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Werkbeschrieb
Auf einer glatten Sperrholzplatte ist ein Vogelhaus in dunkler Holzbeize aufgemalt. Das dargestellte Objekt präsentiert sich im Sinne einer klassischen Zwei-Punkt-Perspektive übers Eck und vermittelt auf den ersten Blick eine geometrisch exakt eruierte Konstruktion. Werden die beiden Fluchtpunkte, die sich normalerweise bei einer Zwei-Punkt-Perspektive auf einer Horizontalebene treffen, jedoch nachgeprüft, so ergibt sich eine Darstellung mit wechselnder Perspektive: Weder kommen die Fluchtlinien an zwei klar definierten Orten zusammen noch liegen diese auf einer horizontalen Ebene. Die perspektivischen und subtilen Wahrnehmungswechsel irritieren das Auge und muntern es zu erneutem Schauen und Forschen auf.
Ausserdem wird das Beobachten durch das auf Sperrholz aufgetragene Motiv des Vogelhäuschens zusätzlich herausgefordert: Holz – ein beim Bau von Vogelhäusern bevorzugtes Material – wie auch dessen sichtbare Struktur bekräftigen die Annahme, es handle sich hierbei um ein reales Objekt. Zudem steigert die räumliche Erscheinung den Eindruck eines Reliefs, das die Echtheit unterstreicht und die gewohnte Sehweise provoziert. Mit dem Titel "Vogelhaus aus Holz" behandelt der Künstler Hugo Suter in einem Wortspiel die zur Frage stehende Wahrnehmung erneut.
Da der Hintergrund neutral bleibt und weder eine Landschaft oder ein Baum – an dem üblicherweise ein solches Häuschen befestigt ist – noch ein Vogel ausgemacht werden können, befindet sich das Vogelhaus in einem scheinbar schwerelosen Schwebezustand und kann ohne kulturell geprägtes Vorwissen auch nicht als solches gedeutet werden. Somit überlagert sich das visualisierte Objekt mit unserem Wissen über das Gesehene.
Das "Vogelhaus aus Holz" entsteht in der Zeit als Hugo Suter zusammen mit der Ateliergemeinschaft "Ziegelrain" arbeitet und vor allem Objektzeichnungen fertigt oder mit unterschiedlichen Materialien experimentiert. Die Arbeit zählt zu einer Serie ähnlicher Werke, in denen der Künstler die Seh-Wirkung mit Hilfe des Materials Holz erprobt: Einerseits malt er Objekte auf Holz – wie das Vogelhäuschen –, die an Intarsienarbeiten erinnern und einen Trompe l'oeil-Effekt hervorrufen, andererseits erforscht er mit Objektarbeiten wie "Architektur" von 1977 die Wirkung eines Vogelhauses in seiner Dreidimensionalität und im Raum. Alltägliche Gegenstände werden in ihren Beobachtungsfeldern ergründet, Stoffe neu entdeckt und neu gesehen.
Das Sehen und Beobachten spielt in Hugo Suters Arbeiten eine zentrale Rolle; seine Kunstwerke irritieren und verweisen auf die Ungleichheit von Wissen und Wahrnehmung.
Barbara Hatebur
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, 1981, Schenkung für Dauermitgliedschaft
Eingangsjahr:1981
Ausstellungsgeschichte
Hugo Suter, Aarau, Aargauer Kunsthaus Aarau, 28.08.1982 - 03.10.1982
Ateliergemeinschaft Ziegelrain, Aarau, Aargauer Kunsthaus, 19.08.2006 - 05.11.2006
Von früh bis spät. Bilder des Alltags aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, 04.03.2017 - 26.11.2017
Postkarten 2012
Erster Einblick: Von früh bis spät. Bilder des Alltag aus der Sammlung, 04.03.2017 - 26.09.2018
Alles echt!, Luzern, 29.02.2020 - 22.11.2020
Literatur
Aarau, Aargauer Kunsthaus (Ausst.-Kat.), Ziegelrain '67 - '75. Heiner Kielholz, Max Matter Markus Müller, Christian Rothacher, Hugo Suter, Josef Herzog, Jakob Nielsen, hrsg. von Stephan Kunz, mit Beiträgen von Stephan Kunz (et al.), Aarau: Aargauer Kunsthaus, 2006
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungsbilanz 11 Jahre - 1117 Werke - 211 Künstler und Künstlerinnen, Ergänzungsband 2 zum Sammlungskatalog, hrsg. von Martin Kunz, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1989
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Aarau, Aargauer Kunsthaus (Ausst.-Kat.), Hugo Suter. Aargauer Kunsthaus Aarau, hrsg. vom Aargauer Kunsthaus, mit einem Gespräch zwischen Theo Kneubühler und Hugo Suter, Aarau: Verlag Aargauer Tagblatt, 1982