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Werkbeschrieb
Das Ölgemälde zeigt eine Verehrung des Christuskindes durch die drei Magier, die hier – wie es uns vertraut ist – als Könige dargestellt sind. Unter einem einfachen Baldachin, der in einer antikisierten Architekturruine hängt, sitzt Maria mit ihrem Sohn auf mehreren Kissen. Zwei Magier huldigen dem Kind kniend und handküssend, während der dritte Magier, der in ein prachtvolles orientalisches Gewand gehüllt ist, Joseph die Gaben darreicht. Als Zeichen der höchsten Ehrerbietung haben die drei Herrscher die Kronen, ihre bedeutensten Machtinsignien, abgelegt. Am linken Bildrand über Ochs und Esel trotzen die Türme der Stadt Jerusalem, die Lücken der Geburtstätte gewähren einen Blick auf eine genrehaft anmutende Szene ganz im Bildhintergrund. Der unbekannte Künstler hat mit dem Monogramm „HB“ am untern Bildrand eine Spur hinterlassen, die bis anhin jedoch noch nicht identifiziert werden konnte.
Das dargestellte Ereignis schildert den Höhepunkt im Leben der Magier, um deren Herkunft und spätere Erlebnisse sich seit dem 4. Jahrhundert vor allem orientalische Legenden ranken. Gemäss dem Matthäusevangelium erkennen die Magier durch einen strahlenden Stern am Himmel eine Königsgeburt. Um nach dem Weg zu fragen, begeben sie sich an den Hof des Königs Herodes und werden von dessen Schriftgelehrten und Hohenpriestern nach Bethlehem gewiesen. Tief beunruhigt über die Geburt eines mächtigen Konkurrenten, bittet Herodes die Magier, ihm den genauen Aufenthaltsort des Neugeborenen mitzuteilen. Nachdem die Magier den Gottessohn gefunden und angebetet haben, befiehlt ihnen Gott im Traum, nicht zu Herodes zurück zu kehren. Dieser versucht daraufhin mit der Tötung aller Kinder in Bethlehem die Ermordung Jesu Christi zu erzwingen. Die Magierhuldigung zeigt also die Heilige Familie in einem Moment der Anerkennung vor der unmittelbar bevorstehenden Flucht nach Ägypten.
Wenn auch die Magierhuldigung als Bestandteil von volkstümlichen Bräuchen und als tradiertes Bildmotiv im europäischen Raum in der heute bekannten Ausgestaltung grosse Beliebtheit fand, waren zu Beginn der ersten Darstellungen in Katakomben und auf Sarkophagen im 3. Jh. weder Anzahl noch Ausstattung der Figuren klar definiert: Frühchristliche Magierfiguren kommen in variierender Zahl vor und tragen durchwegs orientalische Gewänder sowie phrygische Kopfbedeckungen. Später wird das exotische Moment vor allem auf die Darstellung eines dunkelhäutigen Magiers beschränkt. Vermutlich durch typologische Verknüpfungen mit den alttestamentarischen Textstellen im Psalm 72 und in Jesaja 60, 3, in denen gefordert und prophezeit wird, dass Könige dem göttlichen Herrscher Geschenke bringen, erhalten die Magier ihre königliche Konnotation. In der westlichen und byzantinischen Buchmalerei tragen sie seit circa 975 das erste Mal Königskronen, danach werden diese zum charakteristischen Attribut. Die sich durchsetzende Dreizahl korrespondiert mit den drei Gaben, welche sinnbildlich auf die Würden Christi bezogen werden: Gold für den königlichen Anspruch, Weihrauch für die göttliche Herkunft, Myrrhe für die Heilungskraft. Bei der vorliegenden Darstellung fällt auf, dass die Gaben nicht unverhüllt der Heiligen Familie dargeboten werden, sondern – ganz dem spätmittelalterlichen Darstellungskanon verpflichtet – in kostbare Gefässe eingefüllt sind. Der dunkelhäutige König übergibt ein Ziborium, wie es in der eucharistischen Liturgie zur Aufbewahrung der konsekrierten Hostien gebraucht wird.
Die wertvollen Geschenke kontrastierend, liegt eine einfache Ährengarbe auf dem abgenutzten Boden. In ihrer Positionierung und Schlichtheit öffnet sie ein weites Assoziationsfeld. In formaler Hinsicht vereinigt die Garbe, eine kreisförmige Bewegung nachempfindend, die Weihnachtskrippe hinter dem Baldachin und die abgelegte Krone im Bildvordergrund. Gleichzeitig verbindet eine diagonal verlaufende Fuge des Bodens die Garbe mit dem Monogramm des Künstlers, das sich in unmittelbarer Nähe zur Krone befindet. Symbolisch interpretiert verweist die Ährengarbe auf ein während der Flucht geschehenes Wunder. Die Kornfeldlegende erzählt, wie die Heilige Familie an einem Feld vorbeikommt, auf dem ein Bauer mit der Aussaat von Korn beschäftigt ist. Die Kriegsknechte des Königs sind schon in Reichweite, als plötzlich das Getreide in voller Höhe steht. Die Verfolger halten auf Grund der Auskunft des Bauern, die Flüchtenden seien zur Saatzeit vorbeigezogen, eine weitere Verfolgung für zwecklos. In Anlehnung an diese Begebenheit könnte die Garbe als vorgreifendes Sinnbild der erfolgreichen Flucht nach Ägypten verstanden werden. Eine weitere Deutungsmöglichkeit ergibt sich in Hinblick auf das Ziborium und seiner angestammten Funktion als Hostienbehälter. Die Weizengarbe wird häufig auf liturgischen Geräten dargestellt und versinnbildlicht die Hostie, die im eucharistischen Akt zum wahrhaftigen Leib Jesu Christi wird. Mit der formalen Nähe zur Krippe – erster Ruhe- und Berührungsort des Menschensohnes – lädt sich die Garbe nochmals stark mit der Körper-Christi Thematik auf. In diesen Kontext liesse sich auch der Sinn des intimen Körperkontaktes erklären, der sich mit dem Handkuss ergibt.
Auch wenn der Künstler bisher nicht identifiziert werden konnte, ist anzunehmen, dass die Tafel nördlich der Alpen entstanden sein wird. Der Handkuss als adorierende Geste ist besonders in Deutschland und den Niederlanden seit dem späten 14. Jahrhundert gängig. Als Motiv ist die „Magierhuldigung“ fester Bestandteil der neutestamentarischen Bildprogramme, kommt aber häufig auch selbstständig vor. Insofern kann man sich die Tafel im Kontext eines Christuszyklus, aber auch als singuläres Bild vorstellen.
Denise Frey
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Depositum der Stadt Luzern, 1956 von Ida Flersheim-Schlesinger, Luzern, zuhanden des Kunstmuseums
Eingangsjahr:1956
Provenienz/ Provenance
Wallraf-Richartz-Museum, Köln
Siegmund Adelmann, Köln, mind. bis 1927
Ida Flersheim-Schlesinger, Luzern 1927
Bibliografische Referenz/ Bibliographical References
- Auktionskatalog Cassirer/Helbing 1927: Sammlung Adelmann Köln.
Unmittelbare Quellen (Dokumente mit unmittelbarem Bezug zum Objekt)/ Primary Sources - «Verzeichnis der Legate von Frau Ida Flersheim», Stadtarchiv Luzern
- Hinweis auf Bildrückseite: «"Museum W-R/581 / Katal. 1888» , «W.R.M./1016»
Weitere konsultierte Quellen/ Further sources
• Stadtarchiv Luzern
• Heidelberger historische Bestände – digital (HHBD)
Zusammenfassung/ Conclusion
Das Gemälde gelangte als Schenkung der Ida Flersheim-Schlesinger 1956 in die Sammlung der Stadt Luzern. Die Gemälderückseite weist den Hinweis zu einem «Museum W-R» auf mit entsprechenden Signaturen. Über die Recherche im Stadtarchiv Luzern konnte das «Verzeichnis der Legate von Frau Ida Flersheim» gefunden werden. Darin war zum Gemälde des Brüsseler Meisters der Hinweis verzeichnet, dass dieses aus der Sammlung des Graf Adelmann in Köln stammt, und sich ehemals im Wallraf Richartz Museum befand. Durch die Recherche in den digitalen Heidelberger historischen Beständen liess sich der Auktionskatalog zur Versteigerung der Sammlung des Grafen Adelmann finden, die bereits 1927 durch Paul Cassirer und Hugo Helbing durchgeführt wurde. Zu unserem Gemälde wird auch dort auf das Wallraf Richartz Museum als Vorbesitzer verwiesen.
Kategorie A
Ausstellungsgeschichte
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Stille Nacht: Weihnachtsbilder aus fünf Jahrhunderten, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 06.12.2003 - 18.01.2004
Passagen und Relikte. Vom Holbein–Wandbild bis zu Meglingers Brückenbildern. Werke des 16. und 17. Jahrhunderts aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 06.03.2009 - 28.06.2009
Die Evangelien in der künstlerischen Darstellung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 24.02.2011 - 26.05.2011
Kunstnachlass Ida Flersheim, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 02.12.1956 - 06.01.1957
NEWS! Erwerbungen im Kontext der Sammlung , Luzern, 09.03.2019 - 16.06.2019
Literatur
Luzern, Stadt Luzern/Luzern, Kanton Luzern (Slg.-Kat.), Durchsicht. Aus dem Kunstbesitz von Kanton und Stadt Luzern, Luzern: Stadt Luzern, Kanton Luzern, 1983
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Reinle, Adolf, "Schöne Zeugen spätmittelalterlicher Frömmigkeit", in: Weihnachtspost der Luzerner Neueste Nachrichten, Nr. 297, 22.12.1956, S. 1-2