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Werkbeschrieb
Das von Charles Dufresne behandelte Themengebiet ist aussergewöhnlich weit und umfasst neben Akten, Bildnissen und Landschaften auch sakrale und mythologische Stoffe. In seiner Generation ist er einer der wenigen Maler, der solche als abgedroschen geltenden Motive wieder aufgreift und sie zu rehabilitieren vermag. In seinem Œuvre nehmen aber auch Stillleben und Strandszenen mit Badenden einen wichtigen Platz ein.
Das querrechteckige Ölgemälde zeigt eine solche von drei Figuren belebte Strandszene. Zwei grosse weibliche Gestalten – die eine trägt einen roten Badeanzug und eine dicke Halskette, die andere ist nackt – liegen auf einer umzäunten, dunklen Rasenfläche. Die vordere präsentiert sich dem Betrachter in auffallend freimütiger Körperhaltung. Die Arme hat sie hinter dem Kopf verschränkt, die kräftigen Beine angewinkelt und die Füsse überkreuzt. Der Maler hat die Figur jedoch fast androgyn, in sehr reduzierter Weiblichkeit gestaltet, wodurch erotische Anwandlungen gewissermassen im Keim erstickt werden. Die Körperglieder sind in ihren Umrissen vereinfacht und wirken eher grobschlächtig. Die mit einfachen, rechtwinklig angeordneten Strichen angedeuteten Gesichtszüge bleiben dennoch nicht gänzlich ohne Persönlichkeit, weshalb die Frauengestalt nicht nur als schlichte, grosse Farbfläche wahrgenommen, sondern in beschränktem Ausmass auch individuelle Ausstrahlung besitzt.
Auch die zweite liegende Figur ist in ihrer Körperhaltung ganz auf den Betrachter hin konzipiert. Den Kopf mit dem blonden Haar und den roten Wangen hat sie auf ihren linken Arm gestützt, während die rechte Hand auf der ausladenden Hüfte ruht. Dank feuerrotem Kleid und weiblichen Kurven strahlt sie weitaus mehr sinnliche Reize aus als ihre Nachbarin. Beide Frauen blicken keck aus dem Bild hinaus, den Blickkontakt mit dem Betrachter suchend.
Ein Gegenpol zu den beiden auf den Bildbetrachter hin ausgerichteten, plastisch wiedergegebenen Badenden bildet die starre Rückenfigur eines auf einem grünen Gartenstuhl sitzenden Herrn mit Melone. Er trägt ein schwarzes Jackett zu einer weissen Hose und hellen Schuhen. Steif hat er die Beine übereinander geschlagen und liest, eine Zigarre rauchend, in einer Zeitung. Der Gegensatz zwischen den (fast) nackten Liegenden und dem distinguierten Herrn im Anzug weckt Erinnerungen an Edouard Manets Hauptwerk "Dejeuner sur l'herbe", das Paris gut fünfzig Jahre vor Dufresnes "Ruhe am Strand" einen veritablen Kunstskandal bescherte.
Im Mittelgrund hat der Maler mehrere Bäume und Sträucher gleichmässig über die Bildfläche verteilt. Dahinter strahlt das blaue Wasser des Ozeans, das sich an der felsigen Küste in schäumenden Wellen bricht. An einer konsequent durchgehaltenen Perspektive hat der Maler offensichtlich kein Interesse. Die Figuren und Gegenstände sind auch nicht wirklich hintereinander, sondern vielmehr übereinander angeordnet, so dass es kaum zu Überschneidungen kommt. Zudem fällt auf, dass der Künstler sich darum bemüht hat, die Bildfläche gleichmässig mit Gegenständen und Figuren aufzufüllen. Diese Vorliebe für weite und gleichzeitig voll beladene Bildkompositionen könnte durchaus mit dem antiken naturphilosophischen Begriff des "Horror Vacui", der "Scheu vor der Leere" umschrieben werden. Ob Dufresne in seiner Ölmalerei, die laut Claude Roger-Marx ein Fest für die Augen sein soll, nach ähnlichen dekorativen Gesichtspunkten vorgegangen ist wie ihn den von ihm entworfenen Teppichkartons, muss hier offen bleiben. Fest steht jedoch, dass der Künstler selbst keine signifikanten Unterschiede zwischen seinen Gemälden und den dekorativen Arbeiten gesehen hat.
Die kaum tonal modulierten Farben bewegen sich in "Ruhe am Strand" grösstenteils in einem kühlen, blau-grünen Bereich, werden aber durch gleichmässig verteilte, knallrote Akzente in Badekleid, Hausdach und Blumentöpfen aufgelockert. Die gleichförmigen, parallel zueinander angebrachten Pinselstriche erinnern an Paul Cézanne. Wie beim bedeutenden Wegbereiter des Kubismus vermitteln die Farbflächen bei Dufresne weder Raum noch Luft oder Atmosphäre, sondern sind überall von gleicher Intensität. Die Farbpalette ist allerdings weniger diejenige Cézannes, die sich mehrheitlich durch kalte Farbakkorde auszeichnet, sondern jene der Fauves, deren Zeitgenosse Dufresne war. Besonders der Gebrauch von roten und gelben Tönen verhilft dem Gemälde zu wärmeren Harmonien. Trotz ihrer Intensivität sind die Farben in Dufresnes Œuvre bisweilen dumpf, was seiner Ölmalerei eine gewisse Schwere verleiht.
Die vereinfachten Formen sind im vorliegenden Gemälde meistens durch wässrige Konturlinien voneinander getrennt und gelegentlich durch Schraffuren plastisch gearbeitet, wie beispielsweise der einfache zylindrische Baumstamm, der hinter den beiden Liegenden emporwächst. Eine gewisse Nähe zum Kubismus, den Dufresne seiner eckigen, schematisierten Formen wegen geschätzt hat, ist festzustellen. Bereits 1934 hat René Huyghe festgehalten, dass seine Kunst eine Art Kreuzung zwischen Fauvismus und Kubismus sei. Obwohl sich dadurch die Schwierigkeit ergibt, den Maler innerhalb der Kunstgeschichtsschreibung eindeutig zu klassifizieren, macht gerade diese Dualität eine von Dufresnes Qualitäten als Künstler aus.
Regine Fluor-Bürg
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, 1937
Eingangsjahr:1936
Ausstellungsgeschichte
1933-1993. 60 Jahre Kunstmuseum Luzern im Meili-Bau, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 20.04.1993 - 02.05.1993
Schenkung Minnich 1937
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Sammlung Walter und Alice Minnich 1936/37
"Wühlen in Farben, Wälzen in Klängen". Schenkung Minnich, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 18.10.2002 - 27.04.2003
Modell für ein Museum. Werke aus der Sammlung, mit der integralen Schenkung Minnich, dazu ein "Bilderzimmer" von Anton Henning und Allan Porters "I Am a Museum", Luzern, Kunstmuseum Luzern, 21.10.2006 - 11.02.2007
Max von Moos. Radierungen von Fritz Pauli. Leihgaben neuer französischer Malerei, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 07.03.1937 - 07.04.1937
Minnich Raum 12
Mein Freund Max Pechstein. Die Sammlung Walter Minnich, Pforzheim, Ausstellungshalle im Reichlinhaus, 14.09.2008 - 16.11.2008
Von früh bis spät. Bilder des Alltags aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, 04.03.2017 - 26.11.2017
Erster Einblick: Von früh bis spät. Bilder des Alltag aus der Sammlung, 04.03.2017 - 26.09.2018
Literatur
Greschat, Isabel/Lichtin, Christoph (Hrsg.), Pechstein, Melzer, Soutine, Terechkovitch. Der Sammler Walter Minnich und das Kunstmuseum Luzern, Heidelberg: Kehrer; Luzern: Kunstmuseum Luzern, 2006
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Max von Moos. Radierungen von Fritz Pauli. Leihgaben neuer Französischer Malerei, mit einem Text von Emil Lerch, 1937