Das druckgrafische Schaffen von Franz Eggenschwiler lässt sich in drei Phasen einteilen, die sich in Hinblick auf die Drucktechniken und die Darstellungsarten voneinander unterscheiden. Während sich Eggenschwiler in der ersten Phase (1946-1966) an den Darstellungsarten der gestischen und geometrischen Abstraktion orientiert und sich dabei traditioneller Drucktechniken bedient, integriert er in der zweiten Phase (1966-1974) das fotomechanische Reproduktionsverfahren des Offsetdrucks in den künstlerischen Werkprozess und reproduziert damit Fotografien von Fundstücken und Zeichnungen. In der dritten Phase (1975-2000) beschäftigt er sich vor allem mit dem Verfahren des Holzdrucks, teilweise in Kombination mit anderen Drucktechniken. Das Mappenwerk „Frauen“ gehört zu den wichtigsten Arbeiten aus der zweiten Schaffensphase.
50 Blätter umfassend, handelt die „Frauen“-Mappe von einem wichtigen Motiv Eggenschwilers: von der Frau und ihrer erotischen Wirkung auf den Mann, die Eggenschwiler den Betrachtern weniger direkt als vielmehr in Anspielungen vor Augen führt. Entsprechend vergleicht Harald Szeemann in seinem die „Frauen“ einleitenden Text Eggenschwiler mit keinen Geringeren als Joseph Beuys und Dieter Roth, „die nicht ein für alle Mal formuliERen, sondERn durch Andeutung in Gang setzen wollen.“ Die einzelnen Motive haben ihre Herkunft in Eggenschwilers Sammlungen von Fundstücken und Telefonzeichnungen. Letztere verdanken ihre Bezeichnung den Bedingungen ihrer Entstehung während Telefongesprächen. Für die „Frauen“-Mappe werden diese meist kleinformatigen Zeichnungen (wie die objets trouvés) fotografiert, vergrössert und zu teils sogar mehrfarbig irisierenden Offsetlithografien weiterverarbeitet.
Diese technische Komplexität lässt es erahnen: Die Mappe ist nicht das Werk eines Einzelnen, sondern schliesst die Beteiligung mehrere Freunde Eggenschwilers ein. Die fotografischen Aufnahmen der Fundstücke und Zeichnungen liefert Robert Wälti, dem Eggenschwiler durch die Berner Arbeitsgemeinschaft verbunden ist; am Druck der Platten sind verschiedene Drucker beteiligt, unter anderem Theodor Zbinden aus Bern; die Edition der Mappe verantwortet der Berner Galerist und Kunstsammler Toni Gerber, ein früher Förderer Eggenschwilers, der in den 1960er und 1970er Jahren auch druckgrafische Arbeiten von Balthasar Burkhard, Markus Raetz, Urs Lüthi und Rolf Iseli verlegt. Gemessen an den Möglichkeiten des Offsetdrucks ist die Auflage verschwindend klein; sie überschreitet, hinzuzüglich einiger Andrucke und Épreuves d’artistes, 100 Exemplare nur geringfügig.
Eine druckgrafische Folge aus Offsetlithografien ist zu Beginn der 1970er Jahre ein künstlerisches Novum, das aufs Heftigste umstritten ist. Die Integration fotomechanischer Reproduktionsverfahren in den künstlerischen Werkprozess ruft die Kritik von Seiten der Kunstkritik und des Kunstpublikums hervor. Die Kritik betrifft die Aufhebung der Gattungsgrenzen zwischen der Künstlergrafik und der (mechanisch produzierten) Gebrauchsgrafik, welche die gängige Vorstellung der künstlerischen Leistung als einer originären Erfindungsleistung ad absurdum führt. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass in einem Ausstellungskatalog des Genfer Kupferstichkabinetts aus dem Jahre 1971 der Offsetdruck als eine der skandalös anmutenden Reproduktionstechniken bezeichnet und damit von klassischen Drucktechniken wie dem Kupferstich abgegrenzt wird.
Christian Féraud