Das Blatt zeigt einen bewaldeten Hügel, an dessen Fuss Felsen liegen. Die Bäume sind zahlreich und fein gezeichnet, ohne jedoch mit Hilfe von Schatten eine Dramaturgie erhalten zu haben. Robert Zünd reduziert sein Motiv auf den Baum. Auch hier haben wir eine typische Baumstudie vor Augen, wie sie Zünd Zeit seines Lebens in zahlreichen Variationen im Naturstudium anfertigen wird. Der gut zwanzigjährige Maler hat 1850 seine Ausbildungen in den Ateliers der Landschaftsmaler François Diday und Alexandre Calame beendet und ist soeben von einem Studienaufenthalt in München zurückgekehrt. In der Isarmetropole will Zünd anfänglich länger bleiben und sich dem Figurenstudium widmen, da ihm die Stadt jedoch nicht zusagt, bricht er sein Vorhaben ab und kehrt nach Luzern zurück.
Zünd ist für sein reiches zeichnerisches Œuvre bekannt. Abgesehen von Baumstudien existieren freihändige Landschafts- und Wolkenstudien, die meist mit Ort, Datum und Angaben zur Witterung bezeichnet sind und in ihrem Detailreichtum von schneller Skizze bis zum ausgezeichneten Blatt variieren. Diese Zeichnungen unterscheiden sich von den Vorstudien, die Zünd dazu dienten, sich einer Bildkomposition zu nähern. Sie sind in der Regel Tuschezeichnungen, bisweilen laviert und quadriert. Als dritte Kategorie könnte man Zünds Skizzenbüchlein anführen, die er sparsam bis an die Ränder mit Kleinstbildchen gefüllt hat.
Susanne Neubauer