Dias & Riedwegs Arbeiten sind oft in Südamerika, ja in Rio de Janeiro selbst realisiert worden – aber nicht ausschliesslich. Denn sie sind keine südamerikanischen Künstler, sie sind vielmehr überall auf der Welt eingeboren. In der Serie «Kleine Geschichten von Bescheidenheit und Zweifel» (2011-2014) nehmen Dias & Riedweg uns mit in ihre Stadt und zeigen in vier Kapiteln alltägliche Szenen aus Südamerika. So führen sie uns nachts auf einen hellbeleuchteten Fussballplatz («Peladas noturnas», 2012), in einen Vergnügungsparkt («Sábado à noite no Parquinho», 2011), durch das sich vom Zentrum zu seinen Rändern hin verändernde Rio («O Espelho e a Tarde», 2011). Der Spaziergang dieser letzten kleinen Geschichte von Bescheidenheit und Zweifel zeigt die Metropole fragmentiert und vermittelt das Lebensgefühl in dieser Stadt gerade deshalb so eindrücklich. Die Handlung ist einfach, wenn nicht gar simpel, doch die Metapher ist komplex: Ein junger Mann schreitet mit einem Spiegel unter dem Arm vom Stadtzentrum aus in seine Favela hinauf. Der Spiegel reflektiert die umliegende Stadt, die bunten Gassen. Es sind also sowieso immer schon zwei Bilder im Bild zu erkennen. Dias & Riedweg steigern die Komposition, indem sie dieses Bild mit zwei weiteren Projektionen überlagern. Das projizierte Rechteck ist kein Mono-Channel, sondern eine Dreifach-Projektion. Die farbigen Sprengsel, die Bilder im Bild zu erkennen ist anspruchsvoll, verwirrend und gleichzeitig sehr sinnlich. Sein Weg führt den jungen Mann mit dem Spiegel von der hektischen Innenstadt durch die verwinkelten Gassen über steile Stufen in die Favela oben am Hang mit Sicht auf Rio. Dabei sind die städtebaulichen Bemühungen erkennbar, mit denen die raueren Aussenbezirke dank neuer Treppen erschlossen und gezähmt werden sollen. Eine in ihrer Farbigkeit vielleicht tatsächlich südamerikanische Arbeit, die die Vertrautheit der Künstler mit der Stadt Rio klar belegt.
Fanni Fetzer