Richard Paul Lohse wird am 13. September 1902 in Zürich geboren. Schon früh interessiert er sich für die Malerei, doch verunmöglichen ihm die wirtschaftlich schwierigen Verhältnisse seiner Familie die Ausbildung zum Kunstmaler. Stattdessen tritt er mit 16 Jahren in die Werbeagentur Max Dalang ein, um Reklamezeichner zu werden. 1930 verlässt Lohse diese wieder, um sich der Malerei widmen zu können. Autodidaktisch setzt er sich mit der Kunst der russischen Konstruktivisten und der niederländischen De Stijl-Gruppe auseinander und findet zu einer eigenen geometrischen, klar strukturierten Darstellungsform, die in ihrer Farbigkeit und Präzision an die Arbeitstechnik der Grafik erinnert. Lohse pflegt einen intensiven Umgang mit gleichgesinnten Künstlern in Zürich und gründet 1937 zusammen mit Leo Leuppi die "Allianz".
Parallel dazu bleibt er aber bis in die 60er-Jahre auch der Gebrauchsgrafik verbunden. Er ist an der Herausgabe und Gestaltung von Zeitschriften wie "Bauen + Wohnen" und "Neue Grafik" beteiligt und trägt mit seinen Entwürfen wesentlich zur Etablierung der Formensprache der Nachkriegszeit bei.
Ab den 1940er-Jahren malt Lohse Quadrate und andere Rechtecke in horizontaler und vertikaler Schichtung. Die farblich abgestimmten Felder reiht er in modularer oder serieller Ordnung aneinander. Mit dem streng systematisierten Bildaufbau möchte Lohse den Schaffensprozess von subjektiven und individuellen Entscheidungen ablösen und dem Betrachter den gestalterischen Entstehungsvorgang ersichtlich machen. Von grosser Bedeutung ist für Lohse die völlig egalitäre Darstellung: die einzelnen Farbfelder stehen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
Erste Erfolge kann Lohse mit diesen systematisch komponierten Arbeiten 1961 in den Niederlanden verzeichnen, anlässlich einer Ausstellung im Stedelijk Museum in Amsterdam. Seine Kunst und seine Gebrauchsgrafik finden durch weitere bedeutende Ausstellungen weltweit Beachtung. 1965 repräsentiert Lohse die Schweiz an der Biennale von São Paulo, 1972 an der Biennale von Venedig. 1973 wird ihm der Kunstpreis der Stadt Zürich verliehen.
Nicht nur künstlerisch setzt sich Lohse mit dem Gedanken der Gleichberechtigung auseinander, sondern beschäftigt sich auch mit den sozialen Unterschieden in der Gesellschaft. Sein grosses politisches Engagement bringt ihn während des 2. Weltkrieges auf die Seite des Widerstands. Der Kampf für die Demokratisierung entspricht seiner egalitären Kunst: In seinen Bildern sieht er Ausdrucksformen einer nicht-hierarchischen Gesellschaft, deren Eigenschaften die Flexibilität, die Transparenz und die Überprüfbarkeit sind.
Am 16. September 1988 stirbt Richard Paul Lohse in Zürich. Mit seinen systematisch-konstruktiven Werken leistet er einen bedeutenden Beitrag zur Malerei des 20. Jahrhunderts und gehört zusammen mit Max Bill, Camille Graeser und Verena Loewensberg zu jener Gruppierung der Allianz, die unter dem geläufigen Namen "Zürcher Konkrete" weltweit Bekanntheit erlangt.
Fabienne Sutter
Holz, Hans Heinz, Lohse James, Johanna, Markun, Silvia (Hrsg.), Lohse lesen, Zürich: Offizin, 2002 (Studienbuch 2, Stiftung für konstruktive und konkrete Kunst Zürich)
Ludwigshafen am Rhein, Wilhelm-Hack-Museum und Städtische Kunstsammlungen (Ausst.-Kat.), Richard Paul Lohse 1902–1988, mit Texten von Bernhard Holeczek (et al.), Heidelberg: Edition Braus, 1992
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungsbilanz 11 Jahre - 1117 Werke - 211 Künstler und Künstlerinnen, Ergänzungsband 2 zum Sammlungskatalog, hrsg. von Martin Kunz, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1989
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Fragen an Lohse, mit einem Gespräch zwischen Richard Paul Lohse und Fritz Billeter, Martin Kunz, Richard Paul Lohse, John Matheson, Harald Szeemann, Ludmila Vachtova, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1985