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Werkbeschrieb
Das Bild gibt den Blick frei auf eine Landschaft, in deren Hintergrund sich drei Berge abzeichnen. Die Eigenart der Darstellung besteht darin, dass sich die Landschaft eher erahnen als sehen lässt, da sie von einer weisslich-grauen Farbschicht überdeckt wird. Im Bildvordergrund dominiert die in waagrechten Pinselstrichen aufgetragene Farbe Grau. Unter der weissen Schicht des Bildmittelgrundes schimmert ein helles Grün hervor und vier aus schwarzen Linien gezeichnete Gitterstrukturen erheben sich in der Landschaft. Als Abschluss des Bildes formiert sich eine von links ansteigende Bergkette, die aus drei Spitzen besteht, wobei die letzte vom rechten Bildrand angeschnitten ist. Ihre Konturen lassen sich schwach erkennen und dem vorherrschenden Weiss ist Dunkelblau hinzugefügt. Im weissen Himmel über dem Massiv sind fünf schwarze, vertikale, scheinbar in spontaner Weise gezeichnete Striche gesetzt, die sich in regelmässigem Abstand über die Bildbreite verteilen.
Das Motiv des Berges spielt eine wichtige Rolle in Federles Oeuvre. In den 1970er und 1980er Jahren entstehen mehrere Bilder zu diesem Thema, in denen der Künstler zu abstrahierten Flächen, spitzen Formen oder einfachen Dreiecken gelangt. Er schreibt in seinem Text „Meine Beziehung (Form) zum Berg“ (1978), dass sich diese durch Einsamkeit, und Hoffnungslosigkeit auszeichne und eigentlich völlig austauschbar sei. Seine Haltung lege sich nicht am Berg fest und könne deshalb zu ungegenständlichen Formen führen, wobei die Berge weniger ein formaler Ausgangspunkt seien: „Ich benütze sie, um meine persönliche Emotionalität, die im glücklichen Fall auch kollektiven Wert hat, zu veräussern, um eine Wirkung zu suchen, die ausserhalb der gegenständlichen Realität liegt.“ In seinen Berg-Bildern lässt er die Figürlichkeit nicht vollends hinter sich und abstrahiert bloss soweit, dass die Berge noch erkennbar bleiben. Seine Malerei führt ihn schliesslich in die Nähe der Konkreten, die damals neben den Vertreterinnen und Vertretern des Neo-Expressionismus das künstlerische Gesicht der Schweiz bestimmten. Von Bedeutung ist ihm die Übermittlung des Inhaltes, nicht in impulsiven Gesten wie Martin Disler, sondern in seiner eigenen Bildsprache. Es geht Federle nicht um die Form der Berge, sondern er will den Emotionen, die das Erhabene bei ihm auslöst, eine Gestalt geben.
Das Thema der Berge kann in der Malerei auf eine lange Tradition zurückblicken, in die sich Federle einreiht. In der Schweiz erfuhren die Berge bzw. die Alpen über die Jahrhunderte unterschiedliche Konnotationen: vom Ort der Finsternis über den Ort der Freiheit hin zum geschützten Raum und zum Bereich des Tourismus. Ikonografisch emanzipiert sich das Sujet des Berges durch die naturgetreuen Gemälde Caspar Wolfs vom Hintergrund für Staffageszenen zum eigenständigen Gegenstand in der Kunst und im 19. Jahrhundert mit der Gründung des Nationalstaates finden die Alpen als nationales Motiv in den heroisch inszenierten Berglandschaften Alexandre Calames ihren Ausdruck. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bringt Hodler eine Malerei hervor, die sich auf das Wesentliche des Motivs reduziert, ohne aber in abstrakter Malerei zu enden. Der Niesen mit seiner pyramidalen Form entwickelt sich zum bevorzugten Sujet. Seine Darstellungen lassen sich zu geometrischen Beschreibungen abstrahieren, von denen sich die Verbindung zur geometrischen Flächengestaltung Federles schlagen lässt. Federle ist auf der Suche nach Strukturen und scheint über die Darstellung der Berge zu einer geometrisch reinen Malerei zu gelangen.
Das Medium der Zeichnung bietet ihm neben der Malerei Raum, bildnerische Möglichkeiten durchzuspielen und spontane Skizzen anzufertigen. In seiner Malerei verfolgt Federle wenige Themen, aber in seiner zeichnerischen Tätigkeit beschreitet er viele Wege. Er untersucht die Wirkung von unterschiedlichen Materialien, wie Bleistift, Kugelschreiber, Filzstift, Kohle, Kreide sowie Gouache auf herkömmlichem Papier, Millimeterpapier, liniertem Schreibblockpapier sowie Servietten; kurzum auf allem, was er gerade zur Hand hat. Der Künstler datiert oder versieht die Zeichnungen mit Nummern, dass die Reihenfolge ihrer Entstehung nachvollziehbar ist. Sie lassen sich in Gruppen gliedern: Eine Gruppe ruft mit ihren Andeutungen von Bergen, Eisschollen oder Studien zu Rehen die Natur hervor. Eine Andere erinnert mit ihrer Geradlinigkeit an die Konstruktionsskizzen der frühen Konstruktivisten Russlands.
Karoliina Elmer
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, 1975 Kauf
Eingangsjahr:1975
Ausstellungsgeschichte
Schweizer Museen sammeln aktuelle Schweizer Kunst, Zürich, Kunsthaus Zürich, 15.02.1980 - 07.04.1980
space shift: Schweizer Kunst der 70er Jahre aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 15.03.2003 - 17.07.2003
Les Musées Suisses collectionnent l'art actuel en Suisse, Lausanne, Musée Cantonal des Beaux-Arts, 25.04.1980 - 15.06.1980
Neunzehnhundertsiebzig. Material, Orte, Denkprozesse, Luzern, 22.02.2013 - 27.11.2013
ProLitteris Februar 2013
Literatur
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Zürich, Kunsthaus Zürich (Ausst.-Kat.), Schweizer Museen sammeln aktuelle Schweizer Kunst, mit Texten von Felix Andreas Baumann (et al.), Zürich: Kunsthaus Zürich, 1980