Wie auch das Werk „Melly Shum hates her job“ (1989), bildet „Werner Beckmann is Max Beckmann’s nephew“ einen Bestandteil der Werkgruppe „Portrait Attributes“. Es zeigt ein gestelltes Porträt. Hierbei betont Ken Lum, dass ihm eine konservative Bildgestaltung wichtig ist, da diese ihm ermöglicht, das Bildwerk kontrollieren zu können. Schliesslich setzt Lum Bild und Text nach einem stets ähnlichen Schema zusammen.
Mit einer offenen Gestik blickt uns der Porträtierte an und hält dabei in seiner linken Hand eine Kaffeetasse. Ein gewöhnlicher Moment, so wie ihn der kanadische Künstler oftmals ablichtet und in Szene setzt. Der Mann lächelt und schaut direkt zum Betrachter. Er befindet sich vor einem Fensterrahmen mit zur Seite gezogenem Vorhang. Auf der zweiten Hälfte des Bildes steht der Titel des Werkes in Grossbuchstaben. Der Name Beckmann hebt sich farblich auf schwarzem Grund ab.
Ist dieser Mann wirklich der Neffe des berühmten deutschen, expressionistischen Künstlers Max Beckmann, den Kunstinteressierte sofort mit diesem Namen assoziieren? Beim Porträtierten handelt es sich um einen Bürger der Stadt Vancouver, welcher dem Künstler aufgrund einer Arbeitsvermittlung bekannt wird. Für einen Abtransport suchte Ken Lum Aushilfen, unter diesen befand sich Werner Beckmann, den Lum für die Arbeit engagierte. Der kanadische Künstler erkennt in den Lebensumständen des Arbeiters Werner Beckmann seine bevorzugte Thematik wieder, nämlich die Hinfälligkeit der kulturellen und sozialen Identität und schafft gleichermassen einen direkten Bezug zu einem Werk des Künstlers Max Beckmann.
Vergleicht man das von Max Beckmann bekannte Selbstbildnis im Smoking von 1927 (im Busch-Reisinger Museum in Cambridge, Massachusetts) mit Ken Lums Arbeit, lassen sich Gemeinsamkeiten in Bezug auf Gestik und Stilelemente finden. Der deutsche Künstler positioniert sich vor einem Fensterrahmen. Der Vorhang ist zur rechten Seite geschoben. Auch die Mimik und Gestik des deutschen Künstlers entspricht der des kanadischen Bürgers im Werk von Lum. Als ausschlaggebende Unterschiede jedoch trägt Max Beckmann einen Smoking, Werner Beckmann ein schlichtes T-Shirt, welches einer Arbeitskleidung gleicht. Zudem hält der Max Beckmann eine Zigarre in der Hand und sein Blick wirkt stolz. Der porträtierte Werner Beckmann hingegen hält eine Kaffeetasse mit der Aufschrift „nobody does it better“ in der Hand. Laut Martin Schwander, der Lum 1991 in Luzern in einer Einzelausstellung präsentierte, handelt es sich hierbei um ein typisches Merkmal des kanadischen Kleinbürgers. Wie auch in anderen Porträts interessieren Lum auch hier die gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Unterschiede ethnischer Gruppen. Mit diesem Werk referiert Lum, ähnlich wie sein Mentor Jeff Wall, zudem auf ein traditionelles kunsthistorisches Bildgenre.
Jasmin Chanine