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Werkbeschrieb
In der zweiten Hälfte der 1920er wie auch zu Beginn der 1930er Jahre entsteht die wichtige Gruppe der Porträts und Figurenbilder. Dazu gehören Messdiener, Köche, Kellner, Hotelangestellte und Zimmermädchen, die Chaim Soutine in den meisten Fällen in frontaler Ansicht malt.
Etwas unbeholfen platziert Soutine die stehende Frauenfigur mit den übereinander gelegten Händen vor dem Schoss in den leeren Bildraum. Sie erstreckt sich über die ganze Leinwand und wird dem überlangen schmalen Bildformat angepasst. Vom Bildhintergrund ist daher kaum etwas zu sehen. Schüchtern und mit traurigem Gesichtsausdruck steht das Zimmermädchen vor uns: Bekleidet mit einem fleischtonigen Arbeitsrock, der mit dem rosigen Farbton ihrer Gesichtshaut korrespondiert, und einer weissen Arbeitsschürze.
Die Uniformierung, die das Rollenverhalten in der Gesellschaft festschreibt, wird von Soutine als ein Unterdrückungsinstrument dargestellt, das dem einzelnen Menschen zwar die Individualität nicht ganz raubt, aber eine lebendige persönliche Entfaltung verunmöglicht. Soutines Darstellungen dieser Bedientesten wirken auch in der merkwürdigsten Verzerrtheit nie als Karikatur. Sein Gefühl des Verständnisses für den einzelnen Menschen ist in jedem Bild spürbar – so auch beim „Zimmermädchen“. Diese Bildmotive werden später von anderen Künstlern übernommen wie zum Beispiel vom Schweizer Maler Varlin, bei dem auch der menschliche Aspekt wichtig bleibt.
gekürzter und überarbeiteter Katalogtext von Martin Kunz, 1983
Provenienz
Kunstmuseum Luzern
Eingangsjahr:1936
Ausstellungsgeschichte
Chaim Soutine, London, Hayward Gallery, 14.07.1982 - 22.08.1982
Chefs-d'oeuvre des collections suisse de Manet à Picasso, Paris, Orangerie des Tuileries
1933-1993. 60 Jahre Kunstmuseum Luzern im Meili-Bau, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 20.04.1993 - 02.05.1993
Signale, Manifeste, Proteste, Recklinghausen, Städtische Kunsthalle
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Französische Malerei von Delacroix bis Picasso, Wolfsburg, Stadthalle Wolfsburg, 08.04.1961 - 31.05.1961
Cent tableaux de Soutine, Paris, Galerie Charpentier
XXXI Salon de Montrouge. Art Contemporain. Peinture, sculpture, dessin., Montrouge, Salon de Montrouge, 24.04.1986 - 28.05.1986
Schenkung Minnich 1937
Documenta III. Internationale Ausstellung, Kassel, Alte Galerie, 27.06.1964 - 05.10.1964
Chaim Soutine, Münster, Westfälisches Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte, 13.12.1981 - 28.02.1982
Chaim Soutine, Chartres, Musée des Beaux-Arts de Chartres, 29.06.1989 - 30.10.1989
Chaim Soutine, Tübingen, Kunsthalle Tübingen, 26.03.1982 - 31.05.1982
Soutine, New York, Museum of Modern Art, 31.10.1950 - 07.01.1951
Das Recht des Bildes. Jüdische Perspektiven in der modernen Kunst, Bochum, Museum Bochum, 21.09.2003 - 04.01.2003
Peinture moderne française et suisse française, Montreux, Casino Montreux, Société de Développement de Montreux
"Wühlen in Farben, Wälzen in Klängen". Schenkung Minnich, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 18.10.2002 - 27.04.2003
Literatur
Paris, Musée d'Orsay (Ausst.-Kat.), Chaïm Soutine, Paris: Musée d'Orsay, 2012
Greschat, Isabel/Lichtin, Christoph (Hrsg.), Pechstein, Melzer, Soutine, Terechkovitch. Der Sammler Walter Minnich und das Kunstmuseum Luzern, Heidelberg: Kehrer; Luzern: Kunstmuseum Luzern, 2006
Dunow, Esti/Perls, Klaus/Tuchman, Maurice, Chaim Soutine (1893-1943). Werkverzeichnis, hrsg. von Esti Dunow, Guy Loudmer, Klaus Perls, Maurice Tuchman, Köln: Taschen, 1993
Lepik, Andres, "Entdeckt, verschätzt, missdeutet. Der Maler Chaim Soutine (1893-1943)", in: Neue Zürcher Zeitung, 11./12. Dezember 1993, Nr. 289, S. 62
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Chaim Soutine, mit Texten von Ernst-Gerhard Güse und Martin Kunz, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1982
Münster, Westfälisches Landesmuseum/Tübingen, Kunsthalle Tübingen/London, Hayward Gallery/Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Chaim Soutine, 1893-1943, hrsg. von Ernst-Gerhard Güse, Münster: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte; Stuttgart: Hatje Verlag, 1981
Courthier, Pierre, Soutine. Peintre du déchirant, hrsg. von Pierre Courthier, Lausanne: Edita; Paris: Denoël, 1972
Paris, Galerie Charpentier (Ausst.-Kat), Cent Tableaux de Soutine, mit Texten von Marcellin Castaing, Waldemar George und Raymond Nacenta, Paris: Galerie Charpentier, 1959
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958