Anthony Douglas Cragg, 2 Einträge
Die Auseinandersetzung mit Material, natürlichem, künstlichem, industriell gefertigtem oder einzeln bearbeitetem, durchzieht als roter Faden die Arbeit des 1949 in Liverpool geborenen Künstlers. Für Cragg sind "Material und Materie, aus der jedes Material hervorgegangen ist der Grundstoff, aus dem wir selbst gemacht sind und der Ort, an dem wir uns selbst finden. Wir definieren uns und unsere Kultur in und aus der Materie." (Anthony Cragg, Notizen zu einer Vorlesung am Kröller-Müller Museum, Arnheim 1995). Seine offene und vielseitige Herangehensweise ist geprägt von der Ausbildung als Chemielaborant, der Arbeit in einer Industrie-Giesserei und dem Interesse für Naturwissenschaften und deren Verfahren. Die Bildhauerei, der er sich seit dem Beginn seines Kunststudiums zuwendet, ist für ihn ein Medium der Erkenntnis. Im bildhauerischen Prozess unterwirft Cragg Material und Form einer Transformation, die bis anhin unbewusste Informationen, Konnotationen und Emotionen über sie hervorbringt.
Mit seiner Übersiedlung nach Wuppertal 1977, wo Anthony Cragg bis heute lebt und arbeitet, beginnt eine erste spezifische Arbeitsweise des Künstlers: Er sammelt am Strand natürliche Materialien wie Steine, Geäst, Muscheln oder auf Müllhalden abgebrochene, beschädigte Kunststoffteile. Die Fundstücke werden nach formalen Kriterien sortiert und ausgelegt: Material und Farbe bestimmen die neue Ordnung im künstlerischen Kontext. Die Spannung, die aus der Zusammenhangslosigkeit zwischen der neuen Ordnung und der ursprünglichen Funktion der Teile erzeugt wird, nutzt Cragg um die kulturellen Werte von Kunststoff zu erkunden. Im Gegensatz zu Holz, Gestein oder Bronze – den als hochwertig geschätzten Materialien der traditionellen Bildhauerei – ist Plastik als Werkstoff aufgrund seiner ausschliesslich funktionalen Dienstbarmachung ohne künstlerischen Wert und nicht bewusst mit Emotionen oder Bedeutungen verbunden. Indem er moderne Materialien verwendet, die das Signum der Gegenwart aus ihrer Entstehung und ihrem Gebrauch tragen, möchte Cragg zu einem reflektierten Umgang damit anregen und, nicht zuletzt die Impulse der 1960er Jahre aufnehmend, die Erzeugnisse der Alltagskultur in den Kunstkontext integrieren.
Gegen Ende der 1980er Jahre wendet sich Cragg der Schöpfung eigener Formen zu. Bei aller Vielfalt lassen sich grundsätzlich zwei Formtypen unterscheiden: Der eine evoziert überdimensionierte Werkzeuge und Maschinenteile, der andere erinnert an organische, körperhafte Gebilde. Nun finden klassische Bildhauermaterialien wie Holz, Bronze, Marmor, Gips ebenso Verwendung wie Kevlar, Karbon- und Glasfaser, Polystyrol oder gar Plastikwürfel. Natürliche Formungsprozesse wie Schichtung, Sedimentierung, Zellteilung und Wucherung, Öffnung und Fluss, Torsion, Achsenverschiebung und Gelenkbildung bestimmen die Genese und Gestalt seiner Werke. Die Titel der Werke, etwa "Forminifera", "Early Form" oder "Secretion", fügen dem Verhältnis von Material und Form eine zusätzliche richtungsweisende Assoziationsebene hinzu. So wendet Cragg die seit jeher in der Bildhauerkunst wirksame Dialektik zwischen Material und Form auf moderne Kunststoffe und archetypische Formen an. Die Merkmale des jeweils verwendeten Materials stehen in produktiver Spannung zu den Qualitäten, die die organischen Formen seiner Skulpturen suggerieren. Das Auge des Betrachters wird von den schimmernden, oft irisierend glänzenden Oberflächen in Bann gehalten und getäuscht, da es deren Material nicht eindeutig bestimmen kann. Hinzu tritt die komplexe schalenartige Struktur, bei der Durchbrüche und Öffnungen, Wölbungen und Höhlungen ein ambivalentes Verhältnis von Substanz, Volumen und Aussenschicht produzieren. Material und Form werden von Cragg in zwar visuell erfassbare und doch nicht zu ergründende Gestalt gebracht.
Cragg ist einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Bildhauer. Unzählige Galerie-Ausstellungen, Retrospektiven und Publikationen dokumentieren sein umfassendes Werk; unter anderem wurde er 1988 mit dem Turner Preis geehrt. Die Lehrtätigkeit nahm er von 1978 bis 2001 an der Kunstakademie Düsseldorf auf, seit 2001 hat Cragg neben mehreren Ehrenprofessuren eine Professur an der Universität der Künste in Berlin inne.
Martina Papiro
Mit seiner Übersiedlung nach Wuppertal 1977, wo Anthony Cragg bis heute lebt und arbeitet, beginnt eine erste spezifische Arbeitsweise des Künstlers: Er sammelt am Strand natürliche Materialien wie Steine, Geäst, Muscheln oder auf Müllhalden abgebrochene, beschädigte Kunststoffteile. Die Fundstücke werden nach formalen Kriterien sortiert und ausgelegt: Material und Farbe bestimmen die neue Ordnung im künstlerischen Kontext. Die Spannung, die aus der Zusammenhangslosigkeit zwischen der neuen Ordnung und der ursprünglichen Funktion der Teile erzeugt wird, nutzt Cragg um die kulturellen Werte von Kunststoff zu erkunden. Im Gegensatz zu Holz, Gestein oder Bronze – den als hochwertig geschätzten Materialien der traditionellen Bildhauerei – ist Plastik als Werkstoff aufgrund seiner ausschliesslich funktionalen Dienstbarmachung ohne künstlerischen Wert und nicht bewusst mit Emotionen oder Bedeutungen verbunden. Indem er moderne Materialien verwendet, die das Signum der Gegenwart aus ihrer Entstehung und ihrem Gebrauch tragen, möchte Cragg zu einem reflektierten Umgang damit anregen und, nicht zuletzt die Impulse der 1960er Jahre aufnehmend, die Erzeugnisse der Alltagskultur in den Kunstkontext integrieren.
Gegen Ende der 1980er Jahre wendet sich Cragg der Schöpfung eigener Formen zu. Bei aller Vielfalt lassen sich grundsätzlich zwei Formtypen unterscheiden: Der eine evoziert überdimensionierte Werkzeuge und Maschinenteile, der andere erinnert an organische, körperhafte Gebilde. Nun finden klassische Bildhauermaterialien wie Holz, Bronze, Marmor, Gips ebenso Verwendung wie Kevlar, Karbon- und Glasfaser, Polystyrol oder gar Plastikwürfel. Natürliche Formungsprozesse wie Schichtung, Sedimentierung, Zellteilung und Wucherung, Öffnung und Fluss, Torsion, Achsenverschiebung und Gelenkbildung bestimmen die Genese und Gestalt seiner Werke. Die Titel der Werke, etwa "Forminifera", "Early Form" oder "Secretion", fügen dem Verhältnis von Material und Form eine zusätzliche richtungsweisende Assoziationsebene hinzu. So wendet Cragg die seit jeher in der Bildhauerkunst wirksame Dialektik zwischen Material und Form auf moderne Kunststoffe und archetypische Formen an. Die Merkmale des jeweils verwendeten Materials stehen in produktiver Spannung zu den Qualitäten, die die organischen Formen seiner Skulpturen suggerieren. Das Auge des Betrachters wird von den schimmernden, oft irisierend glänzenden Oberflächen in Bann gehalten und getäuscht, da es deren Material nicht eindeutig bestimmen kann. Hinzu tritt die komplexe schalenartige Struktur, bei der Durchbrüche und Öffnungen, Wölbungen und Höhlungen ein ambivalentes Verhältnis von Substanz, Volumen und Aussenschicht produzieren. Material und Form werden von Cragg in zwar visuell erfassbare und doch nicht zu ergründende Gestalt gebracht.
Cragg ist einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Bildhauer. Unzählige Galerie-Ausstellungen, Retrospektiven und Publikationen dokumentieren sein umfassendes Werk; unter anderem wurde er 1988 mit dem Turner Preis geehrt. Die Lehrtätigkeit nahm er von 1978 bis 2001 an der Kunstakademie Düsseldorf auf, seit 2001 hat Cragg neben mehreren Ehrenprofessuren eine Professur an der Universität der Künste in Berlin inne.
Martina Papiro