History
Mixing Memory and Desire – Wunsch und Erinnerung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 20.06.2000 - 24.09.2000
Poésie Romande. 12. Gemäldeausstellung Trubschachen, Trubschachen, Kulturverein Trubschachen, 21.06.1986 - 13.07.1986
Asyl für 87'000 - Übertritt der Bourbaki-Armee, Dietlikon, Einkaufszentrum für Antiquitäten und Raritäten
L'homme qui marche. Der Mensch geht. The walking man, Pfäffikon, Seedamm Kulturzentrum Pfäffikon, 15.06.2003 - 17.08.2003
Fantaisie Equestre, Lausanne, Musée Cantonal des Beaux-Arts, 23.07.1982 - 12.09.1982
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
La collection retrouvée. Von Füssli bis Hodler: Meisterwerke aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 25.07.1993 - 26.09.1993
Triumph und Tod des Helden, Zürich, Kunsthaus Zürich, 03.03.1998 - 24.04.1988
Edouard Castres Studien zum Bourbaki-Panorama, Zürich, Kunstsalon Wolfsberg, 05.04.1979 - 06.05.1979
Studien zum Bourbaki-Panorama in Luzern von Edouard Castres, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 16.12.1978 - 21.01.1979
Karneval der Tiere Tierdarstellungen aus der Sammlung, Luzern, 24.02.2018 - 06.01.2019
ABC der Bilder. Die Sammlung lesen, Luzern, 25.02.2023 - 19.11.2023
Bibliographie
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Mixing Memory and Desire - Wunsch und Erinnerung, hrsg. von Daniel Kurjakovic, mit Texten von Daniel Kurjakovic, Ulrich Look und Ivetta Geraimchuk, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 2000
Zürich, Kunsthaus Zürich (Ausst.-Kat.), Von Anker bis Zünd: Die Kunst im jungen Bundesstaat 1848-1900, Zürich: Scheidegger & Spiess, 1998
Bühlmann, Karl, "175 Jahre Kunstgesellschaft Luzern.", in: Luzerner Neuste Nachrichten, Beilage, 23. Juni 1994, S. 1-7
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Bünter, Christian Frans, "Der Künstler, die Arbeit, das Werk", in: Lanzenbrecher. Zeitschrift für ein weltoffenes Nidwalden, Nr. 3, 3. September 1994
Landolt, Hanspeter, Sammeln für die Schweizer Museen. Gottfried Keller-Stiftung. Collectionner pour les musées suisses. Fondation Gottfried Keller. Collezionare per i musei svizzeri. Fondazione Gottfried Keller. 1890–1990, mit Texten von Hugo Wagner (et al.), Bern: Benteli, 1990
Zürich, Kunsthaus Zürich (Kat.-Ausst.), Triumph und Tod des Helden: europäische Historienmalerei von Rubens bis Manet, hrsg. von Ekkehard Mai und Anke Repp-Eckert, Köln: Electa, 1988
Trubschachen, Kulturverein Trubschachen (Ausst.-Kat.), Poésie Romande. Schweizer Maler in Trubschachen. 12. Gemäldeausstellung Trubschachen, Trubschachen: ohne Verlag, 1986
Jezler, Peter R./Jezler, Elke/Bossard, Peter, Asyl für 87'000: der Uebertritt der Bourbaki-Armee in die Schweiz 1871, Zürich, Stuttgart: Classen, 1986
Niederhauser, Rolf/Degen, Bernard, "Der Flüchtling bedürfte einer starken Lobby", in: Tages Anzeiger Magazin, Nr. 11, 16. März 1985, S. 29-37
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Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Lausanne, Musée cantonal des beaux-arts (Ausst.-Kat.), Fantaisie Equestre, mit Texten von Willy Rotzler und Erika Billeter, Lausanne: Musée cantonal des beaux-arts, 1982
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Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Studien zum Bourbaki-Panorama in Luzern von Edouard Castres, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1979
Zürich, Kunstsalon Wolfsberg (Ausst.-Kat.), Edouard Castres Studien zum Bourbaki-Panorama, Zürich: Kunstsalon Wolfsberg, 1979
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Von Moos, Xaver, "Edouard Castres 1838-1902. Bemerkungen zur Entstehung seines grossen Luzerner Panoramas: Die Armee des Generals Bourbaki trifft bei Les Verrières über die Schweizer Grenze eine Episode aus dem deutsch-französischen Kriege von 1870/71", in: Du. Schweizerische Monatsschrift, Nr. 11, November, 1944,