informationen
Werkbeschrieb
In der vorliegenden, um 1861 entstandenen Ölstudie greift Rudolf Koller auf ein Motiv zurück, das er bereits drei Jahre zuvor mittels Kohle und Schwarzkreide festgehalten hat. Solche Tierstudien kommen dann häufig in grossformatigen Gemälden wieder zum Einsatz, in diesem Falle in "Mittagsruhe" (Kunsthaus Zürich). Besonders im Alter, als Koller durch sein zunehmendes Augenleiden behindert wird, ist er auf seine früheren Naturbeobachtungen angewiesen.
Das Ölbild, von Koller selbst mit "Studie" betitelt, zeigt ein Arrangement von vier Schafen. Innerhalb eines Bretterverschlags liegen sie, eng aneinandergeschmiegt, im Stroh. Ein einzelner Sonnenstrahl, der in den ansonsten dunklen Stall fällt, taucht Teile ihrer Anatomie in ein helles Licht. Dies gibt dem Maler die Möglichkeit, mit der Wiedergabe diverser Materialien zu brillieren. Er zeigt die unterschiedliche Beschaffenheit des weichen, krausen Felles, der samtweichen Nüstern und der harten Läufe und Hufe. Kaum sichtbar indes bleibt das braune Schaf, das der Maler trotz seiner dunklen Ausführung in zahlreichen tonalen Abschattierungen wiedergibt und so innerhalb eines eng begrenzten Lichtspektrums eine erstaunliche Varietät beweist.
Die Anordnung der vier Tierkörper ist sehr durchdacht und demonstriert Kollers Talent in der korrekten, perspektivischen Wiedergabe der Tieranatomie. Die Schafe, die mal seitlich, mal von hinten oder vorn gezeigt werden, sind alle in derselben liegende, leicht gekrümmte Stellung dargestellt. Es handelt sich im Prinzip um die verschiedenen Ansichten eines einzigen Tieres, ein Trick, mit dem bereits die Renaissancekünstler ihre Meisterschaft in der Beherrschung der Perspektive unter Beweis stellten.
Die vorliegende Tierstudie kann als eigentliches Bravourstück des Künstlers bezeichnet werden, das sämtliche seiner Fähigkeiten zur Anschauung bringt. Sie stelle "Kollers bestes und intensivstes Porträt von Schafen dar", ist Jörg Huber überzeugt. Sicher ist, dass in solchen isolierten Tierporträts Kollers Leistung einmalig ist. Werden sie aber in die grossformatigen, detailliert durchgearbeiteten Kompositionen eingegliedert, verlieren sie an Intensität und wirken oft anekdotisch und dekorativ.
Regine Fluor-Bürgi
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung, 1933 Ankauf
Eingangsjahr:1933
Ausstellungsgeschichte
Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.03.1940 - 31.12.1940
Die Erwerbungen der Bernhard-Eglin-Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 15.12.1935 - 08.01.1936
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Rudolf Koller, Basel, Kunsthalle Basel, 17.09.1938 - 16.10.1938
Schweizer Meister. Sammlungsausstellung zum 75–Jahr–Jubiläum der Bernhard Eglin–Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 31.05.2008 - 20.10.2008
Modell für ein Museum. Werke aus der Sammlung, mit der integralen Schenkung Minnich, dazu ein "Bilderzimmer" von Anton Henning und Allan Porters "I Am a Museum", Luzern, Kunstmuseum Luzern, 21.10.2006 - 11.02.2007
Karneval der Tiere Tierdarstellungen aus der Sammlung, Luzern, 24.02.2018 - 06.01.2019
Literatur
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Bianchi, Paolo, "Das 'Medium Ausstellung' als experimentelle Probebühne", in: Kunstforum International, Bd. 186, Juni/Juli 2007, S. 44-55
Huber, Jörg, Rudolf Koller, 1828-1905. 32 ausgewählte Bilder, Glattbrugg: Verlagsgesellschaft Beobachter, 1983
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Hugelshofer, Walter, 12 Reproduktionen nach Gemälden von Rudolf Koller aus dem Kalender für das Jahr 1952, hrsg. von der Schweizerischen Unfallversicherungs-Gesellschaft in Winterthur, Winterthur: Schweizerische Unfallversicherungs-Gesellschaft, 1952
Meyer-Rahn, Hans, Gesamtbericht über die Gründung und Tätigkeit der Bernhard Eglin-Stiftung von 1933-1946, Luzern: Bernhard Eglin-Stiftung, 1946
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1940
Basel, Kunsthalle Basel (Ausst.-Kat.), Rudolf Koller, Basel: Kunsthalle Basel, 1938
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Erwerbungen der Bernhard-Eglin-Stiftung, mit einem Vorwort von Paul Hilber, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1935
Luzern, Kunsthaus Luzern (Ausst.-Kat.), Katalog der Eröffnungsausstellung, Luzern: Kunsthaus Luzern, 1933
Lehmann, W. L., Rudolf Koller, Zürich: Zürcher Kunstgesellschaft, 1908