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Werkbeschrieb
Das Gemälde „Blick von Schönbühl gegen den Vitznauerstock“ ist wie die meisten der Landschaftsdarstellungen Robert Zünds ein sogenanntes Kompositbild, eine, wie Gottfried Keller treffend beschrieben hat, „ideale Reallandschaft oder reale Ideallandschaft“. Aus verschiedenen Ansichten, bisweilen auch mit unterschiedlichen Perspektiven, komponiert der Maler ein Ganzes und bevölkert die Szenerie mit Staffagefiguren, die das Bild beleben, bei Zünd jedoch nie Hauptthema werden. Markante Motive, wie der Pilatus, der Bürgenstock oder die Rigi, geben den Bildern jeweils den Namen, ohne dass sie vom Künstler jedoch selbst betitelt worden sein müssten. Namensgebungen sind meist posthum entstanden. Trotz der Wiedererkennbarkeit von Gebirgen sind Zünds Gemälde eher Annäherungen an eine landschaftliche Stimmung, als dass sie Dokument einer geografischen Begebenheit wären.
Das Gemälde zeigt Zünds Vorliebe für beschattete Vordergründe und von der Sonne beschienene Mittelgründe, die von einer luftperspektivisch in die Ferne gerückten Hügel- und Bergkette abgeschlossen werden. Auffallend sind auch die horizontale Staffelung der Baumreihen und die perspektivische Verkürzung der Wiesenflächen, ein weiteres Mittel, eine grosse Bildtiefe zu erreichen. Die Staffagefiguren sind idealisierte junge Menschen und Kinder in sonntäglichen Bauernkleidern – städtische Bekleidung hat Zünd nie dargestellt. Aus einer gutbürgerlichen Familie der Stadt Luzern stammend hat er auch nie die Schattenseiten des harten Land- und Bauernlebens dokumentiert.
Der „Blick von Schönbühl gegen den Vitnauerstock“ ist ein unvollendetes Gemälde und deswegen ein äusserst aufschlussreiches Dokument zu Zünds malerischem Vorgehen. Ausgehend von der Skizze wendet der Maler für seine Bildfindung einen akribischen Arbeitsprozess an, der jegliche Zufälle im Vorfeld ausschaltet. In Skizzenbüchern hält er kleine, oftmals nur Briefmarken grosse Entwürfe fest, die er bei gutem Gelingen auch mit Sepia und Tusche laviert und für die Übertragung in ein grösseres Format quadriert. Die sehr frei skizzierten Naturstudien überträgt Zünd auf ein grösseres Blatt und arbeitet mit Feder die Konturen der Hauptmotive heraus. Mit Hilfe von Pausen kombiniert Zünd auch verschiedene Entwürfe und nähert sich so seiner fertigen Komposition an.
Das unvollendete Gemälde „Blick von Schönbühl gegen den Vitznauerstock“ zeigt im Mittelgrund eine in braun lavierte Fläche, die erste Malschicht nach der Grundierung der Leinwand. An den Baumwipfeln ist der schichtenartige, mit dem Weiss des Himmels im Wechsel stehende Aufbau des Blattwerks erkennbar, das grossflächig grün gesetzt wird. Erst nach diesem mehrschichtigen Aufbau setzt Zünd mit einem kleinen Pinsel Blatt an Blatt und erreicht so eine schöne Modulation der Baumkronen.
Susanne Neubauer
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung
Eingangsjahr:2000
Ausstellungsgeschichte
Robert Zünd (1826-1909), Luzern, Kunstmuseum Luzern, 12.06.2004 - 26.09.2004
Mixing Memory and Desire – Wunsch und Erinnerung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 20.06.2000 - 24.09.2000
Schweizer Meister. Sammlungsausstellung zum 75–Jahr–Jubiläum der Bernhard Eglin–Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 31.05.2008 - 20.10.2008
Robert Zünd in seiner Zeit, Luzern, Kunstmuseum, 01.07.1978 - 10.09.1978
Modell für ein Museum. Werke aus der Sammlung, mit der integralen Schenkung Minnich, dazu ein "Bilderzimmer" von Anton Henning und Allan Porters "I Am a Museum", Luzern, Kunstmuseum Luzern, 21.10.2006 - 11.02.2007
Terrain. Von Robert Zünd bis Tony Cragg – Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts und zeitgenössische Skulptur aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 02.03.2007 - 05.08.2007
Robert Zünd (1827-1909), Tobias Madörin (*1965). Bellevue, Luzern, 07.07.2017 - 15.10.2017
Ins Offene! Landschaftsdarstellungen von Ferdinand Hodler und Robert Zünd bis Max von Moos, Luzern, 08.03.2014 - 16.11.2014
Literatur
Fischer, Peter, "Robert Zünd", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 71-77
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Fischer, Peter, "Robert Zünd", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 71-77
Bianchi, Paolo, "Das 'Medium Ausstellung' als experimentelle Probebühne", in: Kunstforum International, Bd. 186, Juni/Juli 2007, S. 44-55
Neubauer, Susanne/Wechsler, Liselotte, ""...und wenn man es mit amore betreibt...". Technik und Komposition im Werk Robert Zünds", in: Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte, Band 62, Heft 2/05, 2005, S. 131-144
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Robert Zünd, hrsg. von Susanne Neubauer, mit Texten von Cornelia Dietschi, Susanne Neubauer und Peter Fischer, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2004
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Mixing Memory and Desire - Wunsch und Erinnerung, hrsg. von Daniel Kurjakovic, mit Texten von Daniel Kurjakovic, Ulrich Look und Ivetta Geraimchuk, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 2000
Zürich, Christie's (Auktions-Kat.), Schweizer Kunst. Auktion. Dienstag 21. März 2000, Zürich: Chriestie's, 2000
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Robert Zünd in seiner Zeit, hrsg. von Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1978