Michael Buthe, 33 Entries
Michael Buthe wird am 1. August 1944 in Sonthofen im deutschen Allgäu geboren, seine Kindheit und Jugend verbringt er im ostwestfälischen Höxter. 1964 beginnt Buthe das Studium in angewandter Malerei und Gestaltungslehre an der Werkkunstschule in Kassel, zugleich zeigt er anlässlich einer ersten Atelierausstellung in Höxter seine ersten Werke. Ab 1965 studiert der junge Künstler drei Jahre an der Staatlichen Hochschule der Bildenden Kunst in Kassel, wo er die Klasse des documenta-Begründers Arnold Bode besucht. In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre schafft Buthe zumeist auf wenige Linien und Striche reduzierte Papierarbeiten oder plastische Objekte aus Holz, Stoff, Pappe oder Kordeln, die sich an die Denkkonzepte der Arte Povera anlehnen. In dieser Schaffensphase entstehen beispielsweise seine wild aufgeschlitzten Leinwände (vgl. KML 2009.91x), die in ihrer Auseinandersetzung mit dem Bildträger und dessen Konstruktion auch einen – mitunter durch die politischen Ereignisse der Zeit bedingten – Bruch mit der ästhetischen Konvention des tradierten Leinwandbildes markieren. 1969 nimmt Buthe an der Ausstellung „When Attitudes become form“ teil, Harald Szeemann zeigt in der Berner Kunsthalle Buthes Arbeiten mit zerrissenen und genähten Tüchern. Im selben Jahr trifft der Künstler anlässlich der Ausstellung „prospekt 69“ erstmals den Berner Galeristen Toni Gerber, der in Düsseldorf Jean-Frédéderic Schnyder und Markus Raetz ausstellt und mit dem Buthe in den kommenden Jahren einen intensiven Briefwechsel unterhält (vgl. KML 2004.18y).
Buthes Arbeiten aus den späten 1960er Jahren zeugen von einer Schlichtheit und einer fast spröden Sinnlichkeit, ein Charakteristikum das jedoch mit seiner ersten Reise nach Marokko im Frühjahr 1970 aufgebrochen wird. Von nun an führt Buthe das Leben eines Nomaden, er pendelt zwischen Orient und Okzident, zwischen dem deutschen Rheinland und dem Maghreb. Er versucht sich mit ersten farbigen Zeichnungen. Im marokkanischen Fez ist er vom Handwerk der Färber fasziniert; seine bis anhin zumeist puristisch anmutenden, selbst eingefärbten Tücher und Stoffe erhalten nun eine opulente, fast märchenhafte Farbigkeit. Für sein weiteres Schaffen sind die Farben zentral, erweitert wird seine Palette durch die intensive Verwendung von Gold und Silber. Farben sind für Buthe sowohl Träger eines Repertoires von symbolischen Bedeutungen aus der östlichen und westlichen Kulturgeschichte als auch Ausdruck subjektiver Empfindungen: „Wenn ich mich gut fühle, benutze ich Gold. Gold ist keine Farbe, sondern ein Glückszustand“ – so der Künstler.
Ebenso zentral wie die Farben sind die Bildträger und die Materialien, derer sich Buthe bedient. Ein mit Rosenblätter, Wachs und Goldbronze bedeckter Holzkeil visualisiert die Aspekte der Veränderung und der Vergänglichkeit, die seinem Werk immanent sind und zeugt im weitesten Sinne auch von der Fragilität von Buthes Kosmos. Collagen (vgl. beispielsweise KML 2006.37y) aus Fotografien, Blütenblättern, Goldpapier, Federn und Pailletten oder Objekte mit integrierten afrikanischen Masken, persischen Pferdedecken oder marokkanischen Stoffsandalen zeugen von Buthes angestrebter Durchdringung von Kunst und Leben und von seiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Bild des Orients. Der Künstler wendet sich in einer Zeit dem Orient zu, in der die Kunstwelt kaum über die europäischen Grenzen hinaus blickt, zugleich jedoch eine junge Generation im Fahrwasser der 68er-Bewegung und der Aufwertung der Phantasie vom orientalischen Leben träumt und sich hierbei wohl nicht nur an der üppigen Farbenpracht berauscht. Buthes Reisen in den Maghreb, nach Nigeria, Persien oder Afghanistan nähren sich jedoch kaum aus einer blossen Faszination für Exotik oder aus einem Anspruch, das „Andere“ in Besitz nehmen zu wollen, sondern vielmehr aus einem echten Interesse an anderen Kulturen. Dazu bemerkt Buthe 1991: „Wenn ich reise, tue ich das ja nicht, um irgendwie auszuflippen, sondern die Länder, in die ich fahre, interessieren mich, vor allem die Menschen.“ In Werken wie sein 1971 in der Galerie von Toni Gerber und 1972 auf der documenta V in Kassel gezeigtes Environment „Hommage an die Sonne“ kreiert er mit Farbe, Ornamentik und Opulenz ein stereotypisiertes Orientbild, das gerade wegen dieser Überzeichnung den kanonisierten westlichen Blick auf den Orient unterläuft und in seiner Verzerrtheit entlarvt. Inspiriert durch eine Reise nach Benin – ein „Königreich im Dschungel“ schreibt Buthe im April 1973 an Gerber – konzipiert er das mythische Environment „Le Dieux de Babylon“, das als erste grosse Einzelausstellung 1973 im Kölnischen Kunstverein und 1974 im Kunstmuseum Luzern gezeigt wird.
1976 erhält Buthe den Kunstpreis der Villa Romana und verbringt ein Jahr in Florenz. In dieser Zeit intensiviert der Künstler sein Schaffen an grossformatigen Papierarbeiten, auf denen er direkt dem menschlichen Körper nachgezeichnete Silhouetten festhält. Nach der Rückkehr aus Florenz präsentiert Buthe an einer Lesung in Köln seine Erzählung „Die wundersame Reise des Saladin Ben Ismael“. Geschrieben auf einer Fahrt von Florenz nach Köln, konstruiert die Geschichte eine exotische Phantasiewelt und macht deutlich, dass sich Buthes Auseinandersetzung mit der Kunst und dem Leben und letztlich auch das Kokettieren mit der westlichen Sichtweise auf den Orient nicht auf sein gestalterisches Œuvre beschränkt. 1977 zeigt er auf der documenta VI seine gemalten und collagierten Tagebücher. Begonnen als kleinformatige Bändchen in den 1960er Jahren, entwickelten sich seine persönlichen Aufzeichnungen immer mehr zu monumentalen Folianten. Seine Worte werden immer mehr zu Bildern, die in ihrer Form als wahre Assemblagen ebenso auf sein künstlerisches Schaffen verweisen wie sie sie davon zeugen, dass dieses genuiner Bestandteil seines Lebens ist. In diesem Sinne offenbaren sowohl Buthes gestalterische Arbeiten als auch seine persönlichen Aufzeichnungen die für ihn osmotische Grenze zwischen der Kunst- und der Lebenswelt. 1981 hat Buthe eine zweisemestrige Gastprofessur an der Kunstakademie in Düsseldorf inne, im selben Jahr entsteht in Essen seine einzige Videoperformance mit dem Titel „When love is wrong, I don’t want to be right“. 1983 erhält er in Düsseldorf eine ordentliche Professur, trotz dieser Beschäftigung in Deutschland kauft er sich 1986 ein Haus in Marrakesch, fünf Jahre später richtet sich der Künstler eine Wohnung und ein Atelier auf Mallorca ein, die er jedoch nur sporadisch nutzt. Im Sommer 1992 ist er erneut auf der documenta vertreten, 1994 reist er noch einmal nach Marokko und unterhält in Tanger ein Atelier. Am 14. November des selben Jahres stirbt Michael Buthe erst fünfzigjährig in Bonn.
Gioia Dal Molin
Buthes Arbeiten aus den späten 1960er Jahren zeugen von einer Schlichtheit und einer fast spröden Sinnlichkeit, ein Charakteristikum das jedoch mit seiner ersten Reise nach Marokko im Frühjahr 1970 aufgebrochen wird. Von nun an führt Buthe das Leben eines Nomaden, er pendelt zwischen Orient und Okzident, zwischen dem deutschen Rheinland und dem Maghreb. Er versucht sich mit ersten farbigen Zeichnungen. Im marokkanischen Fez ist er vom Handwerk der Färber fasziniert; seine bis anhin zumeist puristisch anmutenden, selbst eingefärbten Tücher und Stoffe erhalten nun eine opulente, fast märchenhafte Farbigkeit. Für sein weiteres Schaffen sind die Farben zentral, erweitert wird seine Palette durch die intensive Verwendung von Gold und Silber. Farben sind für Buthe sowohl Träger eines Repertoires von symbolischen Bedeutungen aus der östlichen und westlichen Kulturgeschichte als auch Ausdruck subjektiver Empfindungen: „Wenn ich mich gut fühle, benutze ich Gold. Gold ist keine Farbe, sondern ein Glückszustand“ – so der Künstler.
Ebenso zentral wie die Farben sind die Bildträger und die Materialien, derer sich Buthe bedient. Ein mit Rosenblätter, Wachs und Goldbronze bedeckter Holzkeil visualisiert die Aspekte der Veränderung und der Vergänglichkeit, die seinem Werk immanent sind und zeugt im weitesten Sinne auch von der Fragilität von Buthes Kosmos. Collagen (vgl. beispielsweise KML 2006.37y) aus Fotografien, Blütenblättern, Goldpapier, Federn und Pailletten oder Objekte mit integrierten afrikanischen Masken, persischen Pferdedecken oder marokkanischen Stoffsandalen zeugen von Buthes angestrebter Durchdringung von Kunst und Leben und von seiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Bild des Orients. Der Künstler wendet sich in einer Zeit dem Orient zu, in der die Kunstwelt kaum über die europäischen Grenzen hinaus blickt, zugleich jedoch eine junge Generation im Fahrwasser der 68er-Bewegung und der Aufwertung der Phantasie vom orientalischen Leben träumt und sich hierbei wohl nicht nur an der üppigen Farbenpracht berauscht. Buthes Reisen in den Maghreb, nach Nigeria, Persien oder Afghanistan nähren sich jedoch kaum aus einer blossen Faszination für Exotik oder aus einem Anspruch, das „Andere“ in Besitz nehmen zu wollen, sondern vielmehr aus einem echten Interesse an anderen Kulturen. Dazu bemerkt Buthe 1991: „Wenn ich reise, tue ich das ja nicht, um irgendwie auszuflippen, sondern die Länder, in die ich fahre, interessieren mich, vor allem die Menschen.“ In Werken wie sein 1971 in der Galerie von Toni Gerber und 1972 auf der documenta V in Kassel gezeigtes Environment „Hommage an die Sonne“ kreiert er mit Farbe, Ornamentik und Opulenz ein stereotypisiertes Orientbild, das gerade wegen dieser Überzeichnung den kanonisierten westlichen Blick auf den Orient unterläuft und in seiner Verzerrtheit entlarvt. Inspiriert durch eine Reise nach Benin – ein „Königreich im Dschungel“ schreibt Buthe im April 1973 an Gerber – konzipiert er das mythische Environment „Le Dieux de Babylon“, das als erste grosse Einzelausstellung 1973 im Kölnischen Kunstverein und 1974 im Kunstmuseum Luzern gezeigt wird.
1976 erhält Buthe den Kunstpreis der Villa Romana und verbringt ein Jahr in Florenz. In dieser Zeit intensiviert der Künstler sein Schaffen an grossformatigen Papierarbeiten, auf denen er direkt dem menschlichen Körper nachgezeichnete Silhouetten festhält. Nach der Rückkehr aus Florenz präsentiert Buthe an einer Lesung in Köln seine Erzählung „Die wundersame Reise des Saladin Ben Ismael“. Geschrieben auf einer Fahrt von Florenz nach Köln, konstruiert die Geschichte eine exotische Phantasiewelt und macht deutlich, dass sich Buthes Auseinandersetzung mit der Kunst und dem Leben und letztlich auch das Kokettieren mit der westlichen Sichtweise auf den Orient nicht auf sein gestalterisches Œuvre beschränkt. 1977 zeigt er auf der documenta VI seine gemalten und collagierten Tagebücher. Begonnen als kleinformatige Bändchen in den 1960er Jahren, entwickelten sich seine persönlichen Aufzeichnungen immer mehr zu monumentalen Folianten. Seine Worte werden immer mehr zu Bildern, die in ihrer Form als wahre Assemblagen ebenso auf sein künstlerisches Schaffen verweisen wie sie sie davon zeugen, dass dieses genuiner Bestandteil seines Lebens ist. In diesem Sinne offenbaren sowohl Buthes gestalterische Arbeiten als auch seine persönlichen Aufzeichnungen die für ihn osmotische Grenze zwischen der Kunst- und der Lebenswelt. 1981 hat Buthe eine zweisemestrige Gastprofessur an der Kunstakademie in Düsseldorf inne, im selben Jahr entsteht in Essen seine einzige Videoperformance mit dem Titel „When love is wrong, I don’t want to be right“. 1983 erhält er in Düsseldorf eine ordentliche Professur, trotz dieser Beschäftigung in Deutschland kauft er sich 1986 ein Haus in Marrakesch, fünf Jahre später richtet sich der Künstler eine Wohnung und ein Atelier auf Mallorca ein, die er jedoch nur sporadisch nutzt. Im Sommer 1992 ist er erneut auf der documenta vertreten, 1994 reist er noch einmal nach Marokko und unterhält in Tanger ein Atelier. Am 14. November des selben Jahres stirbt Michael Buthe erst fünfzigjährig in Bonn.
Gioia Dal Molin