Jost Schiffmann erlernt vorerst wie sein Vater den Metzgerberuf. Seine Affinität zur Kunst wird im Umgang mit seinem Onkel, dem Dekan von Altishofen offenbar. Dieser besitzt eine reiche Antiquitäten- und Kupferstichsammlung und fördert den Neffen. Dem Kunstinteresse des Sohnes ist der Vater nicht abgeneigt, er bezahlt ihm Zeichenstunden. Bereits 1842 ist Schiffmann mit zwei Werken an der Turnus-Ausstellung beteiligt.
Im Folgejahr zieht er nach Rom, um als Schweizergardist zu dienen. Für den Dienst entscheidet er sich, weil dieser ihm gleichzeitig ein Auskommen verschafft und ihm ermöglicht, sich in freien Stunden in einer Weltstadt seiner künstlerischen Weiterbildung zu widmen. Er kopiert Werke des Ostschweizer Landschaftsmalers Rudolf Bühlmann, mit dem er befreundet ist, und besucht die öffentlichen Sammlungen. Poussin und Lorrain faszinieren ihn besonders. Er malt zahlreiche Veduten, die er „Farbstudien“ nennt, und die ihm während seiner ganzen künstlerischen Laufbahn als Vorlagen dienen.
1849 kehrt Schiffmann nach Luzern zurück. Er malt Ansichten der näheren und weiteren Umgebung Luzerns, vor allem Vierwaldstättersee-Motive. Im Herbst 1850 zieht er nach München, wo Johann Gottfried Steffan sein Freund und Berater wird. Die Motive finden die Münchner Schweizer Maler aber auch immer wieder in ihrer Heimat. So ist Schiffmann 1851 mit Robert Zünd am Vierwaldstättersee und 1852 mit Steffan, Zünd und Rudolf Koller im Fly bei Weesen am Walensee. Für diese Werkphase typisch sind die stimmungsvollen, sorgfältig gezeichneten, realistischen Ansichten. In München selbst besucht er regelmässig die Galerien, um Gemälde alter Meister zu kopieren. In diese Zeit fällt auch das grosse Historienbild „Legende Rudolf von Habsburg“ (KML 335x), das seinen Hang zum Romantisch-Sentimentalen zeigt, der sich zunehmend in seinem Werk offenbart, und auch Ausdruck seiner intensiven Beschäftigung mit den alten Meistern ist.
In der Umgebung der Stadt studiert er Licht- und Wolkeneffekte, die er in den sorgfältig ausgearbeiteten Himmelspartien umsetzt. Sein Pinselstrich verändert sich, er wird zunehmend flockig-impressionistisch. In den 1860er Jahren entstehen seine besten Bilder, es gelingt ihm, das Licht der Campagna mit den Wolkeneffekten des Nordens zu Gemälden von fein abgestuftem Kolorit zu verbinden (KML M 44x). Neben der Malerei frönt er seiner Leidenschaft für Antiquitäten, die bei seinem Onkel geweckt worden sein mag. Er sammelt selbst Gegenstände und betätigt sich im Münchner Altertumsverein, dessen Mitgründer er 1864 ist.
Durch seine Ehe mit Therese Kallis wird er zum Onkel des Wieners Hans Makart, der 1859 auch in Schiffmanns Atelier Aufnahme findet. Später übernimmt Makart einen grossen Teil des antiken Interieurs, das Schiffmann in seinem „Rittersaal“ angesammelt hat. Dieses bildet den Grundstock des sogenannten „Makart-Zimmers“, dessen Besichtigung zu den beliebten Beschäftigungen der Wiener Gesellschaft gehörte.
Makart verdankt Schiffmann, der nach dem Tod seines Sohns nach Salzburg zieht, wiederum die Ernennung zum Kustos des Salzbuger Stadtmuseums Carolino Augusteum im Jahre 1870. Mit Begeisterung nimmt sich der Maler der neuen Aufgabe als Museumsmann an. Er ordnet die Sammlung vollständig neu und kombiniert die einzelnen Exponate zu zeitlich geordneten Stilzimmern. Er wird zum Direktor befördert und widmet sich der Kunst erst wieder nach seiner Demission 1881, die er auch auf äusseren Druck nach Kritik an seinem Ausstellungskonzept eingibt. In seiner letzten, kurzen Schaffensphase vor seinem Tod im Jahre 1883 widmet er sich vor allem dem Stillleben.
Christoph Lichtin
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Robert Zünd in seiner Zeit, hrsg. von Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1978
Rotzler, Willy, "Die Luzerner Landschaftsmaler Jost Schiffmann 1822-1883", in: Innerschweizerisches Jahrbuch für Heimatkunde, Band VII, 1943, S. 9-28
Reinhardt, Heinrich, "Jost Josef Niklaus Schiffmann", in: Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich, Neue Reihe XLVI, S. 1-33