Alice Bailly, 2 Einträge
Alice Marie-Louise Bailly wird am 25. Februar 1872 in Genf geboren. Als Tochter einer Deutschlehrerin und eines Postbeamten, wird Bailly von Kind auf von emanzipierter Erziehung geprägt. Dem Beispiel der Mutter folgend, geniesst sie eine solide Ausbildung, welche ihr eine Laufbahn als Lehrerin ermöglicht. Schon früh verspürt sie jedoch den Wunsch, Malerin zu werden. Ein Ruf, dem sie schliesslich nach dem Tod ihres Vaters, ohne Widerstand seitens der Familie folgt. Von 1891 bis 1895 besucht sie die Ecole des Demoiselles in Genf. Sie nimmt an Denise Sarkissofs Zeichenunterricht und Hugues Bovys Modellierklassen teil, dabei fällt sie als willensstarke und entschiedene Persönlichkeit auf. Nach Abschluss ihrer Ausbildung verdient sie ihren Lebensunterhalt als Zeichenlehrerin. Ihre frühen Ölgemälde sind sehr konventionell und lassen sich in die damals in Genf meist vertretene Landschaftsmalerei einreihen. Bailly ist vor allem um eine wirklichkeitsnahe Darstellung bemüht. 1903 erhält sie ein Stipendium von der Stadt Genf, um in München für ein Jahr Malerei zu studieren.
Zurück in der Schweiz erkennt sie sehr bald, dass ihre künstlerische Tätigkeit in Genf limitiert ist und beschliesst, Ende 1904 für einige Monate nach Paris zu reisen, wo sie sich 1906 definitiv niederlässt. Von einem Wallisaufenthalt inspiriert, entstehen ihre ersten Holzschnitte „Scenes Valaisannes“, mit welchen sie in einer Pariser Ausstellung ihren ersten Erfolg erlebt.
Der Umzug nach Paris bedeutet den Anfang einer intensiven künstlerischen Entwicklung für Bailly. Sie findet zuerst Anschluss zu Schweizer Künstlern wie Charles Ferdinand Ramuz, René Auberjonois, Alexandre Blanchet, Adrien Bovy und Henry Spiess. 1907 begegnet sie erstmals fauvistischen Werken von Matisse, Braque und Derain im Salon d’Automne. Dies führt zu einer ersten Befreiung durch die Farbe. Vermehrt stellt sie in ihren Gemälden kühne Farbkontraste her und experimentiert mit einem expressiven Pinselduktus. Das Arbeiten mit kräftigen Tönen und Tranzparenzeffekten ist von nun an für Baillys Kunst charakteristisch.
1911 besucht sie die kubistische Ausstellung im Salon des Indépendants, und pflegt Kontakte zur Villa-Médicis-Libre (Raoul Dufy, André Lhote, Jean Marchand und Sonia Lewitzka). Die Formen und Volumen in Baillys Gemälden vereinfachen sich. Dabei inspirieren sie vor allem die Werke der „sekundären“ Kubisten wie Delaunay, welche der Farbe eine dynamisierende und rhythmisierende Funktion beimessen. Wie sie, orientiert sich Bailly an Cézanne, indem sie Raum und Raumverhältnisse durch das Modulieren ineinanderfliessender Farbflecken ausformuliert und dabei eine breitgefächerte chromatische Palette verwendet.
Erste kubistische Werke stellt Bailly 1913 im Salon des Indépendents aus. Ihr farbiger Kubismus wird von Apollinaire als „entièrement renouvelé“ gerühmt und zum Orphismus Robert und Sonia Delaunays gezählt. Noch Ende dieses Jahres lässt sich ein neues Interesse der Malerin am Futurismus Severinis und Boccionis und deren Art der Bewegungsdarstellung festmachen. In Gemälden wie „Le thé“ (1913-1914) stellt Bailly ganze Bewegungsabläufe in kubistischer Facettierung simultan dar und erreicht dabei einen Höhepunkt in ihrem künstlerischen Schaffen. Ihr Verständnis des Kubismus und Futurismus entpuppt sich als völlig autonom und entwickelt sich, in ganz unabhängiger Manier vom restlichen Milieu, zum Vertreter der Avantgarde. Als Meisterwerk dieser Phase kann ihr Gemälde „Fantaisie équestre de la dame rose“ (1913) genannt werden.
1913 wagt sie endlich eine Ausstellung in Genf. Ihre Werke stossen jedoch auf Ablehnung. Einzig Alexandre Cingria (1879-1945), ein Malerfreund, erkennt die Bedeutung ihres Schaffens für die zeitgenössische Schweizer Kunst. In Paris hingegen nimmt sie 1914 wieder am Salon des Indépendants teil, ebenso am Salon d’Automne, wo sie gleichfalls Teil der Jury ist.
Als sie sich Mitte 1914 in der Schweiz aufhält, werden die Grenzen wegen des ausbrechenden Krieges geschlossen. Die vier kommenden Jahre erweisen sich als äusserst schwierig, sie kämpft für ihren Lebensunterhalt. Um Käufer zu finden, kehrt sie zum Holzschnitt zurück. Ebenso beginnt sie eine Reihe von Genfer Portraits. Von 1916 bis 1924 entstehen um die 50 „tableaux-laine“.
Während dem „Zwangsaufenthalt“ in der Schweiz wendet sich Bailly immer mehr der deutschen Schweiz zu, wo ihre Kunst anerkannt wird. Sie findet vermehrt Freunde und Sammler ihrer Werke, darunter ihr treuester Mäzen, Werner Reinhart. Ihre zweite persönliche Ausstellung 1918 findet deshalb in Basel, Zürich und Winterthur statt. 1918 kommt sie ebenso in Berührung mit der Schweizer Dada-Bewegung. Diese Beziehung verfolgt sie aber nicht weiter.
1920 kehrt Bailly nach Paris zurück. Doch trifft sie nicht auf das stimulierende Klima der Vorkriegsjahre. Geldnot prägt ihren Alltag. Die Bilder aus dieser Zeit zeugen von der Melancholie und Trauer, welche Bailly heimsuchen. Man begegnet vor allem Portraits, welche im Vergleich zu Bildern vorheriger Phasen viel statischer wirken, eines davon „Jeune femme au gant blanc“ (1922) (KML D62x). Die Gemälde präsentieren sich ohne die üblichen Bewegungsdarstellungen, was ihre Frontalität betont und gleichsam eine grössere Flächigkeit bewirkt. Ebenso ist vermehrt eine Farbpalette von Ocker- und Grautönen auszumachen.
Trotz allem versucht Bailly immer wieder Ausstellungen in der Schweiz zu organisieren, sodass sich während drei Jahren ein Hin und Her zwischen Paris und der Schweiz ergibt. Doch ihre Bilder stossen mehr den je auf Ablehnung und werden als „Spielereien“ abgetan. Ihre sich verschlechternde Gesundheit, welche ihre Arbeit beeinträchtigt, zwingt sie dazu, sich 1923 definitiv in Lausanne niederzulassen.
In den 1930er Jahren nimmt Bailly verschiedene Aufträge vom Staat zur Gestaltung von öffentlichen Räumen an. Kurz vor ihrem Tod beendet sie ihren letzten und wichtigsten Auftrag: eine Wandmalerei im Foyer des Theaters in Lausanne. Zu diesem Zeitpunkt hat sich ihr Malstil zu einer dekorativen Stilisierung hin entwickelt. Die Kompositionen sind statischer und flächiger, wobei sie über den Bildgegenstand oft eine Art Folie mit kubistisch vereinfachten, transparenten Formen legt.
Alice Bailly stirbt 1937 im Alter von 65 Jahren in Lausanne an den Folgen einer chronischen Bronchitis.
Geneviève Hertzog
Zurück in der Schweiz erkennt sie sehr bald, dass ihre künstlerische Tätigkeit in Genf limitiert ist und beschliesst, Ende 1904 für einige Monate nach Paris zu reisen, wo sie sich 1906 definitiv niederlässt. Von einem Wallisaufenthalt inspiriert, entstehen ihre ersten Holzschnitte „Scenes Valaisannes“, mit welchen sie in einer Pariser Ausstellung ihren ersten Erfolg erlebt.
Der Umzug nach Paris bedeutet den Anfang einer intensiven künstlerischen Entwicklung für Bailly. Sie findet zuerst Anschluss zu Schweizer Künstlern wie Charles Ferdinand Ramuz, René Auberjonois, Alexandre Blanchet, Adrien Bovy und Henry Spiess. 1907 begegnet sie erstmals fauvistischen Werken von Matisse, Braque und Derain im Salon d’Automne. Dies führt zu einer ersten Befreiung durch die Farbe. Vermehrt stellt sie in ihren Gemälden kühne Farbkontraste her und experimentiert mit einem expressiven Pinselduktus. Das Arbeiten mit kräftigen Tönen und Tranzparenzeffekten ist von nun an für Baillys Kunst charakteristisch.
1911 besucht sie die kubistische Ausstellung im Salon des Indépendants, und pflegt Kontakte zur Villa-Médicis-Libre (Raoul Dufy, André Lhote, Jean Marchand und Sonia Lewitzka). Die Formen und Volumen in Baillys Gemälden vereinfachen sich. Dabei inspirieren sie vor allem die Werke der „sekundären“ Kubisten wie Delaunay, welche der Farbe eine dynamisierende und rhythmisierende Funktion beimessen. Wie sie, orientiert sich Bailly an Cézanne, indem sie Raum und Raumverhältnisse durch das Modulieren ineinanderfliessender Farbflecken ausformuliert und dabei eine breitgefächerte chromatische Palette verwendet.
Erste kubistische Werke stellt Bailly 1913 im Salon des Indépendents aus. Ihr farbiger Kubismus wird von Apollinaire als „entièrement renouvelé“ gerühmt und zum Orphismus Robert und Sonia Delaunays gezählt. Noch Ende dieses Jahres lässt sich ein neues Interesse der Malerin am Futurismus Severinis und Boccionis und deren Art der Bewegungsdarstellung festmachen. In Gemälden wie „Le thé“ (1913-1914) stellt Bailly ganze Bewegungsabläufe in kubistischer Facettierung simultan dar und erreicht dabei einen Höhepunkt in ihrem künstlerischen Schaffen. Ihr Verständnis des Kubismus und Futurismus entpuppt sich als völlig autonom und entwickelt sich, in ganz unabhängiger Manier vom restlichen Milieu, zum Vertreter der Avantgarde. Als Meisterwerk dieser Phase kann ihr Gemälde „Fantaisie équestre de la dame rose“ (1913) genannt werden.
1913 wagt sie endlich eine Ausstellung in Genf. Ihre Werke stossen jedoch auf Ablehnung. Einzig Alexandre Cingria (1879-1945), ein Malerfreund, erkennt die Bedeutung ihres Schaffens für die zeitgenössische Schweizer Kunst. In Paris hingegen nimmt sie 1914 wieder am Salon des Indépendants teil, ebenso am Salon d’Automne, wo sie gleichfalls Teil der Jury ist.
Als sie sich Mitte 1914 in der Schweiz aufhält, werden die Grenzen wegen des ausbrechenden Krieges geschlossen. Die vier kommenden Jahre erweisen sich als äusserst schwierig, sie kämpft für ihren Lebensunterhalt. Um Käufer zu finden, kehrt sie zum Holzschnitt zurück. Ebenso beginnt sie eine Reihe von Genfer Portraits. Von 1916 bis 1924 entstehen um die 50 „tableaux-laine“.
Während dem „Zwangsaufenthalt“ in der Schweiz wendet sich Bailly immer mehr der deutschen Schweiz zu, wo ihre Kunst anerkannt wird. Sie findet vermehrt Freunde und Sammler ihrer Werke, darunter ihr treuester Mäzen, Werner Reinhart. Ihre zweite persönliche Ausstellung 1918 findet deshalb in Basel, Zürich und Winterthur statt. 1918 kommt sie ebenso in Berührung mit der Schweizer Dada-Bewegung. Diese Beziehung verfolgt sie aber nicht weiter.
1920 kehrt Bailly nach Paris zurück. Doch trifft sie nicht auf das stimulierende Klima der Vorkriegsjahre. Geldnot prägt ihren Alltag. Die Bilder aus dieser Zeit zeugen von der Melancholie und Trauer, welche Bailly heimsuchen. Man begegnet vor allem Portraits, welche im Vergleich zu Bildern vorheriger Phasen viel statischer wirken, eines davon „Jeune femme au gant blanc“ (1922) (KML D62x). Die Gemälde präsentieren sich ohne die üblichen Bewegungsdarstellungen, was ihre Frontalität betont und gleichsam eine grössere Flächigkeit bewirkt. Ebenso ist vermehrt eine Farbpalette von Ocker- und Grautönen auszumachen.
Trotz allem versucht Bailly immer wieder Ausstellungen in der Schweiz zu organisieren, sodass sich während drei Jahren ein Hin und Her zwischen Paris und der Schweiz ergibt. Doch ihre Bilder stossen mehr den je auf Ablehnung und werden als „Spielereien“ abgetan. Ihre sich verschlechternde Gesundheit, welche ihre Arbeit beeinträchtigt, zwingt sie dazu, sich 1923 definitiv in Lausanne niederzulassen.
In den 1930er Jahren nimmt Bailly verschiedene Aufträge vom Staat zur Gestaltung von öffentlichen Räumen an. Kurz vor ihrem Tod beendet sie ihren letzten und wichtigsten Auftrag: eine Wandmalerei im Foyer des Theaters in Lausanne. Zu diesem Zeitpunkt hat sich ihr Malstil zu einer dekorativen Stilisierung hin entwickelt. Die Kompositionen sind statischer und flächiger, wobei sie über den Bildgegenstand oft eine Art Folie mit kubistisch vereinfachten, transparenten Formen legt.
Alice Bailly stirbt 1937 im Alter von 65 Jahren in Lausanne an den Folgen einer chronischen Bronchitis.
Geneviève Hertzog