Beat Streuli hat ein spezifisches Thema, das er seit Jahren verfolgt: er fotografiert die Grossstadt. Sei dies in Rom, Paris, London, New York, Wien oder Tokjo, er hält die Orte mit seiner Kamera fest und stellt die Bilder als grossformatige Fotoserie oder als Diaprojektionen im Museum oder seit einiger Zeit auch im öffentlichen Raum aus. Dabei ist es nicht die Stadt als solche mit ihren architektonischen Sehenswürdigkeiten, die ihn interessiert, sondern ihre Menschen. Er fotografiert sie jedoch weder in ihrem Arbeits- noch Wohnort, sondern auf der Strasse.
Streuli mischt sich als „Flaneur“ unter die anonyme Menschenmenge. Er geht dabei immer auf Distanz, macht die Fotos heimlich, unbemerkt. Eine solche Fotoserie entstand zwischen 1991 und 1993 während Aufenthalten Streulis in New York, die er 1993 in der Einzelausstellung „Beat Streuli. Projektionen und Fotografien NYC 1991/93“ im Kunstmuseum Luzern zeigte. Zwei der Arbeiten wählte er aus, um kleinere Abzüge davon als Edition begleitend zur Ausstellung herzustellen.
„Ohne Titel (Mädchen in Jeansjacke“) zeigt zwei junge Frauen, die Jeansjacken tragen und miteinander zu kommunizieren scheinen, „Ohne Titel (Mädchen mit Ohrring)“ drei Personen, die sich in dieselbe Richtung bewegen, jedoch miteinander keinen Kontakt aufnehmen. Die Bilder sind typisch für Streulis fotografische Arbeiten. So ist das Sujet immer ähnlich; meist handelt es sich um eine Person, manchmal jedoch um zwei oder drei. Meist sind es junge, vom Leben noch weitgehend ungezeichnete Menschen, die er darstellt, tendenziell eher Frauen als Männer. Er zeigt sie vorwiegend als Halbfigurenporträts vom Kopf bis zur Hüfte, im Querformat. Die Bilder zeichnen sich zudem durch grosse Kontraste aus: einerseits fotografiert er in gleissendem Sonnenschein und erhält so grosse Unterschiede zwischen Hell und Dunkel, andererseits entstehen durch den Gebrauch des Teleobjektives beträchtliche Unterschiede zwischen Schärfe und Unschärfe. Beides ist in unseren Werken sehr gut zu sehen. Grelles Licht hebt die scharf gezeichneten Gesichter und Kleidungsstücke der Mädchen hervor, während der Hintergrund in tiefstem Schwarz versinkt und so aus der alltäglichen Szene ein rätselhaftes, zeitloses Bild macht.
Sylvia Rüttimann