Luzerner Meister des 16. Jh.
Bildnis des Schultheissen Jakob von Hertenstein
1514
Öl auf Holz
46.7 x 38.6 x 7 cm
nicht bezeichnet
Kunstmuseum Luzern, Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Gottfried Keller-Stiftung, Bern und der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung
Inv.-Nr. E 54x
Kunstmuseum Luzern
informationen
Werkbeschrieb
Das Porträt zeigt den Luzerner Schultheiss Jakob von Hertenstein, geboren um 1460. Das Bild trägt rechts oben die Inschrift: „HER JACOB V HERTENSTEIN DISER ZIT SCHULTHEIS UND SECHKELMEISTER ZU LUZERN 1514“.
Der Abgebildete zeigt sich dem Betrachter im Dreiviertelprofil vor monochromem olivgrünem Hintergrund. Er schaut nachdenklich zum Bild heraus, in die Ferne. Als Kopfbedeckung trägt er eine rote Mütze. Die über der Stirn hochgeschlagene Krempe ist mit einer geflochtenen Kordel verziert. Das schulterlange Haar schaut unter der Mütze hervor und umrahmt ein volles rundliches Gesicht mit einer kräftigen Nase. Der verkniffene Mund mag auf die Willensstärke und Zielstrebigkeit des Porträtierten hindeuten. Am Kinn zeichnet sich der Ansatz eines Doppelkinns ab. Um den Hals trägt der Schultheiss eine einfache Kette aus Korallenkugeln, auf denen das von links oben kommende Licht reflektiert. Das warme Rot des Hemdes kontrastiert mit dem schwarzen Unterhemd und dem schwarzen Umhang, den er über dem roten Hemd trägt. Der Porträtierte wird in seiner Physiognomie nicht überhöht. Die markante Nase wird ebenso wenig beschönigt wie der etwas verbitterte Zug um den Mund oder die hohen Backenknochen und die leicht rosigen Wangen, die dem Gesicht einen leicht bäuerlichen Ausdruck verleihen.
Leider sagen die Quellen mehr über den Porträtierten als über den Maler aus. Jakob von Hertenstein gehörte zu einer alteingesessenen Luzerner Patrizierfamilie, die massgebend politischen und kulturellen Einfluss auf die Stadt ausübte. Jakob war 1476 unter dem Befehl seines Vaters bei den Schlachten von Murten und Grandson dabei. Er wurde durch seinen Kunstsinn, seine Verbindungen zu zahlreichen Adelsfamilien und seinen Beziehungen zu Königshäusern (unter anderem auch zu Kaiser Maximilian und zum König von Frankreich) zur herausragenden Figur seines Geschlechts. Seit 1485 sass er im luzernischen Grossen Rat und bekleidete öffentliche Ämter, ab 1487 im Kleinen Rat. Von 1516 bis 1522 war er Schultheiss in Luzern.
Durch seine Grossmutter, die aus Basel stammte, hatte er engen Kontakt mit der Stadt am Rhein. Seine erste Frau, die vermögende Veronika Seevogel, die er 1486 heiratete, war Baslerin. Durch weitere drei Ehen mit wohlhabenden Frauen verstand es Hertenstein, sein Vermögen stetig zu vergrössern und zu konsolidieren. Er starb 1527 und wurde in der Stiftskirche zum Hof beerdigt.
1510 kaufte Hertenstein von der Stadt Luzern ein altes Gebäude bei der Peterskapelle. Auf dem Gelände an bester Lage liess er einen Neubau errichten und beauftragte die Familie Holbein, die er durch seine Familienbezüge nach Basel kennengelernt haben mag, mit den Malereiarbeiten an der Fassade und den Innenräumen. Nach heutiger Forschungslage hat der Vater, Hans Holbein d. Ä. (um 1465–1524), den Auftrag angenommen und hauptsächlich die Innenräume gestaltet (vgl. KML G 699), sein Sohn Hans Holbein d. J. (1497–1543) die Fassade des Hauses (vgl. KML 27x).
Das Bild des Jakob von Hertenstein ist nicht signiert. Theodor von Liebenau schreibt es in seiner „Geschichte der Familie Hertenstein“ (1888) noch eindeutig Hans Holbein d. Ä. zu. Er begründet dies mit einer Skizze von Hans Holbein, „Skizze eines vornehmen Mannes“, die mit einem Wappen verziert sein soll, das dem Hertenstein-Wappen auffällig ähnlich sei. Ausserdem befinde sich auf der Rückseite des Gemäldes von Jakob von Hertenstein eine mit Bleistift überschriebene Inschrift „H. Holbein P. 1514“. Diese Inschrift fehlt heute ganz. Tatsache ist aber, dass Jakob von Hertenstein die Werkstatt Holbeins nicht nur mit der Ausmalung seines Hauses beauftragte sondern den jüngeren Holbein mit der Verfertigung zumindest eines Porträts. Es zeigt den Sohn Benedikt von Hertenstein aus der Verbindung mit Hertensteins zweiter Ehefrau Anna Mangold (1495–1522). Dieses 1517 datierte Porträt befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York. Das Wenige, das wir über die Entstehungsgeschichte des Porträts von Jacob von Hertenstein einerseits und über die Biografie Hans Holbeins d. Ä. andererseits wissen, lässt eine Zuschreibung an Letzteren kaum zu. Die hohe Qualität des Bildes deutet aber auf einen Maler hin, der sein Handwerk verstand. Das Entstehungsjahr und die Situation um den Auftraggeber lassen vermuten, dass er zumindest im Umkreis der Holbeinfamilie zu suchen ist.
Béatrice Cotter
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Gottfried Keller-Stiftung, Bern und der Stiftung BEST Art Collection Luzern, vormals Bernhard Eglin-Stiftung
Eingangsjahr:1933
Ausstellungsgeschichte
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
L'art Suisse des origines à nos jours, Genf, Musée d'art et d'histoire
Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 03.03.1940 - 31.12.1940
Die Erwerbungen der Bernhard-Eglin-Stiftung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 15.12.1935 - 08.01.1936
Meisterwerke der Gottfried Keller-Stiftung. Schweizer Kunst aus neun Jahrhunderten, Zürich, Kunsthaus Zürich, 10.06.1965 - 21.07.1965
Eröffnungsausstellung, Luzern, Kunsthaus Luzern, 10.12.1933 - 01.03.1934
Passagen und Relikte. Vom Holbein–Wandbild bis zu Meglingers Brückenbildern. Werke des 16. und 17. Jahrhunderts aus der Sammlung, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 06.03.2009 - 28.06.2009
Literatur
Lichtin, Christoph, "Bernhard Eglin and the first years of the Bernhard Eglin Foundation", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 20-27
Lichtin, Christoph, "Bernhard Eglin und die ersten Jahre der Bernhard Eglin-Siftung", in: Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli 2008, S. 11-19
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Schweizer Meister / Swiss Masters. Publikation zum 75-Jahr-Jubiläum der Bernhard Eglin-Stiftung / Publication for the 75-year Jubilee of the Bernhard Eglin Foundation, hrsg. von Peter Fischer und Christoph Lichtin, Luzern: Kunstmuseum Luzern; Bern: Benteli, 2008
Landolt, Hanspeter, Sammeln für die Schweizer Museen. Gottfried Keller-Stiftung. Collectionner pour les musées suisses. Fondation Gottfried Keller. Collezionare per i musei svizzeri. Fondazione Gottfried Keller. 1890–1990, mit Texten von Hugo Wagner (et al.), Bern: Benteli, 1990
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Reinle, Adolf, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern. Band III. Die Stadt Luzern: II. Teil, Basel: Birkhäuser, 1954 (Die Kunstdenkmäler der Schweiz 31)
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Hauptwerke der Museen Winterthur und Luzern, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1940
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Alte Kunst der Innerschweiz. Plastik und Malerei, XIV.-XVI. Jahrhundert, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1936
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Die Erwerbungen der Bernhard-Eglin-Stiftung, mit einem Vorwort von Paul Hilber, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1935
Luzern, Kunsthaus Luzern (Ausst.-Kat.), Katalog der Eröffnungsausstellung, Luzern: Kunsthaus Luzern, 1933
Hugelshofer, Walter, "Einige Luzerner Maler im I. Viertel des 16. Jahrhunderts.Ein Beitrag zur Geschichte der spätgotischen Malerei der Innerschweiz", in: Der Geschichtsfreund, Bd. 83, 1928,
von Liebenau, Theodor, Hans Holbein d. J. Fresken am Hertenstein-Hause in Luzern nebst einer Geschichte der Familie Hertenstein., Luzern: Verlag von C.F. Prell, 1888