Dias & Riedwegs Arbeiten sind oft in Südamerika, ja in Rio de Janeiro selbst realisiert worden – aber nicht ausschliesslich. Denn sie sind keine südamerikanischen Künstler, sie sind vielmehr überall auf der Welt eingeboren. In der Serie «Kleine Geschichten von Bescheidenheit und Zweifel» (2011-2014) nehmen Dias & Riedweg uns mit in ihre Stadt und zeigen sie in vier Kapiteln alltägliche Szenen aus Südamerika. So führen sie uns nachts auf einen hellbeleuchteten Fussballplatz («Peladas noturnas», 2011), in einen Vergnügungsparkt («Sábado à noite no Parquinho», 2011), durch das sich vom Zentrum zu seinen Rändern hin verändernde Rio («O Espelho e a Tarde», 2011).
In ihrem Video «Peladas Noturnas» (Nächtliches Fussballspiel) zeigen Dias & Riedweg ein eingezäuntes Fussballfeld, das von starken Scheinwerfern aus der Dunkelheit herausgehoben wird. Kein bedeutendes Geschehen zwar, doch durch die Einzäunung und Beleuchtung wird es aus seinem herkömmli¬chen Kontext isoliert, der dennoch am Rande immer sichtbar bleibt. Die Blickführung in dieser Arbeit ist komplex: Manchmal geht der Blick vom Feld durch den Zaun nach aussen, dann wieder ist er von weit aussen über die Zuschauerinnen und Zuschauer hinweg auf das hell erleuchtete Feld gerichtet. Dieser stete Wechsel entspricht dem sich verändernden Rhythmus des Spiels, bei dem manchmal alle in schneller Bewegung sind und im nächsten Moment gebannt auf die Flugbahn des Balls starren. Diese Vielfalt der Blickrichtungen und Bewegungsfrequenzen wird noch dadurch gesteigert, dass Dias & Riedweg durch das langsame Aufpoppen immer neuer Bildfelder über die ganze Fläche der Projektion hinweg neue Sequenzen des Geschehens erscheinen lassen.
Die langsame, fast melancholische Klaviermusik, die die akustische Folie abgibt, scheint dem dargestellten Geschehen zu widersprechen. Doch stellt man sich hierzu eine Samba oder Bossa Nova vor, erfüllte das Video nur allzu sehr europäische Klischees der unbeschwerten, körperbetonten Existenz der Brasilianerinnen und Brasilianer. Die elegischen Klänge hingegen halten den Gedanken daran wach, dass für viele der Fussball spielenden Jungs dieser Sport eine der wenigen Möglichkeiten ist, ihrem tristen Dasein in der Favela für Momente oder gar auf Dauer zu entrinnen.
Heinz Stahlhut