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Werkbeschrieb
Ab Juni 1860 weilt der abenteuer- und reisefreudige Frank Buchser bereits zum dritten Mal in Spanien, wo er zunächst in Medina Sidonia, dann in Sevilla arbeitet. Der "Ritt nach dem Markt von Sevilla" dürfte kurz vor seiner Abreise nach London entstanden sein, wohin er die gesamte spanische Ausbeute transferiert, zu Recht auf eine finanzkräftige grossbürgerliche Kunstklientel hoffend.
Buchser siedelt die Genreszene im gebirgigen Hochland Andalusiens an. Am vorderen Bildrand quält sich ein schwer beladener Esel in der spanischen Mittagssonne eine kleine Anhöhe hinauf. Neben der Ware, bestehend aus mehreren Decken, Hühnern und zwei wuchtigen aufgerollten Teppichen aus Spartogras, transportiert das Tier zwei Gestalten zum Markt von Sevilla. Der Espartohändler, ein wettergegerbter Andalusier mittleren Alters, trägt ein weisses Hemd, eine fleckige blaue Hose mit Gamaschen und roter Schärpe und eine braune, ungemein stofflich gemalte Wolljacke. Auf dem Kopf balanciert er einen schief aufgesetzten, breitkrempigen Sombrero, so dass darunter ein rot gemustertes, im Nacken zusammengeknüpftes Kopftuch hervorlugt. Selbstsicher hat er seine Rechte in die Hüfte gestemmt, während er in der anderen Hand nachlässig die Gerte für den Esel hält. Hinter ihm sitzt eine junge Frau in einem blau-roten Kleid und einem hellen Kopftuch. Der vom Künstler auf der Leinwandrückseite angebrachten Inschrift zufolge ist sie seine Tochter. Die junge Frau befindet sich offensichtlich in heiratsfähigem Alter, weshalb sie fälschlicherweise oft für die Ehefrau des älteren Händlers gehalten wird. Vater und Tochter wenden ihre Blicke einem jungen Burschen zu, der auf einem etwas klein geratenen Esel aus anderer Richtung zu ihnen stösst. Obwohl die Gesichter aller drei Protagonisten teilweise verdeckt werden oder im Schatten liegen, scheint der anekdotische Inhalt des Bildes klar zu sein: Der Junge sucht hoffnungsvoll lächelnd den Blickkontakt mit dem Mädchen, den diese hinter dem Rücken ihres Vaters gewährt. Der alte "Espartero", der in punkto Grösse und Position den eigentlichen Mittelpunkt des Gemäldes bildet, scheint dem Jungen durchaus wohlgesinnt zu sein, auch wenn seine Körperhaltung und die leicht zusammengekniffenen Augen klar machen, dass eine allfällige Beziehung der beiden nur mit seinem ausdrücklichen Einverständnis in die Wege geleitet werden kann.
Das Gemälde lebt von den äusserst stofflich wiedergegebenen Details, wie beispielsweise dem geschmückten Halfter und den bemalten Scheuklappen des einen Esels, die gleichzeitig von Buchsers Interesse für das Folkloristische zeugen. Das Kolorit ist gedämpft und bewegt sich zwischen erdigen Brauntönen und einem gebrochenen Blau. Aufgelockert wird es durch verschiedene rote Akzente in Weste, Schärpe, Kopftuch, Hühnerkämmen, Halfter, Bluse und Ohrringen. Den Eindruck von Hitze und Trockenheit verstärkend, liegt ein zarter gräulicher Schleier über dem Gemälde, gleichsam als hätte der Esel den Staub der Strasse aufgewirbelt.
Nicht seines anekdotischen Gehalts wegen, sondern hauptsächlich hinsichtlich seiner lichtmalerischen Qualitäten, die "den Beschauer in den heissen Süden" versetzen und ihn "die Glut eines Sommertages so recht mitempfinden lassen", wurde das Gemälde in der zeitgenössischen Presse gelobt. 1864 wurde es mittels Bundesbeiträgen vom Schweizerischen Kunstverein erworben und zu Sammlungszwecken an die Luzerner Kunstgesellschaft übergeben. Frank Buchser war somit einer der ersten Künstler, der in den Genuss einer durch den Bund subventionierten Kunstförderung kam, nota bene einer Kunstpolitik, die der Maler selbst initiiert hatte.
Regine Fluor-Bürgi
Provenienz
Kunstmuseum Luzern, Mit Hilfe der jährlichen Bundessubvention zur Förderung der Kunst für die Summe von CHF 2'500 erworben; Turnusausstellung
Eingangsjahr:1864
Ausstellungsgeschichte
Frank Buchser 1828-1890, Solothurn, Kunstmuseum Solothurn, 09.06.1990 - 16.09.1990
PROJEKT SAMMLUNG. Meisterwerke des 16. bis 20. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 26.06.1994 - 11.09.1994
Frank Buchser, 1828-1890, Zürich, Kunsthaus Zürich, 06.09.1928 - 30.09.1928
Frank Buchser 1828–1890, Thun, Kunstsammlung der Stadt Thun, Thunerhof, 17.06.1967 - 13.08.1967
Wir Tiere (Comme des bêtes). Bär Schwein, Katze und Co, Lausanne, Musée cantonal des Beaux-Arts, 28.03.2008 - 22.06.2008
Modell für ein Museum. Werke aus der Sammlung, mit der integralen Schenkung Minnich, dazu ein "Bilderzimmer" von Anton Henning und Allan Porters "I Am a Museum", Luzern, Kunstmuseum Luzern, 21.10.2006 - 11.02.2007
La collection retrouvée. Von Füssli bis Hodler: Meisterwerke aus der Sammlung des Kunstmuseums Luzern, Luzern, Kunstmuseum Luzern, 25.07.1993 - 26.09.1993
Karneval der Tiere Tierdarstellungen aus der Sammlung, Luzern, 24.02.2018 - 06.01.2019
Sehnsucht nach der Fremde
Literatur
Lausanne, Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne (Ausst.-Katalog)/Fibicher, Bernard, Comme des bêtes. Ours, chat, cochon & Cie, hrsg. von Bernard Fibicher/Laura Maggioni/5 Continents Editions Mailand, mit Texten von Bernard Fibicher (et al.), Lausanne: Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne, 2008
Athens, Georgia Museum of Art (Ausst.-Kat.), Frank Buchser. A swiss artist in America, 1866-1871, hrsg. von William U. Eiland und Laura Mullins, mit Texten von Rudolph P. Byrd (et. al.), Athens: Georgia Museum of Art, 1996
Bühlmann, Karl, "175 Jahre Kunstgesellschaft Luzern.", in: Luzerner Neuste Nachrichten, Beilage, 23. Juni 1994, S. 1-7
Marfurt-Elmiger, Lisbeth, Frank Buchser als Kunstpolitiker, mit Beiträgen von Lisbeth Marfurt-Elmiger und Matthias Vogel, Solothurn: Kunstmuseum, 1990
Solothurn, Kunstmuseum Solothurn (Ausst.-Kat.), Frank Buchser, 1828-1890, mit Essays von Roman Hollenstein und Petra ten-Doesschate Chu, Einsiedeln: Eidolon, 1990
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Slg.-Kat.), Kunstmuseum Luzern. Sammlungskatalog der Gemälde, mit Texten von Tina Grütter, Martin Kunz, Adolf Reinle, Beat Wyss und Franz Zelger, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1983
Marfurt-Elmiger, Lisbeth, Die Luzerner Kunstgesellschaft 1819-1933, hrsg. von der Stadt Luzern, Luzern: Kommissionsverlag Keller & Co, 1978
Thun, Kunstsammlung der Stadt Thun (Ausst.-Kat.), Frank Buchser 1828-1890, Thun: Kunstsammlung der Stadt Thun, 1967
Reinle, Adolf, Das Luzerner Kunstmuseum. Ein Führer durch die Sammlung, hrsg. vom Stadtarchiv Luzern und einer vom Stadtrat bestellten Kommission, Luzern: Kommissionsverlag Eugen Haag, 1958
Wälchli, Gottfried, Frank Buchser. Persönlichkeit - Leben - Kunst, Bern: Paul Haupt, 1956 (Schweizer Heimatbücher 77/78)
Wälchli, Gottfried, Frank Buchser 1828-1890. Leben und Werk, Zürich: Orell Füssli, 1941 (Monographien zur Schweizer Kunst 9)
Luzern, Kunsthaus Luzern (Ausst.-Kat.), Katalog der Eröffnungsausstellung, Luzern: Kunsthaus Luzern, 1933
Zürich, Kunsthaus Zürich (Ausst.-Kat.), Frank Buchser, 1828-1890, Zürich: Kunsthaus Zürich, 1928
Coulin, Jules, Frank Buchser, 1828-1890. 23 Kupferdrucke nach Ölbildern und Studien, mit einer Einführung von Jules Coulin, Erlenbach-Zürich: Rentsch, 1928
Abt, Roman, Geschichte der Kunstgesellschaft in Luzern von der Gründung bis 1920. Festschrift zur Jahrhundertfeier, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1920
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Slg.-Kat.), Katalog der Kunstwerke in Rathaus in Luzern, Luzern: Kunstgesellschaft Luzern, 1916
Hablützel, A., Festschrift zum 100 jährigen Jubiläum des Schweizerischen Kunstvereins 1906–1906, Winterthur: G. Binkert, 1906
Luzern, Kunstgesellschaft Luzern (Slg.-Kat.), Catalog der Gemälde-Sammlung der Kunstgesellschaft in Luzern, Luzern: Verlag der Kunstgesellschaft, 1905