Auf der Zeichnung ist ein Auto zu sehen, das diagonal gestellt aus der Bildfläche zu fahren scheint. Darüber befindet sich eine architektonische Struktur, die auch die Form einer überdimensionierten Strassenlaterne besitzt. Ein gerader Strich quer darüber erscheint, als ob der Künstler seinen zeichnerischen Entwurf als ungültig erklären will. Das Umfeld dieser beiden Objekte ist mit schwungvollen Strichen markiert, Hintergrund oder Dynamik anführend.
Das Blatt gehört zur "Transparent Kindergarten Above Streets"-Serie, die in einem Zeitraum von zwei Jahren entstanden ist und rund zwanzig Zeichnungen umfasst. Mit ihnen hat der Künstler begonnen, sich mit dem deutschen Pädagogen Friedrich Froebel (1782–1852) auseinanderzusetzen. Froebel war Schüler Pestalozzis und hat mit der Erfindung des Kindergartens neue Massstäbe in der Erziehung von Kindern gesetzt. Estermann begreift den geschützten Hort des kindlichen Lebens, in dem gerade auch die kreativen Fähigkeiten von Kindern gefördert werden sollen, nicht nur als Paradies, sondern auch als ein von Erwachsenen geschaffener Ort, in dem Kinder räumlich von der übrigen, der Erwachsenenwelt, bewusst weggeschlossen werden. Der Titel weist auf die unterschiedlichen Formen dieser "Gärten" hin, die unsichtbar ("transparent") und sich bisweilen nahe (unter Umständen) gefährlicher Strassen ("streets") befinden. Die Komplexität des künstlerischen Denkens erweist sich hier als kritische Instanz, verbindet sie doch das vermeintlich Harmlose mit der Brutalität des Alltags.
Susanne Neubauer