Das Bild „Tief 1“ zeigt im Vordergrund zwei stark angeschnittene Rückenfiguren. Sie überdecken teilweise das auf der nächsten Ebene dargestellte vorbeifahrende Polizeiauto. Im Hintergrund befinden sich einzelne Passanten auf einem Gehsteig. Während die letzte Ebene malerisch unscharf wiedergegeben ist, indem der Künstler vor allem mit Verwischungseffekten arbeitet, sind die Figuren im Vordergrund klar umrissen. Das Polizeiauto auf der mittleren Ebene wird ebenfalls mit klarem Pinselstrich gemalt mit Ausnahme des Warnlichtbands auf dem Dach des Wagens. Die Verwischungseffekte, die Havekost häufig in seinen Malereien anwendet, erinnern an die digital bearbeitete Fotografie. Dieser Zusammenhang verweist auf die Quelle seiner Motive, welche meist aus der Fotografie stammen.
Die einzelnen Motive auf den drei verschiedenen Bildschichten von „Tief 1“ wirken aus diversen Zusammenhängen entnommen und neu auf einem Bild vereint. Besonders die beiden Figuren im Vordergrund scheinen nicht in die Gesamtkonstruktion der Malerei zu passen. Dies ist das Ergebnis der elektronischen Bildmanipulation, welcher Havekost die ursprünglichen medialen Bilder unterzieht. Insgesamt scheint in „Tief 1“ eine alltägliche Szene auf der Strasse wiedergegeben, bei näherem Betrachten verunsichert die Zusammenstellung der einzelnen Motive den Betrachter jedoch und wird auf diese Weise in seiner Wahrnehmung gestört.
Das zweite Bild dieses Diptychons – „Tief 2“ – lässt sich gegenständlich nicht identifizieren. Das abgebildete Motiv scheint stark herangezoomt und auf Grund dieser extremen Nahansicht nicht mehr erkennbar. Malerisch wird diese Darstellung in Form einer horizontalen Verwischung in Schwarz- und Rottönen realisiert, die das gesamte Bildfeld überzieht.
Die langgezogenen Streifen am oberen und unteren Bildrand auf dem zweiteiligen Werk – „Tief 1“ und „Tief 2“ – weisen auf einen Formataspekt hin, wie wir ihn von der Videotechnik her kennen, wo das Aufnahmeformat (die Bilddaten) dem Abspielformat (Bildschirm) nicht immer entsprechen. Dadurch wird der mediale Zusammenhang der Quelle und deren Transfer in andere Medien betont. Gleichzeitig wird eine Distanz zum Original geschaffen, indem sich die Abbildungen durch den Transfer und die (malerische) Manipulation von der Realität entfernt hat.
Der Betrachter des Werkes versucht vergebens einen Zusammenhang zwischen den beiden Bildern zu finden. Obwohl uns der Künstler durch Nahansichten auf Details hinzuweisen versucht, können diese inhaltlich nicht erfasst werden. Die beiden Darstellungen scheinen zwar zusammenzugehören, aber können nicht als zusammenhängend identifiziert werden. Die darstellerischen Mittel Havekosts, welche stets darauf abzielen, auf Details einer Szene oder eines Motivs zu verweisen – d.h. in die Tiefe zu gehen – werden mit der daraus resultierenden Unmöglichkeit einer klaren Identifizierung oder Interpretation der Werke konfrontiert.
Tamara Fullin