Der Muttergottes widmete Michael Buthe verschiedene seiner Werke: Den Katalog seiner Ausstellung im Genter Museum voor Hedendaagse Kunst 1984 eröffnete der Künstler mit Abbildungen von päpstlichen Dokumenten zur Natur der Muttergottes. Deren Dogmatik wird allerdings auf der nächsten Doppelseite durch eine synkretistische Widmung an verschiedene historische und zeitgenössische, religiöse und weltliche Würdenträger konterkariert.
1986 schuf der Künstler die beiden grossformatigen Tafeln «Le dernier secret de Fatima». Deren Titel nennt die portugiesische Wallfahrtsstätte, wo 1917 drei Hirtenkindern die Muttergottes erschien, und verweist auf das letzte der drei den Hirtenkindern offenbarten «Geheimnisse».
Sechs Jahre später entstand für die Documenta 9 als eines der letzten Werke des Künstlers die stimmungsvolle Installation «Die heilige Nacht der Jungfräulichkeit», die auf verschiedenen Ebenen als Huldigung an die Jungfrau Maria gedeutet werden kann, aber auch Motive aus Schöpfungsmythen anderer Kulturen enthält.
Schon von 1972 bis 1979 entstand «Madonna», ein fetischartiges Objekt auf einem versilberten Holzblock, das das Kunstmuseum Luzern im Nachgang der Retrospektive des Künstlers 2015 aus Privatbesitz erwerben konnte.
Stoff, Federn, Besen, Gartengeräte, eine Blechdose, ein Horn und ein mit Farbe und Stoff verzierter Schieber zum Brotbacken umfangen die Abbildung eines Madonnenbildes, des¬sen Kopf knapp die Stoffmassen überragt. Das Ap¬pli¬zieren von Gegenständen um die Reproduk-tion des Gnadenbildes, das sich nahezu über den ganzen Zeitraum der 1970er-Jahre hinzog, erinnert einerseits an das Behängen einer Madonnenfigur mit Votivgaben; andererseits war Buthe diese Praxis aber auch von den afrikanischen Fetischen her bekannt, deren Kraft durch Opfergaben aktiviert wird. So verband Buthe die erahnbare Gestalt einer Madonna mit Kind mit animistischen Praktiken aussereuropäischer Zivilisationen und schuf eine für sein künstlerisches Vorgehen typische Verschränkung verschiedener Religionen. Zugleich ist das Akkumulieren von Fund- und Gebrauchsgegenständen auch eine für Buthe kennzeichnende Form der Autobiographie und Selbstdarstellung. Heinz Stahlhut