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Werkbeschrieb
Die Frau bildet den thematischen Mittelpunkt von Maurice Barrauds Werk. Ihr gelte in erster Linie alle Zärtlichkeit der Aussage, alle Aufmerksamkeit und sinnlich genusshafte Begeisterung, schreibt Franz Meyer im Vorwort zum Ausstellungskatalog der Kunsthalle Bern zwei Jahre nach Barrauds Tod. Dabei folgen die weiblichen Akte und Figurenbilder einem ganz bestimmten Frauentypus: Den Kopf kennzeichnen eine niedrige Stirn, grosse Augen, ein griechisches Profil und ein sinnlicher Mund, die Körperformen sind stattlich und weich gerundet. Ausserdem nehmen die Frauengestalten eine entspannte, fast träge Haltung ein. Ihre Ausstrahlung ist sanft und neigt zum Träumerischen.
Das blonde Mädchen aus "La Loge" erfüllt die meisten dieser für Barraud typischen (Geschlechts-)Merkmale. Sie hat sich aus ihrem Sessel in der Loge nach vorne gelehnt, während sie sich mit beiden Unterarmen auf der gepolsterten Brüstung abstützt. Den Kopf, im strengen Profil wiedergegeben, hat sie Richtung Bühne gewandt. Aufmerksam und selbstvergessen scheint sie das Geschehen dort zu verfolgen.
Ihr voluminöser Körper mit den breiten Schultern und den kräftigen Armen ist in vereinfachten, sehr weichen und glatten Formen wiedergegeben, die fast wie gegossen wirken. Die starke Plastizität des Körpers erinnert daran, dass Barraud in seiner Frühzeit als Bildhauer gearbeitet hat. Durch die Anordnung des Bildraums in der Diagonalen sowie durch die grosszügige Unterteilung in warme und kalte Farbpartien gewinnt das Gemälde aus der Distanz ausserdem eine merkliche Tiefe, die von der glatten Plastizität der Figur unterstützt wird.
Die Farbpalette ist – abgesehen von wenigen kontrastierenden Schwarztönen – vorwiegend auf die Farben Rot und Rosa reduziert, was dem Gemälde eine spezielle Ausdruckskraft verleiht. Die in schimmerndem Rosa und schattierendem Ocker modellierte Haut vermittelt Frische und betont die Jugendlichkeit der blühenden Frau. Aufgenommen wird diese ausserdem im Perlmuttglanz des Schmuckes und im zartrosa Abendkleid. Im Gegensatz dazu ist die gesamte Loge mit rotem Samt ausgekleidet. Die stellenweise hell durchschimmernde Leinwand verleiht dem schweren, üppigen Ambiente jedoch eine gewisse Leichtigkeit.
Vor allem in koloristischer Hinsicht wirken in Barrauds Werk verschiedene französische Vorbilder der 19. und 20. Jahrhunderts. Die zarten Teintfarben sowie der lockere, pastellartige Farbauftrag erinnern an Pierre-Auguste Renoir und Edgar Degas. Ausserdem hat Barraud Henri Matisse und Pierre Bonnard bewundert. Weitere Vorbilder sind in der spanischen Malerei, insbesondere in Goya und Velasquez, zu suchen.
Regine Fluor-Bürgi
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Kultur, Bern, 1929 Revers August
Eingangsjahr:1929
Ausstellungsgeschichte
19-39 La Suisse romande entre les deux guerres, Lausanne, Musée cantonal des Beaux-Arts, 23.05.1986 - 14.09.1986
1933-1993. 60 Jahre Kunstmuseum Luzern im Meili-Bau, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 20.04.1993 - 02.05.1993
Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.03.1940 - 31.12.1940
Die Kunstpflege des Bundes seit 1887, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.07.1943 - 03.10.1943
Paris, Musée d'Art Moderne
From Hodler to Klee. Swiss art of the twentieth century. Paintings and sculpture, London, The Tate Gallery
Maurice Barraud, Bern, Kunsthalle Bern, 22.09.1956 - 21.10.1956
Sztuka szwajcarska. Od Hodlera do naszych dni, Warschau, Muzeum Narodowe
Exposition Maurice Barraud, Genf, Musée Rath et Athénée, 10.03.1945 - 08.04.1945
Eröffnungsausstellung, Luzern, Kunsthaus Luzern, 10.12.1933 - 01.03.1934
Das Welschland. Vierte Gemäldeausstellung, Trubschachen, Kulturverein Trubschachen
Aus der Sammlung: Männer und Frauen
Eidgenossenschaft Inventur 2011
Figuren und Porträts von Hans Holbein bis Ugo Rondinone aus der Sammlung, Kunstmuseum Luzern
Literatur
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Canova, Renée/Wyder, Bernard, Maurice Barraud, Lutry: Marendaz, 1979
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Bern, Kunsthalle Bern, Maurice Barraud, mit einem Text von Franz Meyer, Bern: Kunsthalle Bern, 1956
Genf, Musée Rath et Athénée, Exposition Maurice Barraud, Genf: Musée Rath et Athénée, 1945
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Kunstpflege des Bundes seit 1887, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Luzern: Keller & Co. AG, 1943
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1940
Bovy, Adrien, Barraud, Lausanne: Roth, 1940
Luzern, Kunsthaus Luzern (Ausst.-Kat.), Katalog der Eröffnungsausstellung, Luzern: Kunsthaus Luzern, 1933
Fosca, François, Maurice Barraud, Paris: Editions des quatre chemins, 1932