Ken Lum, 1 Einträge
Von den Naturwissenschaften zur künstlerischen Praxis wechselnd, verfolgt Ken Lum in den späten 1970er Jahren weitere Kunstkurse und erfährt Unterricht bei dem international bekannten kanadischen Künstler Jeff Wall. Von Wall selbst wird hervorgehoben, dass sich Lum in den Jahren 1977 und 1978 als junger Biologiestudent sehr aufgeschlossen für die experimentelle Kunst zeigte und, dass dieser, typisch für Einwandererkinder, sich zuerst einem konformistischen Studiengang widmete. Dies scheint für Lum die erstmalige Begegnung mit der Form der konzeptuellen Kunst zu sein und so entschliesst er sich zu Beginn der 1980er Jahre, ein Kunststudium aufzunehmen. 1981 siedelt er von Vancouver nach New York über und besucht das Institut of Fine Arts der New York University, welches damals unter der Leitung des weltweit angesehenen Kunstprofessors Robert Rosenblum steht. Aufgrund gesundheitlicher Umstände seiner Mutter reist Lum jedoch ein Jahr später zurück nach Vancouver und schliesst sein Kunststudium 1985 an der Universität British Columbia ab.
Bereits seit Ende der 1970er Jahre beginnt der Künstler im internationalen Rahmen auszustellen. Zu seinen Arbeiten gehören komplexe Skulpturengruppen aus Möbeln oder auch Performances im öffentlichen Raum sowie fotografische Studioporträts mit Logos der Werbewelt, die teilweise mit undefinierbaren Schriften kombiniert sind. Lums Werke lassen sich von der Pop Art der 1950er und 1960er Jahre, der minimalistischen Kunst und nicht zuletzt von der Konzeptkunst leiten.
Neben den Inspirationen und Anlehnungen an unterschiedliche Kunstströmungen setzt sich der Künstler beständig, doch in verschiedensten Formen, mit dem sozialen System und seinen Torturen auseinander. Humorvoll doch stetig provokativ hinterfragt er die Grenzen zwischen der gesellschaftlich anerkannten Kunst und der Populärkultur. Das Alltägliche und die oftmals einflussreichen Strategien und Vorgehensweisen der Medien formen seine künstlerische Umsetzung, sodass sich vor allem Stilelemente der Werbung in seinen unterschiedlichen Plakatprojekten wiederfinden. Das Individuum in Form des Porträts sowie Schrift, Sprache, Zeichen und Symbole ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Werk. In diesem Zusammenspiel fungiert das Bild als komplexes narratives Medium und der Text öffnet weitere Interpretationsmöglichkeiten. Signalfarben und Grossbuchstaben setzen den Text in Szene und schildern den sichtlich verborgenen Gefühlszustand des Porträtierten. Eine direkte visuelle Aussage entsteht.
Durch die Lebensumstände und Erfahrungen als Kanadier mit chinesischen Wurzeln kommt in Lums Werken zudem der Stellung und Würdigung des Individuums in der heutigen Gesellschaft eine prägnante Rolle zu. Er entwickelt hierbei eine Faszination für den urbanen Raum, in welchem die Privatsphäre mit öffentlichen und kommerziellen Interessen konkurriert.
Die Benutzung von Schrift und Sprache erinnert seinen ehemaligen Lehrer Jeff Wall an frühe Kunstformen. Er sieht hierbei eine Parallele zu den dadaistischen Sprechopern eines Kurt Schwitters oder Raoul Hausmann. Diese Künstler befassten sich mit gestalterischen Möglichkeiten der Typografie, dem Sprechen oder auch der Tiersprache wie zum Beispiel dem Vogelgesang.
Ab den 1980er Jahren bekommen Lums Arbeiten weiteres Ansehen. Da die Fotografie in seinem Schaffen als neues Medium eine zentrale Position einnimmt, ist er eng mit der Gruppe der sogenannten „Vancouver School“ verbunden. Zu diesem Kreis von Künstlern, die sich gegenseitig inspirieren, zählen neben Jeff Wall auch Rodney Graham und Ian Wallace, welcher ebenfalls als Lehrer von Lum zu erwähnen ist.
Das Kunstmuseum Luzern widmet dem kanadischen Künstler 1991 eine Einzelausstellung. Diese macht zuvor Station in Kanada in der Winnipeg Art Gallery (1990) und der Vancouver Art Gallery (1991) sowie in den Niederlanden im Rotterdamer Center for Contemporary Art Witte de With (1991).
Der kanadische Künstler ist auch publizistisch tätig. Eine grosse Vielfalt an schriftlichen Aufsätzen entsteht, etwa über die kanadische Einwanderungspolitik, dies in Anlehnung und als Hommage an das Werk „Das Floss der Medusa“ des französischen Künstlers Théodore Géricault. Sein kuratorisches Wirken als Co-Kurator für die Sharjah Biennale der Arabischen Emirate oder als einer der Hauptsprecher der jährlichen CIMAM, des Internationalen Komitees für Museen und Kollektionen moderner Kunst, 2010 in Shanghai verdeutlicht zudem seine Präsenz in der internationalen Kunstszene. Ken Lums transdisziplinäres Schaffen findet sich nicht zuletzt in seinen Lehraufträgen wieder, wie an der Pariser École Nationale Supérieure des Beaux-Arts oder der Akademie der Bildenen Künste in München.
Jasmin Chanine
Egan, Danielle, "Ken Lum: Road to Somewhere", in: Canadian Art, Spring 2012, S. 106-109
Madoff, Steven Henry, Art School. Propositions for the 21st Century, mit Texten von Daniel Biernbaum, Hans Haacke und Ken Lum, 2009
Halkes, Petra, "Ken Lum. Works with Photography", in: CV Photo, S. 31
Paris, Service culturels de l'ambassade du Canada/ centre culturel canadien (Ausst.- Kat.), Ken Lum, Paris, Service culturels de l'ambassade du Canada/ centre culturel canadien 2002
Amsterdam, Stedelijk Museum (Ausst.-Kat.), Notion of conflicts: a selection of Canadian art, hrsg. von Dorine Mignot, Amsterdam: Stedelijk Museum, 1995
München, Städtische Galerie im Lembachhaus (Ausst. - Kat.), Ken Lum. Come on, Get Up!, hrsg. von Helmut Friedel, München, Städtische Galerie im Lembachhaus, 1993
Schwander, Martin, "Zu unserem Titelbild", in: Kunst-Bulletin, Bd. 5, 1991, S. 10
Jahn, Andrea, "Ken Lum", in: Artis. Zeitsschrift für neue Kunst, Bd. 42, 1991, S. 48-51
Luzern, Kunstmuseum Luzern (Ausst.-Kat.), Ken Lum, mit einem Text von Jeff Wall (Deutsche Übersetzung von: Jeff Wall, Four Essays on Ken Lum, in:Ausst.-Kat., Winnipeg Art Gallery 1990, Luzern: Kunstmuseum Luzern, 1991
Winnipeg, Winnipeg Art Gallery/Vancouver, Vancouver Art Gallery/Rotterdam, Witte de With (Ausst.- Kat.), Ken Lum, mit Texten von Jon Trupper, Chris Dercon, Jeff Wall, Ken Lum und Linda Boersma, Winnipeg: Winnipeg Art Gallery, 1990
Blase, Christoph, "Kissen auf Leinwand", in: Kunst-Bulletin, Bd. 11, 1990, S. 10.
Blanchette, Manon, Ken Lum, Montréal: Musée d'art contemporain, 1988