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Werkbeschrieb
Die Darstellung von Winter- und Schneelandschaften ist um die Jahrhundertwende ein häufiges und beliebtes Bildmotiv in der Schweizer Kunst. Neben Cuno Amiet und Giovanni Giacometti widmet sich auch Hans Emmenegger zu Beginn des 20. Jahrhunderts diesem Bildthema.
Mit 42 Jahren malt Emmenegger das Gemälde „Schneeschmelze“, von dem verschiedene Fassungen existieren, die sich nur geringfügig unterscheiden. So fehlt beispielsweise hier die kahle Baumgruppe, die auf anderen Varianten im oberen rechten Bildteil zu sehen ist. 1902 malt Cuno Amiet ebenfalls eine Schneeschmelze, die Parallelen zu Emmeneggers Winterbild aufweist: Auf beiden Darstellungen dominieren die flächige Malweise und die dekorative Anordnung von Flächen.
Emmeneggers Winterlandschaft ist geprägt von starken Hell-Dunkel-Kontrasten. Fokussiert wird ein leicht nach rechts ansteigendes Schneefeld, das sich wiederum in einen beschatteten und in einen besonnten Bereich unterteilen lässt. Beide Teile weisen bereits grössere abgetaute Flecken auf, die den darunter liegenden Boden freigeben. Vor allem besticht das in warmen Farbtönen gemalte schmale Frühlingsterrain, das sich quer durch das Bild hinweg zieht und immer noch von schneebedeckten Flächen umgeben ist. Nicht ganz in der Mitte des Bildes fällt eine kleine Erdmulde auf, eine Senkung, die zugleich Anziehungspunkt ist und einem Wirbel gleichkommt, in dem das Schmelzwasser versickert. Die Winterlandschaft, die zum Stimmungsträger wird und die Empfindungen und das Wesen Emmeneggers widerspiegelt, ist unberührt, verlassen. Still und einsam liegt sie da, keine Spuren von Lebewesen, weder Mensch noch Tier stören die Gegend.
Das Bild ist in der ähnlichen divisionistischen Technik gemalt wie der ein Jahr zuvor entstandene "Weibliche Akt" (Inv. Nr. 462x). Bei beiden Werken sind es unzählige kurze Pinselstriche, die aneinandergereiht erst im Auge der Betrachtenden und aus Distanz den Gesamteindruck einer Fläche ergeben.
Die "Schneeschmelze", die zu einem der Hauptwerke Emmeneggers zählt, erzielt durch den gewählten Naturausschnitt und durch die Vereinfachung des Dargestellten einen hohen Abstraktionsgrad. Künstlerfreunde von Hans Emmenegger üben allerdings Kritik an dessen neuen Malstil, der Elemente des Jugendstils um 1900 aufgreift. Vor allem aber bemängeln sie den Verzicht auf Figürliches und illustrative Einzelheiten, die die Landschaft bereichern. Max Buri bezeichnet das Werk als "ein zwar gutes, aber langweiliges Bild".
An der XI. Internationalen Kunstausstellung im Glaspalast in München wird Emmenegger 1913 für das grossformatige Bild „Schneeschmelze“ mit einer Goldmedaille geehrt.
Cornelia Ackermann
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stadt Luzern
Eingangsjahr:1958
Ausstellungsgeschichte
Alpine Air. Swiss Artists Inspired by Mountains, Nagano, Matsumoto City Museum of Art, 29.10.2005 - 23.12.2005
Moderne Kunst der Innerschweiz, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 15.06.1957 - 15.09.1957
Herrlich öde, einsame Gegend. Hans Emmenegger - ein Maler zwischen Böcklin und Hodler, Schaffhausen, Museum zu Allerheiligen, 08.05.1987 - 26.06.1988
Gedächtnisausstellung Eduard Renggli, Hans Emmenegger, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 02.02.1941 - 02.03.1941
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Zeitgeist 1974. Aspekte der Kunst in der Innerschweiz 1895-1925. Hans Emmenegger, Anton Stockmann, Hans von Matt, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 29.09.1974 - 03.11.1974
Landpartie. Die Luzerner Landschaftsmalerei zwischen "Paysage intime" und dem Aufbruch ins 20. Jahrhundert, Hochdorf, Kulturzentrum Braui, 07.11.1998 - 22.11.1998
Weisse Wunderware Schnee, Chur, Bündner Kunstmuseum Chur, 19.11.2004 - 27.02.2005
Alpine Air. Swiss Artists Inspired by Mountains, Shimane, Shimane Art Museum, 02.01.2006 - 24.02.2006
Herrlich öde, einsame Gegend. Hans Emmenegger - ein Maler zwischen Böcklin und Hodler, Solothurn, Kunstmuseum Solothurn, 30.01.1988 - 20.03.1988
Hans Emmenegger zum 70. Geburtstag. Ausstellung der Sektion Luzern der Gesellschaft Schweiz. Maler, Bildhauer und Architekten anlässlich ihres 40jährigen Bestandes, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 13.09.1936 - 07.10.1936
Schnee, Land und Leute: Gemälde von Anker bis Emmenegger aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 07.02.2004 - 18.04.2004
Innerschweiz. 11. Gemäldeausstellung Trubschachen, Trubschachen, Kulturverein Trubschachen, 23.06.1984 - 15.07.1984
Herrlich öde, einsame Gegend. Hans Emmenegger - ein Maler zwischen Böcklin und Hodler, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 06.12.1987 - 20.01.1988
XI. Internationale Kunstausstellung im königlichen Glaspalast, München, Glaspalast, 01.06.1913 - 31.10.1913
Alpine Air. Swiss Artists Inspired by Mountains, Tokyo, The Bunkamura Museum of Art, 04.03.2006 - 09.04.2006
Voglio vedere le mie montagne - Die Schwerkraft der Berge 1774-1997, Aarau, Aargauer Kunsthaus Aarau, 16.06.1997 - 24.08.1997
Literatur
Bregenz, Vorarlberger Landesmuseum (Ausst.-Kat.), Schnee. Rohstoff der Kunst, hrsg. von Tobias G. Natter, Ostfildern: Hatje Cantz, 2009
Tokyo, The Bunkamura Museum of Art (Ausst.-Kat.), Alpine Air. Swiss Artists Inspired by Mountains, mit Texten von Beat Wismer (et al.), Tokyo: The Bunkamura Museum of Art, 2005
Labhart, Walter, "Jede Landschaft hat ihre Seele", in: Die Südostschweiz, 19.Oktober 2004, S. 17
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Landpartie - Die Sammlung des Kunstmuseums Luzern auf Reisen im Kanton, mit Texten von Jean-Christophe Ammann, Theo Kneubühler, Ulrich Loock und André Rogger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1998
Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst, hrsg. vom Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft Zürich und Lausanne, Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1998
Luzern, Kunstmuseum Luzern/Solothurn, Kunstmuseum Solothurn/Schaffhausen, Museum zu Allerheiligen (Ausst.-Kat.), Herrlich öde, einsame Gegend. Hans Emmenegger, ein Maler zwischen Böcklin und Hodler, hrsg. von Franz Zelger, mit Texten von Stefan Banz (et al.), Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1987
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Marfurt-Elmiger, Lisbeth, Die Luzerner Kunstgesellschaft 1819-1933, hrsg. von der Stadt Luzern, Luzern: Kommissionsverlag Keller & Co, 1978
Luzern, Kunstmuseum (Ausst.-Kat.), Zeitgeist 1974. Aspekte der Kunst in der Innerschweiz 1895-1925. Hans Emmenegger, Anton Stockmann, Hans von Matt, mit einem Text von Theo Kneubühler, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1974
Luzern, Kunstmuseum Luzern, Moderne Kunst der Innerschweiz, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1957
Hilber, Paul, Hans Emmenegger, 1866-1940. Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft Luzern 1942/1943, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1942
Luzern, Kunstmuseum Luzern, Musegg (Ausst.-Kat.), Ausstellung Hans Emmenegger, Hermann Haller, mit einem Geleitwort von Dr. Paul Hilber, 1928