„Atlas. Würfeltisch“ und „Linie" (KML 92.134w) gehören zu Anton Egloffs Frühwerk, dessen Grundelement die mit Klischees besetzten Zinkwürfel sind. Auf einem Tischgestell aus massiven Holzbalken sind sechzehn dieser Bilderwürfel zu einem Quadrat zusammengefügt. Elf Würfel sind auf ihren sechs Seiten mit Klischees von Zeitungen und Zeitschriften beklebt. Diese Ausschnitte zeigen Bilder von Stars und Sportlern, von den Olympischen Spielen ebenso wie Kriegsszenen oder Familienidyllen, Bilder aus der Werbung, von Städten und Landschaften, von Karten und von technischen Errungenschaften wie der Raumfahrt. Teilweise sind in die Würfel zusätzlich Linien und Grade eingeritzt. Die Gradangaben bilden einen Zusammenhang mit den Weltkarten, den Breiten- und Längengraden, die der Künstler auf den restlichen fünf Würfeln neben Zeichen, Ziffern und eigenen Zeichnungen eingeritzt hat. Auf verschiedenen Ebenen wird mit der Vermessung von Raum und Zeit sowie deren Bezug zum Weltgeschehen und zur Geschichte gespielt. Aus dem „Atlas“ – so der Titel des Werks –, der Bilder von einmaligen, alltäglichen, aber auch nachdenklichen Ereignissen der Geschichte, Land- und Weltkarten sowie eigene Zeichnungen des Künstlers beinhaltet, lassen sich jeweils wieder neue Bezüge zwischen den einzelnen Bildern und Ausschnitten herstellen. Die einzelnen Seiten der Würfel und damit ihre Bilder können nach dem aleatorischen Prinzip jeweils neu zusammengewürfelt werden. Bei einer anderen Arbeit Egloffs im Kunstmuseum Luzern (KML 92.134w) sind eben solche Würfel in einer Linie aneinandergereiht und deuten so auf die mögliche Fortschreibung dieser Bilder, die inhaltlich einmalig sind, doch formal ähnlich wiederkehren.
Der Tisch erinnert explizit an den Würfelwurf – ein Spiel zwischen Zufall und Kalkül, Klarheit und Rätselhaftigkeit, deren Zusammenwirken in dem wohl bekanntesten Gedicht von Stéphane Mallarmé "Un Coup de dés" ("Ein Würfelwurf") bildhaft in der Verteilung der Worte auf dem Papier vor Augen geführt wird. Egloff geht noch einen Schritt weiter, indem er seine Würfel mit ganz konkreten Bildern – Fotografien historischer Ereignisse und eigener Zeichnungen – bestückt. Wie in anderen Arbeiten setzt der Künstler so seine Zeichnungen in einen Bezug zum Weltgeschehen, deren Verlauf sich aus dem Prinzip des Würfelns herleitet. Dieses Prinzip wurde bereits in Orakeln benutzt, um das Zusammenwirken der verschiedenen Momente für die Zukunft fruchtbar zu machen. Auch in „Atlas. Würfeltisch“ bringt das Würfeln immer wieder neue Bilderrätsel und mit ihnen neue Zusammenhänge des Weltenlaufs hervor.
Annamira Jochim