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Werkbeschrieb
Eine Reise nach Neapel im Frühjahr 1821 bringt eine motivische Bereicherung in Léopold Roberts Genredarstellungen. Robert ist einer der ersten Maler, der nicht nur die südliche Landschaft, sondern auch ihre Bewohner als darstellenswert empfindet. In einfachen, von der modernen Zivilisation unverdorbenen Bauern glaubt er die Urenkel der antiken Römer vor sich zu haben, die noch Spuren der Schönheit jener vergangenen Tage in sich tragen. Der Wunsch, diese Genealogie zu beweisen, führt zu einer eigenen und programmatisch zu nennenden Verbindung von Christentum mit archaischem Glauben.
Das vorliegende Ölgemälde ist während dieser Neapelreise entstanden. Die lärmige Stadt missfällt dem Maler zunächst und er vermisst die römische Würde und den Stolz. Gemeinsam mit einem schwedischen Baron besteigt er den Vesuv, den er auch im vorliegenden Bild im Hintergrund wiedergibt.
Dem Motiv der jungen Mädchen bleibt Robert während seines ganzen Romaufenthalts treu. Bei der vorliegenden Mädchendarstellung handelt es sich um eine der ersten. Dicht zusammengerückt, so dass sie von einem schmalen Rechteck umschlossen werden könnten, schreiten die zwei jungen Frauen am Golf von Neapel nebeneinander her. Die Gesichter haben sie einander zugewandt, der Blick der hinteren Figur ruht allerdings nicht auf ihrem Gegenüber, sondern geht nach oben, ohne dabei etwas Bestimmtes zu fixieren. Die Gesichter entsprechen einem Typus: sie sind länglich und edel, geprägt von einem leicht melancholischen Gesichtsausdruck. Roberts Absicht, in den einfachen Landbewohnern ihre antiken Vorfahren durchschimmern zu lassen, wird deutlich. Das Hauptinteresse des Malers liegt im Folkloristischen, wo sich unbewusst die Erinnerung an die Vergangenheit erhalten habe und wo sich dementsprechend Christentum mit heidnischem Glauben kreuzt (beispielhaft verwirklicht in "Le Retour du pèlerinage à la Madone de l'Arc", 1822). Die Öl- oder Buchsbaumzweige verweisen hier auf den "Dies Palmarum", den Palmsonntag, während die Trauben und das Weinlaub, mit denen die Mädchen bekränzt sind, sowie das Tamburin Bachantenzügen und dionysischen Feierlichkeiten entlehnt sind. Die Kostüme, die liebevoll detailliert wiedergegeben sind, erstrahlen in Roberts bevorzugten Farbdreiklang Rot, Weiss und Dunkelblau. In diesem frühen Werk Roberts spürt man noch deutlich "die Pose des Ateliers und das krampfhafte Suchen nach einer ausgewogenen Komposition" (Georges B. Ségal). Armhaltung und Schrittmotiv sind an einer vertikalen, durch die Mitte des Bildes gehenden Achse gespiegelt, wodurch dem Paar etwas Steifes und Konstruiertes anhaftet. Der Weg, auf dem sie einherschreiten, bildet eine schmale Bühne, hinter der inmitten der gebirgigen, südlichen Landschaft der rauchende Vesuv in die Höhe ragt. Dabei verwendet Robert Studien, die er während seines Neapelaufenthaltes angefertigt hat und die fortan den Hintergrund vieler Figurenkompositionen bilden. Hier ist die Umgebung samt Himmel jedoch ganz in schmutzigen Braun- und Gelbtönen gehalten, was der Attraktivität des Gemäldes nicht sonderlich zuträglich ist.
Der Farbauftrag Roberts ist präzise und trocken und erinnert an den klassizistischen Lehrer Jacques-Louis David. Eine kleine, summarische Kostümstudie in Bleistift geht dem Gemälde voraus und dürfte vor Ort entstanden sein. Ein vergleichbares Bild, das mit "Dies Palmarum" bezeichnet wird, datiert zwei Jahre später und befindet sich im Kunstmuseum Basel.
Regine Fluor-Bürgi
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung, 1935 Ankauf ex Galerie Fischer (Niederländischer Vorbesitz, Herman Hoffmann)
Eingangsjahr:1935
Provenienz/ Provenance
Privatbesitz, Holland, bis 1935
Galerie Fischer, 1935
Bernhard Eglin-Stiftung, 1935
Bibliografische Referenz/ Bibliographical References
Unmittelbare Quellen (Dokumente mit unmittelbarem Bezug zum Objekt)/ Primary Sources
Auskunft Kuno Fischer
Inventar der Sammlung der Bernhard Eglin-Stiftung, Stadtarchiv Luzern
Protokoll der Bernhard Eglin-Stiftung, Stadtarchiv Luzern
Auktionskatalog Galerie Fischer, 1935
Weitere konsultierte Quellen/ Further sources
• Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, Berlin
• Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg: Database of Art Objects at the Jeu de Paume*
• Database “Central Collecting Point München” Database “Kunstsammlung Hermann Göring”
• Getty Provenance Index, German Sales Catalogs
• Lootedart.com Lost Art
• Répertoire des Biens Spoliés
• Verzeichnis national wertvoller Kunstwerke (“Reichsliste von 1938”)
Zusammenfassung/ Conclusion
Gemäss der Liste «Inventar der Sammlung der Bernhard Eglin-Stiftung» wurde das Gemälde über Theodor Fischer erworben. Gemäss Sitzungsprotokoll der Bernhard Eglin-Stiftung verkaufte Fischer das Gemälde für eine holländische Privatbesitzerin . Die neue Quellenlage der Galerie Fischer ermöglicht dem Kunstmuseum Luzern 2023 eine vertiefte Erforschung. Das Gemälde ist aktuell Gegenstand einer vertieften Recherche.
Kategorie B
Ausstellungsgeschichte
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.03.1940 - 31.12.1940
Im Licht der Romandie, Winterthur, Museum Oskar Reinhart am Stadtgarten, 10.06.2001 - 28.10.2001
Schweizer Meister. Sammlungsausstellung zum 75–Jahr–Jubiläum der Bernhard Eglin–Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 31.05.2008 - 20.10.2008
Modell für ein Museum. Werke aus der Sammlung, mit der integralen Schenkung Minnich, dazu ein "Bilderzimmer" von Anton Henning und Allan Porters "I Am a Museum", Luzern, Kunstmuseum Luzern, 21.10.2006 - 11.02.2007
Léopold Robert, Spoleto, Palazzo Racani-Arroni, 23.06.1986 - 20.07.1986
Sehnsucht nach der Fremde
«Und die alten Formen stürzen ein». Kunst um 1800 aus der Sammlung, Luzern, 09.03.2019 - 17.11.2019
Literatur
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Lichtin, Christoph, "Die Sammlung im Kunstmuseum Luzern", in: s/w visarte.bern, Nr. 3, 2007, unpaginiert
Im Licht der Romandie. Oskar Reinhart als Sammler von Westschweizer Kunst, hrsg. von Lukas Gloor (et al.), mit Texten von Alberto de Andrés (et al.), Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag; Zürich: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, 2001
Vogel, Maria, "Léopold Robert: Zwei Italienerinnen. Aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern", in: Luzerner Zeitung, 22.7.1994, S. 7
Spoleto, XXIX Festival dei due Mondi (Ausst.-Kat.), Léopold Robert, mit Texten von Bruno Mantura, Pierre Gassier und Maria Antonella Fusco, Rom: De Luca; Milan: Arnoldo Mondadori, 1986
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Ségal, Georges Berthold, Der Maler Louis Léopold Robert, 1792-1835. Ein Beitrag zur Geschichte der romantischen Malerei in der Schweiz, Basel: Diss. Universität Basel, 1973
Meyer-Rahn, Hans, Gesamtbericht über die Gründung und Tätigkeit der Bernhard Eglin-Stiftung von 1933-1946, Luzern: Bernhard Eglin-Stiftung, 1946
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1940